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Sunday, December 9, 2018

My Albums 2018



Top 10:
  1. Laurie Anderson & Kronos Quartet: Landfall
  2. Jon Hassell: Listening to Pictures
  3. Nils Frahm: All Melody
  4. Geir Sundstøl: Brødløs
  5. David Byrne a.o.: True Stories, The Complete Soundtrack
  6. John Coltrane: Both Directions At Once
  7. David Byrne: American Utopia
  8. The Manhattan Transfer: The Junction
  9. Klaus Schulze: Silhouettes
  10. The Low Anthem: The Salt Doll Went To Measure The Depth Of The Sea

In no specific order followed by:
  • Flavien Berger: Contre-Temps
  • Gong Expresso: Decadence
  • Peter Gordon: Eighteen
  • Guru Guru: Rotate! 50 Years Guru Guru
  • Jean-Michel Jarre: Equinoxe Infinity
  • Keith Jarrett: La Fenice
  • Glenn Jones: The Giant Who Ate Himself
  • Cat Power: Wanderer
  • Steve Reich: Pulse / Quartet

Noncompetitive albums because not originally or only in parts released in 2018:
  • The Beatles: White Album, 50th Anniversary Edition
  • Holger Czukay: Cinema
  • Brian Eno: Music for Installations
  • Janis Joplin & BBHC: Sex, Dope & Cheap Thrills
  • David Sylvian & Holger Czukay: Plight & Premonition/Flux + Mutability

Rediscovered:
  • Genesis: Seconds Out (1977)
  • Steve Hillage/Miquette Giraudy: Rainbow Dome Musick (1979)
  • Ougenweide: Herzsprung (2010)
  • Gerry Rafferty: City to City (1977)
  • Simon & Garfunkel: The Concert in Central Park (1982)
  • Karlheinz Stockhausen: Inori (1992)

Thursday, December 6, 2018

Babylon Berlin

By the way, during the recent couple of days I've read Volker Kutscher's novel "Babylon Berlin" (German title: "Der nasse Fisch") that became the template for the TV series. A good read! But the more I got through the book, the more the TV adaptation got ridiculous. It's really unbelievable how the TV series violently deformes the original characters and stuffs the plot with dramaturgical nonsense and all kinds of clichés until it squeaks, just to get what the makers seem to think is this oh-so-naughty "Berlin in the Twenties". The novel is a bit sluggish at times, but much better than the series, seriously.

Tuesday, December 4, 2018

Big Brother & The Holding Company: Sex, Dope & Cheap Thrills



Ein neues Album von Janis Joplin! Ein Doppelalbum sogar! Yay!

Na gut. Die Story des Cheap Thrills-Albums ist wahrscheinlich bekannt: Big Brother & The Holding Company (der Name ist bis heute seiner Zeit voraus) hatten sich im Studio so oft verspielt, dass der Produzent letztlich auf die Idee verfiel, Publikumsgeräusch dazuzumischen und das Ganze als Live-Album auszugeben. Dort würden die Fehler glatt als "authentisch" durchgehen. Einzig "Ball And Chain" war eine wirkliche Live-Aufnahme, aufgenommen im Fillmore in San Francisco. Wenn mich nicht alles täuscht, ist der für den Rest der Platte verwendete Beifall derselbe, der auch für das (ebenfalls gefakte) Live-Album der 13th Floor Elevators von 1968 eingesetzt wurde.

Columbia hat damals weder das ursprünglich vorgesehene Coverfoto




noch den eigentlich beabsichtigten vollen Titel des Albums akzeptiert. So ließ man es denn bei Cheap Thrills, und Janis Joplin höchstpersönlich bat Robert Crumb um einen Comic, den dieser mit Freuden lieferte. Und weil er so schön war, kam er aufs Frontcover. Auf die ihm angebotenen 600 Dollar verzichtete Crumb: "I don't want Columbia's filthy lucre". Wer sich's denn leisten kann ...



Weil Crumb davon ausging, dies solle das Backcover werden, visualisierte sein Comic die einzelnen Titel des Albums und nennt die Musiker. Eine der Zeichnungen war mit "Harry" beschriftet. Das war der Titel eines sehr kurzen und sehr schrägen Stücks, das die Seite 2 eröffnen sollte. Da die Plattenfirma dieses Stück ebenfalls rauswarf, wurde im Nachhinein "Harry" aus der Zeichnung entfernt und "Art: R. Crumb" eingefügt. (Crumb selbst hat seine Zeichnungen nie signiert.) -- Das Original des Comics übrigens ist 1971 aus dem Columbia-Archiv geklaut worden, wohl von einem Mitarbeiter. Zwölf Jahre später wurde es bei Sotheby's für 250.000 Dollar versteigert; das Auktionshaus hat den Verkäufer nie bekanntgegeben.

Nun ist "Harry" wieder da. Diesmal unter dem vollständigen Originaltitel des Albums, für das vorgesehene Originalfoto allerdings mochte man sich aber auch diesmal nicht entscheiden. (So originell war's auch wirklich nicht.) Zweieinhalb Stunden Outtakes und Live-Mitschnitte aus der Cheap Thrills-Ära gibt es zu hören -- 30 Stücke insgesamt, davon 25 bislang unveröffentlicht, fünf erschienen bereits als Bonustracks auf anderen Zusammenstellungen oder Re-Issues. In vielen Fällen, so ehrlich sollte man sein, erschließt sich recht schnell, weshalb das Stück ein Outtake geworden ist. Spielfehler, falsche Noten, Abbrüche und Aussetzer kommen immer mal wieder vor. Es wird (wieder einmal) klar, dass BBHC zwar eine für damalige Normalverhältnisse brauchbare Band war, mit Janis' Ausnahmetalent aber schlicht überfordert war. Auch Janis scheint nicht in allen Stücken bei 100 Prozent zu sein, dafür übertreibt sie in anderen Stücken mit voll durchgetretenem Gaspedal. Aber die meisten Stücke sind hörenswert. Und überhaupt: 80 Prozent Joplin sind immer noch mehr als das meiste, was heute gern mal als "neue Joplin" gehandelt wird. Es bleibt dabei: Es gibt nur eine.

Das Booklet beinhaltet einen kurzen Gruß von Grace Slick und einen längeren Text von BBHC-Drummer Dave Getz, der einiges an interessanten Hintergrundinformationen liefert.

Kommentar zu einem Facebook-Post

Der Autor Eric T. Hansen, in Deutschland lebender Amerikaner und zeitweiliger "Zeit"-Kolumnist, hat vor ein paar Tagen unter der Überschrift "Bin ich anti-deutsch?" einen Artikel auf seiner Facebook-Seite gepostet -- nachzulesen hier. Dazu habe ich einen kleinen Kommentar geschrieben, den ich einfach mal unverändert in meinen Blog übernehme:

Ich stimme etlichen Punkten in Deinem Post zu. Ich will das jetzt nicht alles ausführen, aber einen Aspekt würde ich gern in die Debatte werfen: Für mich zeigt sich hier geradezu klassisch ein Mentalitätsunterschied zwischen Deutschen und Amerikanern.

Ich lebe jetzt seit über zehn Jahren in Pittsburgh (komme ursprünglich aus Hamburg), und ich habe eine Weile gebraucht, bis ich begriffen hatte, dass die Amerikaner einen anderen Politikbegriff haben als die Deutschen. Amerikaner finden ihre Politiker nicht übermäßig wichtig. Die werden gewählt, sollen ihren Job machen und ansonsten nicht weiter auffallen. Im Alltag sind sie eigentlich kaum jemals ein Thema, und die Politiker selbst wissen zwar, dass sie durchaus unter Beobachtung stehen (u.a. der Presse), haben aber anscheinend nicht das Bedürfnis, sich ständig in die Öffentlichkeit zu drängen. Sie wissen, dass das allgemeine Interesse daran eher mäßig wäre.

Das ist in Deutschland anders. Da wird geradezu verlangt, dass Politiker für alles, jeden Konflikt, jeden Gullideckel und jeden Fernsehfilm, verantwortlich sind und sich zu allem und jedem öffentlich zu positionieren und zu jeder Lappalie eine Einschätzung in die hingehaltenen Mikrofone zu blasen haben -- und die tun das dann auch. Das zwingt natürlich geradezu zu Sprechblasen. Die werden dann gründlichst von den Medien hin- und hergewendet. Das Ganze dient nicht der Information oder dazu, zu einer Lösung zu kommen, sondern es soll Erregung erzeugen, immer mit dem unausgesprochenen Versprechen, dass es morgen eine Fortsetzung geben wird. Da der Deutsche als solcher (wenn ich das mal so sagen darf) zudem die Tendenz hat, jeden für dumm, korrupt oder unfähig zu halten, der anderer Meinung ist als man selbst, entsteht dieses Lagerdenken, das im anderen keinen Gesprächspartner, sondern einen Feind sieht und im Extremfall auch zu Gewaltausbrüchen führt. Letztere werden dann gern höchst sentimental gerechtfertigt (ich sage nur "Hambi").

Genau diese Sichtweise auf Politik wenden die Deutschen auch auf andere Länder an, und so eben auch auf die USA. Deswegen wird jeder noch so dämliche Tweet von Trump in Deutschland auf die Goldwaage gelegt und sich darüber aufgeregt, und deswegen wird ein Präsidentenauto mit Flaschen beworfen. Aber eben nicht nur: Die Deutschen richten das ja genauso auch gegen sich selbst. Da wird wegen eines G20-Gipfels der eigene Stadtteile verwüstet, und eben auch die eigenen Politiker oder die eigene Polizei zu Volldeppen oder (wahlweise) zum Feindbild erklärt. Und eine demokratisch gewählte Kanzlerin wird von Demonstranten auch gern mal an den Galgen gewünscht.

Vielleicht ist das sogar ein europäisches Phänomen. Wir erleben ja in Frankreich gerade ähnliches, und selten habe ich so viele Darstellungen von Merkel als Hitler gesehen wie in der italienischen und griechischen Presse. In der amerikanischen Presse wird Deutschland (aber auch Europa als Ganzes) manchmal recht merkwürdig dargestellt, aber solche Entgleisungen habe ich noch nicht beobachtet. Ich bin hier auch noch nie für bescheuert erklärt oder für die deutsche Politik in Anspruch genommen worden, weil ich aus Deutschland bin.

Wenn es um die Frage geht, wie man soziale Konflikte halbwegs friedlich lösen kann, da haben alle Seiten noch einiges zu lernen.

Sunday, December 2, 2018

Tangerine Dream: Revolution Of Sound

I think it was in January that I posted a review of Edgar Froese's autobiography here. In March 2018, a documentary on Tangerine Dream was published on DVD: Revolution Of Sound.


 The movie was made by Margarete Kreuzer with the help of Arte, WDR, RBB and some crowdfunding. As Edgar Froese had wished, a 55-minute version was made for Arte TV, a long version (89 minutes) was made for DVD and cinema.

Don't expect any revolutionary news, but it's an interesting trip.

The docu starts with Edgar Froese, walking with a strange construction of microphones recording his breath and electrodes on his chest through obviously hot sunshine into the ocean to use the sounds and data to control a synthesizer (it's a pity we don't hear the result). The film then walks chronologically through the story of the band, with the focus mainly on Froese. Most of the used material was known before, like the "Bathtub Session" or the snippets from the "scandalous" Reims Cathedral concert, but we also get a lot of stuff here that was filmed by Froese himself -- obviously this was one of his obsessions. Besides this, there are several interviews with people who were involved in the band or in projects the band had to do with. We see Brian May (guitarist of Queen who's also an astrophysicist) who performed with TD using the sounds of radio stars. There's Jerome Froese (son of Froese and his deceased wife Monika) who talks about playing with David Bowie's son as a child. There are snippets of a teaching by Pierre Schaeffer, a statement by Virgin head Richard Branson, and a sort of working report by director Michael Mann about the Sorcerer soundtrack. More interesting is Jean-Michel Jarre who was in the Reims audience and in 2015 recorded a track with TD. He talks about his theory that electronic music was a French and German invention. This is for sure not wrong, but it should be said that in France and Germany "electronic music" was a very academic thing that used technical devices that were usually not made to be used as musical instruments. The Moog Synthesizer changed that, and I think it was not by chance that this device was not a German but an American invention. But -- and in this respect Jean-Michel is right -- the American musicians tried to integrate the synthesizer into their rock music as a sort of interesting sounding addition, while the German musicians radically waved goodbye to their classic rock instruments and were the first to use the synthesizer as main or even only instrument. But most interesting of course are the things Peter Baumann and Johannes Schmoelling have to say because they know the real story. It becomes clear that the high time of Tangerine Dream were the 1970s and 1980s, after this the band turned out to be more and more a solo project of Froese with guest musicians.

And of course we hear Froese's famous sentence: There is no death, there is only a change in the cosmic address.

Most of the commentary is from Froese's autobiography. Originally it was planned to use statements of Froese. A lot was taped, but when the accident on black ice happened and his broken jawbone adhesed a bit awry, he had difficulties to speak. So director Margarete Kreuzer decided to use the autobiography instead, spoken by Alexander Hacke (of Einstürzende Neubauten). Bonus material has interviews with Johannes Schmoelling, Peter Baumann, Jean-Michel Jarre, Linda Spa, Michael Mann, Bianca Froese-Acquaye and Margarete Kreuzer; and two concert snippets -- unfortunately from a late phase of the band with a lineup that was not that interesting anymore. I would have preferred to see some material of the "classic" years which I'm sure exists.

The DVD has the movie in a German as well as in an international version, but for some reason the region code is 2, so it might be some American DVD players and computers won't play it.

Wednesday, November 28, 2018

True Stories, A Film By David Byrne: The Complete Soundtrack



Es war einmal ein Film: True Stories von 1986, gedreht unter der Regie von Talking-Heads-Mastermind David Byrne. Der präsentiert uns eine skurrile Rundfahrt durch Smalltown America am Beispiel des imaginären Städtchens Virgil, Texas -- seine Mall, seine Bewohner, ihre Macken, ihre Unterhaltungsvorlieben.

Ich habe den Film seinerzeit auf Tele 5 in einer deutsch synchronisierten Fassung gesehen und fand ihn witzlos. Allerdings gab es dazu auch die Filmmusik, gespielt von den Talking Heads, und dieses Album gehörte mit seiner merkwürdigen Melodien- und gelegentlichen Walzerseligkeit schon bald zu meinen Heads-Favoriten. Ich mag die Scheibe noch immer.



Vor einem halben Jahr habe ich den Film zufällig als Netflix-DVD entdeckt und ihn erstmalig in der unsynchronisierten Originalfassung gesehen. Erst da ist mir bewusst geworden, wie verdammt gut dieser Film eigentlich war, wie scharf Byrne beobachtet, ohne jemals böse oder zynisch zu sein (das wäre leicht), was für eine melancholisch-absurde Komik dieser Film stellenweise besitzt, und wie wunderbar die Videoclips in den Film passen, die sich Jonathan Demme mit seinem Kunstköpfchen zur Talking-Heads-Musik hat einfallen lassen.

Und jetzt gibt es den ganzen Soundtrack des Films.



Und erst jetzt ist mir so ganz klargeworden, wie gut zum Teil diese Filmmusik war, nicht zuletzt auch die Originale, die nicht von der Stimme Byrnes geprägt sind. Erstaunliche Überraschungen kann man da erleben -- z.B., dass im Titeltrack keine Geringere als Meredith Monk mitgewirkt hat (die 1986 ebenso wie David Byrne offenkundig ihren Philip Glass zum Frühstück genossen hatte), oder das Kronos Quartet in der "Dinner Music". Abenteuerlich die "Mall Music", gespielt von einem Carl Finch auf einem Hobbykeyboard (dem Sound nach wohl ein Yamaha-Gerät). Ein Titel wie "Wild Wild Life", gespielt auf einer Pedal Steel Guitar, gewinnt eine völlig neue Dimension, und auch der "Dream Operator", gespielt auf Gläsern, entwickelt einen unwiderstehlichen Charme.

Dazu kommen einige Talking-Heads-Songs in deren unveränderter Originalfassung, eine Reihe von Songs, die von anderen Originalinterpreten dargeboten werden und bislang auf keiner Platte zu finden waren. Sehr hörenswert zum Teil auch die Talking-Heads-Songs, die auf diesem Album mit den Interpreten zu hören sind, die im Film singen.

Was soll man sagen? Ein verblüffend gutes, hoch unterhaltsames Scheibchen. Hätte ich nicht erwartet.

(Zuerst veröffentlicht in manafonistas.de)

Saturday, November 24, 2018

Conny Plank -- The Potential Of Noise


This is the English-language version of a music docu by Reto Caduff, Ziska Riemann and Stephan Plank, finished in 2017. It is now on its way through selected U.S. movie theaters and festivals.

For Conny Plank, as the film shows at the beginning, every kind of noise had the potential to become music. Conny Plank, needless to tell, was one of Germany's most important sound engineers and record producers during the 1970s and 1980s. He passed away in 1987 at the age of only 47. Only in parts this film is a portrait of Conny Plank. It is also a film of a son in search for traces of his father -- a father who was never really present although he always was at home, and who sadly passed away from cancer when the son was only 13.

For sure it's not easy to be the junior of a father who was seen as a legend already in his active years, who worked in his studio around the clock, was busy all the time and didn't seem to care about his son as much as he probably had wished he could. Some of the interviewees, like Annette Humpe or Holger Czukay, go especially into this, which sometimes spread a veil of sadness over the film.

Now, 20 years after his father's passing, Stephan Plank in Germany, Great Britain, France, the U.S. and Italy visits some of the musicians his father produced. Stephan Plank leads interviews with his father's mentor Wolfgang Hirschmann (who modestly declines this role) or Daniel Miller of Mute Records as well as some of the musicians he met as a kid when he was playing around in the studio or around the house: Michael Rother, Hans-Joachim Roedelius, Robert Görl of DAF, David A. Stewart of Eurythmics, Midge Ure of Ultravox, Les Rita Mitsouko, Gianna Nannini, Devo, hip-hop duo Whodini and many others. Besides this, some snippets from radio or TV interviews with Conny are shown.

Some names one would have expected are missing, especially Brian Eno, as well as somebody of Kraftwerk. Some of the interviews are not very effective or show productions of "minor" records -- like Annette Humpe who talks about the production of the first album she did with her sister Inga (Humpe & Humpe), which is a nice record that somehow drowned, but no word about the second Ideal album which for my taste was much more important.

But of course the most recordings done at Conny's Studio haven't been filmed or documented otherwise, so there's nothing that could be shown. However, between all this there's space enough for personal keepsakes -- home videos, old photos, record covers, posters et cetera. It becomes also clear very soon that without Conny's wife Christa Fast the whole studio business would have been impossible.

The studio itself seemed to be surprisingly small, cramped and very dark, and I would really like to know why he needed no less than 56 channels on his mixing console. Not mentioned in the film is that many of Conny's early productions were made in several studios; especially at Star Studio and Windrose-Dumont-Time in Hamburg where Conny lived at that time. He opened his own studio in Wolperath not before 1974.

The Potential Of Noise is worth seeing, but don't expect any sensational news or deeper psychological insights. The DVD cover shown above isn't the current one anymore. The name Conny Plank has been brought more to the foregound now and the name Kraftwerk is gone. Whatever the reasons may be.

(Trailer, German language) 


(This post has been published first in manafonistas.de.)

Tuesday, November 13, 2018

Wolfgang Schlüter 1933-2018



One of the great ones on vibraphone and marimba has left us. Rest in peace and thank you for the music.




NDR radio has an obituary here (German language)

Thursday, October 18, 2018

Jorma Kaukonen: Been So Long




Dies ist die Autobiografie von Jorma Ludwik Kaukonen, dem Gitarristen vorrangig von Jefferson Airplane und deren noch heute aktivem Ableger Hot Tuna. Jorma ist 1940 in den USA als Sohn finnischer und schwedischer Einwanderer geboren. Sein Vater war im diplomatischen Dienst, was immer wieder einmal zu Umzügen der Familie führte; unter anderem lebte, lernte und studierte Jorma auf den Philippinen und in Pakistan. Unter anderem studierte er Soziologie, hatte aber kein klares Berufsziel und rutschte irgendwie ins Gitarrenspiel hinein.

Seine Vorliebe für alte Blues-Shouter und Leute wie Buddy Holly brachte Jorma schließlich zu einem Lehrer, der ihm das Fingerpicking beibrachte, eine Spieltechnik, die er bis heute virtuos draufhat. Seine erste Band hatte er 1957; schon damals dabei war der kaum weniger virtuose Bassist Jack Casady, mit dem Jorma eine enge Freundschaft verband und der dann konsequenterweise ebenfalls bei den Airplanes landete. Weil der Name Jorma von philippinischen Lehrern, Behörden etc. als "verdächtig russisch" angesehen wurde, nannte er sich zeitweilig auch Jerry. In San Francisco wurde er der Gitarrenbegleiter der frühen Janis Joplin; bei Fans bekannt sind die "Typewriter Tapes" von 1964, bei denen die beiden in Jormas Wohnung eine kleine Session veranstalten, während im Hintergrund Jormas damalige Frau Margareta auf der Schreibmaschine tippt (man findet die Aufnahmen leicht im Internet, aber auch auf der Janis-CD-Box sind einige davon zu hören).

Eigentlich, so sollte man meinen, müsste das schon eine Menge interessanten Erzählstoff ergeben. Kaukonen bleibt aber sowohl in dieser frühen Zeit als auch später vorrangig bei seiner eigenen Person. Er macht tatsächlich genau das, was er im Vorwort selbst ankündigt, insofern kann man sich nicht beklagen. Aber trotzdem: Man würde herzlich gern mehr erfahren über die Airplane-Mitmusiker, über die Atmosphäre der 60er Jahre, Woodstock, Altamont (wo die Hells Angels den Airplane-Sänger Marty Balin zusammenschlugen), man wüsste z.B. auch gern, was Jorma, der jüdischen Glaubens ist, dazu gebracht hat, jahrelang ausgrechnet ein Hakenkreuzamulett um den Hals zu tragen (deutlich etwa im Woodstock-Film zu erkennen). -- Ja, man weiß natürlich, dass das Hakenkreuz ein schon viele älteres Symbol ist, aber dennoch ... Es gibt Symbole, die verbrannt sind, die man nicht mehr verwenden kann, egal, wofür sie vorher mal standen, und jemand, der Soziologie studiert hat, müsste das eigentlich wissen. Leider kommt dazu kein Wort. Man wartet überhaupt ständig darauf, dass nun aber wirklich bald mal die interessanten Stories kommen, aber nein: Die Informationen bleiben dünn, spärlich und unterhalb dessen, was man schon in Wikipedia oder in Jeff Tamarkins Airplane-Bio findet. Interessant höchstens, wie geschäftsmäßig diese Band agierte und ihre Mitglieder miteinander umgingen, während sie nach außen geradezu als Prototypen des Hippietums galten. Aber das wussten die Langzeitfans auch schon vor diesem Buch. Klar wird schnell, dass die Airplanes eher eine Episode als eine Lebensaufgabe waren, Jormas eigentliche Liebe ist Hot Tuna. Das wird immer wieder deutlich. Bei Jefferson Starship war er konsequenterweise nicht mehr dabei.

Statt dessen hören wir die Story einer fürchterlich aus dem Ruder laufenden Ehe mit einer offenbar unkontrollierten und nicht selten gewalttätigen Frau, während beide Partner nicht wissen, wie sie da herauskommen sollen -- und merkwürdigerweise scheint es ihnen eigentlich sogar egal zu sein. Bis er dann schließlich auf Vanessa trifft, mit der er noch heute verheiratet ist. Man erfährt von Jormas immer wieder betonter Leidenschaft zu fahren, sei es im Auto, auf dem Motorrad oder dem Fahrrad -- da ist Jorma ziemlich amerikanisch: Zu den typischen Verhaltensweisen vieler Amerikaner (das habe ich hier inzwischen gelernt) gehört das Fahren als solches; es geht nicht darum, wohin man fährt, das Entscheidende ist das Erlebnis der Bewegung selbst. Die Weite des Landes scheint das nahezulegen. Autos, Motorräder, besonders aber auch Schlittschuhe (die ihn u.a. immer wieder nach Inzell reisen lassen) nehmen in dem Buch denn auch breiten Raum ein. Unterbrochen wird der heute geschriebene Text immer wieder von Songlyrics, die aus Jormas jeweiliger Lebenssituation heraus entstanden sind, und von Tagebuchausschnitten, die in Kursivschrift herausgehoben sind (was sehr anstrengend zu lesen ist).

Im letzten Drittel rutscht das Buch mehr und mehr ins Bekenntnishafte ab und zieht sich wie Kaugummi. Ja, er hat Drogen genommen, ja, er hat seine Partnerinnen betrogen, ja, er war Alkoholiker, ja, er war ziellos ... irgendwie kennt man das alles, dazu mehren sich mit zunehmendem Alter naturgemäß auch noch die Todesfälle. Und so leid einem das alles auf der persönlichen Ebene auch tut, es ist letztlich nicht sehr interesant.

Immerhin hat er es aber geschafft, aus diesen diversen Schlamasseln rauszukommen, und da freut man sich mit. Jorma Kaukonen ist heute 78 und lebt mit seiner Familie im Südosten Ohios auf einer "Fur Peace Ranch" genannten Institution, die Ranch, Gitarrenschule, Tonstudio, Musikbibliothek und Konzertsaal ist und in der er Wochenendkurse für Gitarrenschüler gibt. Dazu tourt er nach wie vor mit Jack Casady als Hot Tuna oder als Solokünstler.

Ein Buch für Fans. Es liest sich ein wenig schleppend, gelegentlich ausgewalzt, ist aber zu bewältigen. Zu dem Buch gehören die vollständigen Hot-Tuna-Lyrics und eine CD mit fünf Gitarrentracks, ein Vorwort kommt von Grace Slick, ein Nachwort von Jack Casady. Wer seinem Blog folgen will, findet diesen hier.

Hier dann noch des Dichters genialische Signatur:







Jorma Kaukonen:
Been So Long -- My Life And Music
St. Martin's Press, New York 2018
ISBN 978-1-250-12548-4


Dieser Blogeintrag erschien zuerst in manafonistas.de.

Friday, October 5, 2018

AT 06: Spät-Europa





 

Spät-Europa, erschienen 1982 als die zweite von Tietchens‘ Sky-Records-Veröffentlichungen, schließt nahtlos an Biotop an, ist aber, was die Beherrschung des Instrumentariums angeht, einen Schritt weiter. Während Biotop noch einen eher spielerischen und dadurch manchmal etwas beliebigen Eindruck machte, scheint mir Spät-Europa bereits recht deutlich von einer konzeptionellen Grundüberlegung auszugehen. Hier ist nichts zufällig, Tietchens wusste offenbar sehr viel genauer als bei dem Vorgänger, was er wollte, und er konnte es handwerklich auch umsetzen. Hinter dieser Platte steckt eine gehörige Portion Aggressivität, die trotz der etwas verwaschenen Akustik durchkommt. Letztere erklärt sich aus dem Hallgerät, dem verwendeten Harmonizer und einigen Effektgeräten, die auch schon auf Biotop zum Einsatz kamen, aber auch diese sind hier sinnvoller und gezielter eingesetzt. Als „Band“ wird auch hier wieder das „Zeitzeichenorchester“ angegeben, das aus Anagrammen von Tietchens‘ Namen besteht. Als Gast in „Schöne Dritte Welt“ tritt C. V. Liquidsky (= Andreas Hoffmann, von Cinéma Vérité) in Erscheinung; das Stück wurde auch in das Kompilationsalbum Mit festem Gruß von 1999 (The Bog 0609) aufgenommen.

„Schöne Dritte Welt“ dürfte eines von Tietchens‘ „poppigsten“ Stücken sein, eine gewisse Galligkeit ist allerdings unüberhörbar. Sie zieht sich durch das ganze Album und macht klar, weshalb Sky-Records-Chef Günter Körber nicht mehr allzu begeistert von dem Material war — dies war nicht das, was er sich von Tietchens versprochen hatte, und Tietchens hatte keine Lust, das zu liefern, was Körber sich wohl wünschte. Da aber ein Vertrag über vier Alben bestand, erschienen noch zwei weitere Alben Tietchens‘ auf Sky, die im selben Stil gehalten sind. Spät-Europa erschien mit 1000 Stück Auflage, was selbst für Sky-Verhältnisse wenig war. Der Titel „Erloschene Herzen“ war ein freundlich-ironischer Gruß an Michael Rothers Flammende Herzen (die beiden sind gute Freunde; wenn man die richtigen Kneipen in Hamburg kennt, kann man sie gelegentlich beim Pool-Billard treffen.)

Von der Sky-LP existiert eine Fehlpressung von 40 Stück; wer sie hat, wird aber sicherlich nicht reich damit. Als CD wurde das Album zunächst von Die Stadt im Jahr 2004 mit zwei Bonustracks wiederveröffentlicht. Bureau B veröffentlichte das Album 2013 ein weiteres Mal, allerdings ohne die Bonustracks (diese landeten dann auf einer Tietchens-Kompilation namens Der fünfte Himmel, auf die später noch einzugehen sein wird).

 
Spät-Europa Sky 070 (1982) Die Stadt DS-68 (2004) Bureau B BB-142 (2013)
 

Saturday, September 8, 2018

The Manhattan Transfer: The Junction




"The Junction" -- das ist natürlich ein freundliches Kopfnicken in Richtung ihres Signature-Klassikers "Tuxedo Junction". Und in der Tat spielen die vier in dem Stück mit Samples ihrer selbst. Das tun sie allerdings auch schon im Eingangsstück, wie bereits der Titel verrät: "Cantaloop (Flip Out)" -- sozusagen die Coverversion einer Coverversion, denn natürlich ist das eine vokalisierte Version des 1993er Sample-Raps "Cantaloop (Flip Fantasia)" von Us3, das wiederum auf Herbie Hancocks "Cantaloupe Island" zurückgeht. Manhattan Transfer liebt dieses Spiel. Nicht von ungefähr hat ihnen ihr Album Vocalese seinerzeit (1985) nicht weniger als zwölf Grammy-Nominierungen eingebracht.

Manhattan Transfer gibt es, wenn man die allererste, schnell wieder aufgelöste Besetzung mal vergisst, seit 1972. Seit dem Chick Corea Songbook von 2009 gab es nichts Neues mehr zu hören, und nach dem Tod ihres Gründers und Masterminds Tim Hauser im Jahre 2014 hätte ich nicht mehr damit gerechnet, dass überhaupt noch etwas käme, zumal die verbliebenen Mitglieder das offizielle Rentenalter auch bereits überschritten haben. Aber weit gefehlt: Janis Siegel, Cheryl Bentyne und Alan Paul haben weitergemacht, und sie sind nicht den bequemen Weg gegangen, eine Stimme zu suchen, die "so ähnlich" wie Hausers klingt, sondern haben sich mit Trist Curless einen Sänger geholt, dessen Stimme den vertrauten Ensembleklang hörbar verändert. "The Junction" ist sein Einstieg; das Stück ist von ihm geschrieben und arrangiert. Gleichzeitig sprengen die vier ihren gewohnten (und nach wie vor laserscharfen) Harmonie-Quartettklang verstärkt in Einzelleistungen auf. Der Produzent des Albums, Mervyn Warren, verstärkt dies noch mit gelegentlich harten Beats und indem er die Stimmen durch modernste Studiotechnik jagt -- manchmal mit ein bisschen zuviel Autotune, das für meinen Geschmack hier völlig überflüssig ist.

Auf The Junction wechseln sich Coverversionen und Eigenkompositionen ab. Besonders hervorzuheben das spukige "Blues for Harry Bosch", von Cheryl Bentyne geschrieben und leadgesungen, und eine Coverversion von "The Man Who Sailed Around His Soul", im Original von XTC, bei dem die Transfers einen Backgroundchor singen, der fast mikrotonale Züge trägt. Aber auch Klassiker wie "Tequila/The Way of Booze" (Alan Paul hat genau die richtige Stimme dafür) oder "Ugly Man" (im Original von Rickie Lee Jones) mischen sich wunderbar mit dem Bossa-Nova-orientierten "Sometimes I Do" und dem brettharten "Shake Ya Boogie" (Janis Siegel singt), das die Band, wenn ich nicht ganz irre, schon seit einiger Zeit im Live-Repertoire hatte, das aber jetzt erstmals auf Platte auftaucht -- und nicht umsonst als "Galactic Vocal Version" bezeichnet ist.

Ich weiß ja nicht, was dieses Jahr noch kommt, aber ich würde mich nicht wundern, wenn The Junction im Dezember unter meinen Alben des Jahres auftauchen würde. Möglicherweise sogar ziemlich weit oben.

Friday, August 17, 2018

Adman

Die Themenausstellungen im Andy-Warhol-Museum in Pittsburgh sind normalerweise sorgfältig kuratiert und lohnen den Besuch. Das Museum hat offenkundig früh begonnen, Exponate zusammenzukaufen und verfügt daher heute über eine Sammlung, die unbezahlbar sein dürfte.

Die derzeit noch bis September gezeigte Ausstellung "Adman -- Warhol before Pop" über Warhols Anfänge als Werbegrafiker in New York zwischen 1958 und ungefähr 1964 ist ausnahmsweise mal nicht so geglückt. Dabei ist das Thema gar nicht uninteressant. Der Mann muss ziemlich gut gewesen sein als Young Urban Professional. Auch gegen die Exponate lässt sich eigentlich nichts einwenden, außer dass es vielleicht zu viele Schuhe und zu wenige Plattencover sind. In vielen Fällen kann man wahrscheinlich von Glück sagen, dass sie überhaupt erhalten sind -- damals hat sie ja niemand als "Kunst" gesehen. Aber offensichtlich hat Warhol schon damals John Cages Empfehlung für Studenten beherzigt: "Keep everything."

Der Haken in diesem Fall ist die Tatsache, dass man das fast alles schon als Teil der normalen Dauerausstellung gesehen hat, nur dass es diesmal unter einer neuen Überschrift zusammengefasst ist. Ein bisschen dünn, alles in allem.

Immerhin, hier das Glanzstück der Ausstellung:




Eine von Warhol entworfene und gemalte Markise, die 1960 über dem Schaufenster der Lederwarenfirma Fleming-Joffe in New York angebracht war. Das Original! Erstaunlich genug, dass dieses Ding, das draußen ja Wind und Wetter ausgesetzt war, nicht nur erhalten geblieben ist, sondern sogar noch gut erkennbare Züge hat.

Übrigens, später im Museumsshop sahen wir eine Besuchergruppe, fünf oder sechs Leute im Alter zwischen vielleicht 18 bis Mitte 20. Beim Wühlen in den T-Shirts mit der Banane drauf rätselten sie herum, was denn bitte wohl Velvet Underground gewesen sein mag. Never heard of, no idea, it doesn't say.

Von oben bis unten durch das ganze Haus zu laufen, ohne mitzubekommen, wer oder was Velvet Underground waren -- das ist schon fast wieder ein Kunststück.

Wednesday, August 15, 2018

Enno Patalas 1929-2018



Einmal, nein: zweimal hatte ich mit ihm zu tun, um 1989 muss es gewesen sein. Ich stellte ihm einige Fragen zu seiner Rekonstruktionsarbeit an Fritz Langs Metropolis, einem Film, der mich nicht nur als solcher faszinierte, sondern der auch in meiner Diss. eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielte.

Den Brief, den er als Antwort schickte, hatte er ganz sicher höchstpersönlich auf seiner berühmten Schreibmaschine geschrieben. In irgendeiner Box müsste ich den wohl sogar noch besitzen. Ich war sehr erstaunt, wie freundlich er mit Giorgio Moroders Metropolis-Fassung umging.

In einem kurz darauf folgenden Telefonat (dem zweiten Kontakt) erklärte er mir den Grund: Der australische Sammler Harry Davidson besaß eine farbige (!) 16-mm-Kopie einer englischen Fassung des Films, die einige kurze Szenenausschnitte enthielt, die in keinem anderen Archiv zu finden waren -- u.a. die am Glockenseil schwingende Maria und der Kampf im Nachtclub um die Robot-Maria. Patalas wusste durch Kenneth Anger von dem Film, aber das Filmmuseum München, Patalas' Brötchengeber, hatte nicht die Mittel, diese Ausschnitte zu erwerben. Was Patalas nicht gelungen war, das hatte dann aber Moroder geschafft. Er stellte dem Filmmuseum diese Szenen zur Verfügung, und so konnten sie in Patalas' Rekonstruktion des Films einfließen.

Patalas war nicht allzu begeistert davon, in den Credits von Moroders Metropolis-Fassung aufzutauchen. Nachlesen lässt sich die Geschichte in Patalas' Buch "Metropolis in/aus Trümmern", erschienen 2001.

 

Enno Patalas verstarb am 7. August 2018. Hier ist ein ausführlicher Nachruf von Werner Sudendorf.

Here's the News


The Rodney & Otamatea Times
New Zealand
August 14, 1912

Fact Checking says: No fake article.

Sunday, August 5, 2018

Das merkwürdige Gefühl, die Neuauflage eines alten Buches zu lesen



Mit schätzungsweise 10, also um 1966, habe ich in der Leihbibliothek, die in Hamburg "Bücherhalle" hieß, Werner Hörnemanns Buch Die gefesselten Gespenster entdeckt.

Die Handlung spielt in einem heißen Sommer kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in einer Gegend von Marseille, in der nicht die Reichen wohnen. Sieben junge Typen diverser Nationen und Hautfarben schlagen sich durch mit irgendwelchen Jobs, zum Teil auch mit sehr kleiner Kleinkriminalität, und hoffen, es werde irgendwann einmal besser werden. Einer dieser sieben Typen, der hoffnungsvolle, aber bettelarme Kunstmaler Maurice, der von seinem reichen Vater keinen Pfenning will (und der ganz offensichtlich eine Art alter ego des Verfassers ist), findet eines Tages eine Anzeige in der Zeitung: In einem Schloss in Villeneuve treten schwere Spukerscheinungen auf, die gegen saftiges Honorar beseitigt werden sollen.

Ich will jetzt die Geschichte nicht nacherzählen. Ich bin damals kopfüber in sie hineingefallen und habe sie in den Folgejahren noch einige Male wiedergelesen.

Der Autor arbeitet mit einigen karikierenden Klischees, die heute wohl als "rassistisch" gebrandmarkt würden -- Michael Ende hat dieses Phänomen ebenfalls kennengelernt. An keiner Stelle sind diese Schilderungen abwertend gemeint, und ich habe sie auch nie so empfunden. Das Buch ist erstmals 1952 erschienen -- da hießen Neger Neger, Chinesen hatten Schlitzaugen und Italiener klauten gern mal. Dabei dachte man sich damals nichts. Der Autor dürfte aus seiner persönlichen Erfahrung geschöpft haben; er hat einige Jahre dort gelebt, wo das Buch spielt, sein Beobachtungsvermögen ist bemerkenswert, und es ist offenkundig, dass er seine Charaktere mit großer Sympathie beschreibt, ihre individuellen Schicksale ebenso wie ihre Irrungen und Wirrungen. Gelegentlich merkt man pädagogische Absichten des Autors allzu deutlich, aber das hat mich damals ebenso wenig gestört wie seine gelegentliche Neigung, flapsige Dialoge um ihrer selbst willen einzubauen.

Ich habe das Buch nie selbst besessen -- bis ich es vor einigen Jahren in einer Buchhandlung durch reinen Zufall in einer Neuauflage fand (rechts im Bild). Ich konnte nicht widerstehen und habe das Buch gekauft.

Dieses Gefühl, wenn man merkt, dass nicht mehr das in dem Buch steht, was man erinnert! Dieses Gefühl, wenn man schließlich dahinterkommt, dass man versucht hat, das Buch zu modernisieren! Dialoge sind verändert. Bestimmte, für eine Person typische Begriffe (etwa Renés "Schafsnase!") tauchen nicht mehr auf. Schlimmer noch: Den Schilderungen fehlt der zeitliche Hintergrund. Vieles, was die Jungs tun, aber auch, was sie in dem Spukschloss entdecken, erklärt sich aus der Zeit, in der die Geschichte spielt. Wenn man das weglässt, schwebt die Story im Raum, etliche Handlungsfäden ergeben keinen Sinn mehr, selbst die (neuen) Zeichnungen funktionieren nicht.

Durch einen weiteren Zufall -- ich musste im Postamt eine Adresse aus dem Bonner Telefonbuch heraussuchen (damals musste man das noch, und die Postämter hatten noch alle wichtigen Telefonbücher) -- stieß ich um 1995 auf die Adresse des Autors Werner Hörnemann. Ich schickte ihm spontan eine Karte, in der ich ihm mitteilte, wie sehr ich das Buch als Kind geliebt hatte und wie enttäuschend ich die Neuauflage fand. Zwei Tage später rief er mich zu meiner Überraschung an. Er gab mir im wesentlichen recht, sagte aber, er habe keinen Einfluss auf die Gestaltung gehabt. Aus diesem Gespräch weiß ich, dass er tatsächlich in Marseille gelebt hat und dass die Jungs nicht völlig frei erfunden waren. Leider, so sagte er, habe er kein altes Exemplar mehr, sonst würde er mir eines zukommen lassen. (Werner Hörnemann ist 1997 verstorben.)

Es ließ mir keine Ruhe. Bis ich schließlich vor einiger Zeit ein gebrauchtes altes Originalexemplar im Internet gefunden habe (links im Bild) -- für, ich glaube, fünf Euronen.

Jetzt stimmt wieder alles. Die Dialoge, die Handlungsfäden, die wunderbaren Zeichnungen von Horst Lemke. Und René sagt endlich wieder "Schafsnase!"

Saturday, August 4, 2018

"Die Maskentänzer" wieder online


Mein Feature über die Maskentänzer Lavinia Schulz und Walter Holdt steht einstweilen wieder online: in der Deutschlandfunk-Audiothek oder direkt hier.

Wednesday, July 4, 2018

Won't You Be My Neighbor?

Mit diesem Lied auf den Lippen kam zwischen 1968 und 2001 im amerikanischen Fernsehen Mister Rogers von der Arbeit nach Hause (wir erfahren nie, welchen Job er hatte, aber seinem Aufzug nach wird es wohl ein white-collar job gewesen sein), hängte sein Jackett in den Schrank, zog einen farbigen Freizeitsweater über und nahm Platz, um die Business-Schuhe gegen bequeme Sportschuhe zu wechseln. Diese Geste des Schuhwechsels ist so typisch und so bekannt, dass sowohl das Heinz History Center in Pittsburgh ihn so in der Originaldekoration zeigt …




… wie auch die Mister-Rogers-Statue, die in Pittsburgh vom südlichen Ufer des Allegheny Rivers auf den Point Park blickt, dort, wo der Allegheny und der Monongahela zusammenfließen und den Ohio River bilden:



Won’t you be my Neighbor? ist auch der Titel eines Dokumentarfilms, der zur Zeit aus Anlass des 90. Geburtstages von Mr. Rogers durch die amerikanischen Kinos läuft. Im Normalfall reicht bereits die Erwähnung des Titels oder des Namens, um Amerikaner, soweit sie mit dieser seiner Show



aufgewachsen sind, zu Tränen zu rühren. Und das ist nicht übertrieben.

Fred McFeely Rogers (1928-2003), studierter Komponist, Pianist und geweihter presbyterianischer Priester (der allerdings nie eine Messe las), fand das, was das amerikanische kommerzielle Fernsehen Vorschulkindern vorsetzte, einfach schrecklich. In den frühen 1960er Jahren entwickelte er deshalb eine 15-minütige Kindersendung namens Misterogers, die eine Zeitlang im kanadischen CBC zu sehen war, dann aber eingestellt wurde. Er setzte seine Arbeit fort in seinem Geburtsort Pittsburgh beim Public-TV-Sender WQED. In einfachster Kulisse, mit Handpuppen und einer kleinen Schar ständiger Darsteller, entstand so Mister Rogers‘ Neighborhood. Schon nach kurzer Zeit übernahmen alle Public-TV-Sender der USA die Show in ihr Programm, wo sie dann von 1968 bis 2001 blieb.




Fred Rogers setzte dabei bewusst auf einen Gegenpol zur Sesame Street, die in schneller Schnitt- und Wiederholungsfrequenz das von Kindern heißgeliebte Werbefernsehen kopierte — mit Erfolg, wie man weiß. Rogers war der Meinung, man müsse, um einen Draht zu Kindern zu entwickeln, keine albernen Hüte aufsetzen, nicht betont „kindlich“ reden, nicht permanent schreien oder Witze reißen und auch keine Supergestalt sein. Kennzeichen seiner Show waren relative Gemächlichkeit, Ruhe, unbedingte Aufrichtigkeit, eine Reihe von Ritualen (wie dem eingangs geschilderten), vor allem aber die völlige Freiheit von Werbung und Product Placement.

Mister Rogers verstand es stets, eine gewisse Distanz zu halten: er zog zwar Freizeitkleidung an, aber die Krawatte blieb. Nie wurde er „Uncle Fred“ oder etwas dergleichen, er blieb immer „Mister Rogers“ — im deutschen Fernsehen würde das bedeuten: Er ließ sich siezen. Zwischen der „realen“ Kulissenwelt und der Welt der Puppen verkehrte ein Straßenbahnwagen. Dort traf man dann auf Gestalten wie King Friday XIII und seine Frau, Daniel Tiger oder X the Owl — zehn Charaktere insgesamt sprach Rogers selbst. Mit ihnen konnte er Emotionen aufbauen. Dazwischen gab es kurze Sach-Einspieler über etwa die Herstellung von Himbeereis, oder wie man einen Kran aufbaut, wo Zeitungen herkommen, und so weiter. Im Normalfall wurde die Sendung relativ kurz vor der Ausstrahlung produziert, so dass aktuelle Vorkommnisse einbezogen werden konnten.

Man muss es sehen und hören, wie dieser Mann mit Kindern sprach, mit ihnen umging, ihnen Dinge erklärte, wie er sie ernst nahm, ohne sie zu überfordern. Man muss es sehen (und die Dokumentation zeigt es), wie er — zum Beispiel — erklärt, was der Begriff assassination meint (das Attentat auf Robert Kennedy war gerade passiert und der Begriff ging durch alle Medien), wie er (live im Studio!) vor Kindern auf die Challenger-Katastrophe reagiert oder was 9/11 zu bedeuten hatte. Wer im deutschen Kinderfernsehen hätte das hinbekommen? Ich weiß keinen.

Man muss sich klarmachen, dass noch in den Spätsechzigern manche Hotelbesitzer ihren Swimmingpool desinfizierten, wenn Schwarze darin gebadet hatten. Erst dann kann man verstehen, welchen explosiven Hintergrund eine scheinbar ganz harmlose Szene wie diese hatte:


Der Polizistendarsteller übrigens hatte irgendwann sein reales Coming-Out. Das führte zur Scheidung seiner Ehe, was natürlich Futter für die Klatschpresse war. Mister Rogers konnte auch das in seiner Sendung kindgerecht auffangen, und der Schauspieler blieb im Team.

Und es gibt jenen legendären Auftritt Rogers‘ vor dem United States Subcommittee on Communications, das 1969 über die Vergabe von 20 Millionen Dollar an das öffentliche Fernsehsystem PBS zu entscheiden hatte. Nachdem etliche Fachleute ihren Standpunkt dargelegt hatten und das Komitee nicht zu überzeugen vermochten, rezitierte Fred Rogers schlicht einen Text aus seiner Sendung — eigentlich einen Liedtext, den er aber sprach. Was den bis dahin äußerst widerständigen Chairman schließlich zu der Bemerkung brachte: „I think it’s wonderful. Looks like you just earned the $20 million.“ — So zu sehen in der Doku.

Mister Rogers‘ Neighborhood ist in Deutschland völlig unbekannt. Auch mir als Medienmensch war die Sendung nie begegnet. Da sie mit der Person Fred Rogers stand und fiel, wäre es wahrscheinlich unmöglich gewesen, sie in einer sinnvollen Weise einzudeutschen (wie es mit der Sesamstraße ja durchaus gelungen ist). Ich wüsste auch keine Person, die Rogers‘ Stelle hätte einnehmen können — am ehesten vielleicht noch Siebenstein, aber auch das war eigentlich etwas anderes. Das Team der Sendung mit der Maus allerdings (die wiederum hier in den USA kein Mensch kennt) hat Mister Rogers mit Sicherheit sehr genau studiert, auch wenn atmosphärisch etwas anderes dabei herausgekommen ist.



Fred Rogers starb 2003 an Magenkrebs. Noch während der Trauerfeier protestierten auf der Straße religiöse Betonköpfe gegen sein teuflisches Wirken.

Ja, ich wäre gern sein Nachbar gewesen. Sollte es die Doku wundersamerweise einmal nach Deutschland schaffen: Anschauen lohnt sich. Bitte dann vorsichtshalber ein Paket Taschentücher nicht vergessen.


Tuesday, June 26, 2018

Pittsburgh International Airport, 06/26/2008



Exactly ten years ago this day around midnight I arrived at this airport -- without return ticket.

Yay!

Sunday, June 24, 2018

Klaus Schulze: Silhouettes






Von Klaus Schulze hat man lange nichts mehr gehört; irgendwann habe ich es allerdings auch aufgegeben, seinen Veröffentlichungen bewusst zu folgen. Seine letzte mir bekannte Soloplatte war Kontinuum von 2007, Shadowlands von 2013 ist mir anscheinend entgangen, seine Experimentierereien mit Lisa Gerrard fand ich eher nicht sehr beeindruckend. Aus gesundheitlichen Gründen wird es auch keine Konzerte von Schulze mehr geben.
 

Da freut man sich dann doch über ein Lebenszeichen. Und man erkennt ihn wieder. Silhouettes ist offenkundig ohne jeden Produktionsdruck und mit recht einfacher Ausrüstung entstanden, hat keine Gastmusiker, hängt sich an keine Trends an, kommt nicht mit aufgeblasenen Synthie-Effekten daher, sondern ist Ambient im besten Sinne. Eine über Strecken fast unauffällige Klanglandschaft, auf die man sich einlassen kann, die aber auch nicht stört, wenn sie einfach nur im Hintergrund läuft. Die Basis der vier Stücke sind Reihungen an- und abschwellender Akkorde, in denen nach und nach die charakteristischen echogeladenen Schulze-Sequenzen aufblitzen, manchmal um einfache Percussion ergänzt. Wirkliche Melodien gibt es nicht, aber die waren ohnehin nie Schulzes Stärke.

Die Titel — etwa „Der lange Blick zurück“ oder „Châteaux faits de vent“ — lassen einen leichten Grad von Melancholie erahnen, der sich beim Anhören mehr und mehr bestätigt. Wer den Schulze von Mirage mochte, wird sich auf Silhouettes sofort zu Hause fühlen.

Silhouettes gibt es in allen handelsüblichen Formaten, unter anderem auch in einer 2-LP-Version in weißem bzw. graumarmoriertem Vinyl und als als limitierte Superduper-2-LP-Luxus-Version in rotem Vinyl mit beigelegter CD im Digipack und einem Print, um den Schulze wahrscheinlich in einer Vollmondnacht persönlich herumgetanzt ist. Ob man das braucht, muss jeder selbst wissen. Mir genügt die einfache CD. Aber die finde ich auch nach wiederholtem Hören erfreulich.

(Dieser Beitrag erschien zuerst in manafonistas.de)