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Wednesday, April 17, 2019

Oh no!





Seine Las-Vegas-Shows, freundlich gesagt, tun John Fogerty offenbar nicht gut.



 His Las Vegas shows, friendly said, doesn't seem to do John Fogerty good. 

Monday, April 15, 2019

Der Nolde

Vor ein paar Tagen habe ich im manafonistas-Blog einige Zeilen des ungarischen Kunstkritikers Ernst Kállai aus der "Weltbühne" zitiert, der schon damals, 1930, auf eine gewisse Beliebigkeit der Bauhaus-Kunst hinwies:

„Heute weiß jeder Bescheid. Wohnungen mit viel Glas- und Metallglanz: Bauhausstil. Desgleichen mit Wohnhygiene ohne Wohnstimmung: Bauhausstil. Stahlrohrsesselgerippe: Bauhausstil. Lampe mit vernickeltem Gestell und Mattglasplatte als Schirm: Bauhausstil. Gewürfelte Tapeten: Bauhausstil. Kein Bild an der Wand: Bauhausstil. Bild an der Wand, aber was soll es bedeuten: Bauhausstil. Drucksache mit fetten Balken und Grotesklettern: Bauhausstil. alles kleingeschrieben: bauhausstil. ALLES GROSSGESPROCHEN: BAUHAUSSTIL.“
Ernst Kállai: „Zehn Jahre Bauhaus“, 21.1.1930

Dieses Zitat führte in den Kommentaren zu der immer wieder auftauchenden Frage, wie weit eigentlich Künstler und ihr Werk in eins gesetzt werden dürfen, und prompt war die Diskussion bei dem seit je umstrittenen Maler Emil Nolde, der aufgrund einer aktuellen Ausstellung wieder sehr ins Gespräch geraten ist.

Ich habe daraufhin eine Antwort geschrieben, die ich hier -- sprachlich leicht aufpoliert -- dokumentieren möchte:


Das Bauhaus habe ich immer als eine große Spielwiese verstanden, auf der versucht wurde, mit bestimmten Grundformen und industriell verarbeitbaren Materialien zu arbeiten. Dass das schiefgehen kann, wenn man etwa die Formen und Proportionen, die bei einem Teeservice sehr schön aussehen, auf eine Wohnsiedlung überträgt, gehört zum Risiko. Und dass sich dort — wie wohl an allen Kunsthochschulen — neben erstklassigen Künstlern auch durchgeknallte Esoteriker und andere Wirrköpfe herumtrieben, damit muss man wohl leben, wenn man Kreativität freisetzen will.

Nolde & Co, die schwierige Frage: Ich glaube, es wird heute oft der Fehler gemacht, die Vergangenheit rückblickend durch die Filter späterer Ereignisse zu sehen.

Nolde — um bei diesem (mir selbst nicht allzu sympathischen) Beispiel zu bleiben — hat sich um 1910 in geistigen Gewässern bewegt, die damals weder als links noch als rechts gesehen wurden, sondern bei vielen Künstlern und Intellektuellen auf großes Interesse stießen. Die haben damals noch nicht vorhersehen können, in welche Katastrophe das 20 Jahre später mündete. Zumal ja Nolde, der später glaubte, mit seiner Weltauffassung bei den Nazis gut aufgehoben zu sein, die für ihn sicher schwer zu verstehende Überraschung erlebte, dass die ihn gar nicht wollten. 

Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an den Autor und Maler Lothar Schreyer, auf den ich im Kontext meiner Sendung über die "Maskentänzer" Lavinia Schulz und Walter Holdt (die übrigens auch mit Nolde befreundet waren) aufmerksam geworden war. Schreyer war zunächst Dramaturg am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg gewesen, übernahm dann die Leitung der Sturmbühne, die zu Herwarth Waldens „Sturm“-Kreis gehörte, der nun bestimmt nicht rechtsgedreht war. Später gründete er dann mit Lavinia Schulz die Kampfbühne in Hamburg. Er lehrte kurzzeitig in der Theaterwerkstatt des Bauhauses, bis ihn Oskar Schlemmer dort hinausekelte. Schreyer war bekannt für schärfstes Avantgarde-Theater. Doch dann, 1933, unterzeichnete er mit 88 anderen Autoren das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler“ -- um dann zu erleben, dass ihn die Nazis seiner religiösen Überzeugung wegen ablehnten. Er hat sich dann irgendwie als Lektor durchgeschlagen.

Das sind so Lebensläufe. Da steht man daneben und überlegt: Was haben sich solche Leute wohl gedacht? Dass wir uns heute fragen, wieso sie nicht gemerkt haben, worauf sie sich mit den Nazis einließen, hat sicher auch damit zu tun, dass wir Heutigen uns die Nazizeit immer als ein ausschließlich stockreaktionäres Gebräu aus Kitsch, Blut und Boden, Heimatliebe und Militär vorstellen. Das waren sie natürlich auch. Tatsächlich aber haben die Nazis damals — ähnlich wie die italienischen Faschisten — auch Kunstrichtungen und -formen aufgegriffen, die damals schärfste Avantgarde waren, haben diese dann allerdings in entschärfende Kontexte gestellt.

Mir fallen als Beispiel die Arbeiten von Walter Ruttmann ein. Und was eine Leni Riefenstahl in den 20ern gemacht hatte, war hochmodern und begründete eine Ästhetik, die wir noch heute in der Werbung wiederfinden. Das Problem ist, dass solche Leute -- Gustaf Gründgens, Heinz Rühmann, die Comedian Harmonists, und und und --, erstklassige Künstler waren und irgendwie weiterleben mussten. Denen kann man vorwerfen, dass sie sich haben einkaufen lassen — im Fall Ruttmann aus Naivität, im Fall Riefenstahl aus Blödheit und Karrieregeilheit, im Fall Gründgens nicht aus Blödheit, aber aus kalkuliertem Opportunismus, wenn man bei Rühmann hinter die Kulissen schaut, dann war das bei ihm wohl ein bisschen komplizierter als es für uns heute oberflächlich aussieht; auch die gebrochenen Lebenswege der Comedian Harmonists zeigen exemplarisch, wie das enden konnte. Und soll man Meisterwerke wie Berlin — Die Sinfonie der Großstadt von 1927 oder Weekend von 1930 (ein ziemlich revolutionäres Montagehörspiel -- auf Lichttonfilm; Tonbänder gab es noch nicht) heute verurteilen, weil Ruttmann dann während der Nazizeit Deutsche Panzer gemacht hat? Siegfried Kracauer hat versucht, solche Zusammenhänge herzustellen, mich überzeugt seine Argumentation aber nicht.

Peinlich und oft unverständlich ist nur, wie diese Leute später mit ihrer Vergangenheit umgegangen sind, aber da versuchten viele natürlich einfach, ihren A…. zu retten, da unterscheidet sich Nolde nicht von Grass. Wenn man sich ernsthaft überlegt, wer halbwegs sauber durchs Dritte Reich gekommen ist, dann fallen mir eigentlich eh nur Erich Kästner und Hans Albers ein.

Und um auf Nolde nochmal zurückzukommen: Da gab es ganz andere Kaliber als ihn. Veit Harlan fällt mir da zum Beispiel ein. In dessen Werk gibt es offene Propaganda. Bei Nolde findet man die so nicht. Und was mich vor allem überrascht: Wieso sind jetzt plötzlich alle so überrascht? Noldes Auffassungen waren seit Urzeiten bekannt.

Das Leben? Kann nur gelebt werden. (Sagt Kästner irgendwo.) Und das sieht dann in der Realität ganz anders aus als in der schönen Theorie. Bitte mal ganz ehrlich überlegen: Wenn, sagen wir mal, mit der nächsten Bundestagswahl die AfD ans Ruder käme, wer würde dann wirklich in den Widerstand gehen? (Was würde das überhaupt konkret bedeuten: Widerstand?) Ich rede nicht von irgendwelchen Sonntagsanarchos. Wer würde denn Deutschland wirklich verlassen und ins Exil gehen? Am warmen Schreibtisch einer Feuilletonredaktion ist es sehr leicht, den Helden zu spielen, der man dann gern wäre.

Saturday, April 6, 2019

Green Book




Der New Yorker hat diesen Film ziemlich heftig verrissen, und die Gründe sind bestimmt diskutabel. Die Familie des realen Pianisten Don Shirley ruft zum Boykott des Films auf oder wünscht zumindest, man möge ihn sich erst ansehen, wenn er im Kabel-TV gezeigt wird, weil dann die Produzenten weniger daran verdienen.

Ich bin da etwas anderer Meinung. Dass Green Book deutliche Parallelen zu Driving Miss Daisy aufweist, ist nicht nur mir aufgefallen, aber das liegt im Sujet und ist wohl kaum zu vermeiden. Im übrigen kann man dem Film nur eines wirklich vorhalten: dass er vorhersehbar ist.

Der afroamerikanische Pianist Dr. Don Shirley (von dem ich bislang nie gehört hatte -- sorry für den Fall, dass das eine Bildungslücke ist), lebt in den frühen 1960er Jahren in einem museumsgleichen Apartment über der New Yorker Carnegie Hall. Für eine zweimonatige Tournee durch die USA heuert er Frank "Tony Lip" Vallelonga als Fahrer an, den italoamerikanischen Rausschmeißer einer New Yorker Bar. Die beiden Männer sind so grundverschieden, wie sie überhaupt nur sein können -- hochgebildet, eloquent und bestens erzogen der eine, verfressen, grammatikalisch zweifelhaft und straßenerprobt der andere. Green Book zeigt, wie diese beiden Typen eine Reihe von Abenteuern im tief rassistischen "Deep South" der Vereinigten Staaten zu überstehen haben, sich dabei zunächst zaghaft, dann zunehmend vertrauensvoll, manchmal heftig streitend, einander immer weiter annähern, voneinander lernen, sich helfen und letztlich dicke Freunde werden. Der eine kapiert, dass es Situationen gibt, in denen ein trockener Fausthieb in die richtige Visage das einzg mögliche Argument ist, der andere kapiert, dass es in anderen Situationen wichtiger sein kann, seine Würde zu wahren als draufzuhauen. Das alles ahnt man von Anfang an, und genau so kommt es.

Was Green Book trotzdem sehenswert macht, ist das, was quasi "nebenbei" erzählt wird: Der tiefsitzende Rassismus war viel mehr als nur Gesetz. Er war in die DNA der Menschen eingeschmolzen, sicher bis weit über das offizielle Ende der Rassentrennung hinaus (bis heute), und selbst viele Schwarze hatten ihn irgendwie als "normal" absorbiert. Es gibt eine Szene in dem Film, die Bände spricht: Bei einer Autopanne behebt Tony über den dampfenden Motor gebeugt den Schaden, während Don danebensteht und zuschaut. Einige schwarze Feldarbeiter beobachten das Geschehen -- und können einfach nicht glauben, was sie da sehen. Es widerspricht ihrer gesamten Lebenserfahrung. (Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch gern nochmals an Joan Didions Buch "South and West", auf das ich letztes Jahr hier hingewiesen hatte.) Die Zumutungen, denen Schwarze seinerzeit ausgesetzt waren, machen nicht selten sprachlos; desgleichen die Polizeiwillkür, die in den Südstaaten völlig normal war. Nicht zu sprechen von den heruntergekommenen Motels und Spelunken, in denen Schwarze unterkommen konnten. Letztere waren verzeichnet im jährlich zwischen 1936 und 1966 erscheinenden "Negro Motorist Green-Book", herausgegeben von seinem Namensgeber Victor Hugo Green.

Das Ganze ist manchmal ziemlich dick aufgetragen, die Fallhöhen sind oft sehr hoch angelegt. Das ist natürlich Absicht, aber es funktioniert. Don Shirleys Familie liegt mit ihrer Kritik an dem Film insofern falsch, als Green Book eben nicht, wie sie anscheinend glaubt, die wahre Lebensgeschichte des Musikers Don Shirley zeigen will, sondern dass eine Episode seines Lebens als Folie für eine Geschichte dient -- nicht mehr und nicht weniger. Was vielen (besonders deutschen) Kritikern offenbar ebenfalls nicht passt: dass der Film sein Thema nicht mit empörtem Gebrüll und ständig hängenden Mundwinkeln anpackt, sondern als Komödie daherkommt -- na gut, als Tragikomödie. Das allerdings ist auf ganzer Breite gelungen, und deswegen halte ich den Film für sehenswert. Seine Oscars hat er allemal verdient.

Trailer

(Dieser Post erschien zuerst in manafonistas.de)