Der Autor Eric T. Hansen, in Deutschland lebender Amerikaner und zeitweiliger "Zeit"-Kolumnist, hat vor ein paar Tagen unter der Überschrift "Bin ich anti-deutsch?" einen Artikel auf seiner Facebook-Seite gepostet -- nachzulesen hier. Dazu habe ich einen kleinen Kommentar geschrieben, den ich einfach mal unverändert in meinen Blog übernehme:
Ich
stimme etlichen Punkten in Deinem Post zu. Ich will das jetzt nicht
alles ausführen, aber einen Aspekt würde ich gern in die Debatte werfen:
Für mich zeigt sich hier geradezu klassisch ein Mentalitätsunterschied
zwischen Deutschen und Amerikanern.
Ich
lebe jetzt seit über zehn Jahren in Pittsburgh (komme ursprünglich aus
Hamburg), und ich habe eine Weile gebraucht, bis ich begriffen hatte,
dass die Amerikaner einen anderen Politikbegriff haben als die
Deutschen. Amerikaner finden ihre Politiker nicht übermäßig wichtig. Die
werden gewählt, sollen ihren Job machen und ansonsten nicht weiter
auffallen. Im Alltag sind sie eigentlich kaum jemals ein Thema, und die
Politiker selbst wissen zwar, dass sie durchaus unter Beobachtung stehen
(u.a. der Presse), haben aber anscheinend nicht das Bedürfnis, sich
ständig in die Öffentlichkeit zu drängen. Sie wissen, dass das
allgemeine Interesse daran eher mäßig wäre.
Das ist
in Deutschland anders. Da wird geradezu verlangt, dass Politiker für
alles, jeden Konflikt, jeden Gullideckel und jeden Fernsehfilm,
verantwortlich sind und sich zu allem und jedem öffentlich zu
positionieren und zu jeder Lappalie eine Einschätzung in die
hingehaltenen Mikrofone zu blasen haben -- und die tun das dann auch.
Das zwingt natürlich geradezu zu Sprechblasen. Die werden dann
gründlichst von den Medien hin- und hergewendet. Das Ganze dient nicht
der Information oder dazu, zu einer Lösung zu kommen, sondern es soll
Erregung erzeugen, immer mit dem unausgesprochenen Versprechen, dass es
morgen eine Fortsetzung geben wird. Da der Deutsche als solcher (wenn
ich das mal so sagen darf) zudem die Tendenz hat, jeden für dumm,
korrupt oder unfähig zu halten, der anderer Meinung ist als man selbst,
entsteht dieses Lagerdenken, das im anderen keinen Gesprächspartner,
sondern einen Feind sieht und im Extremfall auch zu Gewaltausbrüchen
führt. Letztere werden dann gern höchst sentimental gerechtfertigt (ich
sage nur "Hambi").
Genau diese Sichtweise auf
Politik wenden die Deutschen auch auf andere Länder an, und so eben auch
auf die USA. Deswegen wird jeder noch so dämliche Tweet von Trump in
Deutschland auf die Goldwaage gelegt und sich darüber aufgeregt, und
deswegen wird ein Präsidentenauto mit Flaschen beworfen. Aber eben nicht
nur: Die Deutschen richten das ja genauso auch gegen sich selbst. Da
wird wegen eines G20-Gipfels der eigene Stadtteile verwüstet, und eben
auch die eigenen Politiker oder die eigene Polizei zu Volldeppen oder
(wahlweise) zum Feindbild erklärt. Und eine demokratisch gewählte
Kanzlerin wird von Demonstranten auch gern mal an den Galgen gewünscht.
Vielleicht
ist das sogar ein europäisches Phänomen. Wir erleben ja in Frankreich
gerade ähnliches, und selten habe ich so viele Darstellungen von Merkel
als Hitler gesehen wie in der italienischen und griechischen Presse. In
der amerikanischen Presse wird Deutschland (aber auch Europa als Ganzes)
manchmal recht merkwürdig dargestellt, aber solche Entgleisungen habe
ich noch nicht beobachtet. Ich bin hier auch noch nie für bescheuert
erklärt oder für die deutsche Politik in Anspruch genommen worden, weil
ich aus Deutschland bin.
Wenn es um die Frage geht, wie man soziale Konflikte halbwegs friedlich lösen kann, da haben alle Seiten noch einiges zu lernen.
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