Wenn dieser Mann nur nicht ein so
verteufelt guter Musiker wäre. Dann könnte man den Inhalt dieses Werkes
problemlos in die inzwischen einfalls- und konzeptlos dahintreibende
TV-Soap „Nashville“ einfügen. So scheinbar unrealistisch ist das alles.
Die zweite Hälfte des Buches ist über weite Strecken blanker Kitsch.
Dummerweise nur entspricht vieles von dem, was Fogerty schreibt, den
Tatsachen, und da für mich sein musikalisches Werk ziemlich idealtypisch
alles repräsentiert, was für mich klassische amerikanische Rockmusik ausmacht, ist mir das Buch nicht egal.
John Fogertys Autobiografie, diese Woche
auf Rang 15 der New-York-Times-Nonfiction-Bestsellerliste zu finden, ist
eine Achterbahnfahrt. Lassen wir mal außen vor, ob er sie selbst
geschrieben hat (ein Ghostwriter ist nicht genannt). Manchmal möchte man
das Buch einfach nur zuklappen. Aber ähnlich, wie man bei „Nashville“
dann doch nicht abschaltet, so liest man auch hier weiter.
John Fogerty ist mehr als einmal übel
mitgespielt worden. Diese Geschichten sollen hier nicht wiedergegeben
werden, es würde zu lange dauern. Nur so viel: Die Band, die mal CCR
werden sollte, ließ sich 1967 auf einen Plattenvertrag ein, den kein
auch nur halbwegs vernünftiges Management abgeschlossen und den jeder
halbwegs vernünftige Richter für nichtig erklärt hätte — wegen
objektiver Unerfüllbarkeit. Es gab aber kein vernünftiges Management, es
gab keinen vernünftigen Anwalt, Fogerty zog es vor, die Dinge selbst zu
regeln, und deswegen hat Fantasy-Boss Saul Zaentz Fogerty in filmreifer
Blutsauger-Manier jahrzehntelang systematisch vor sich her treiben
können, bis die Geschichte schließlich ins Absurde kippte.
Dies alles wird in dem Buch in wahrhaft
epischer Breite geschildert. Dazu gibt es einige eher belanglose
Kindheits- und Jugendepisoden sowie einige Andeutungen über die Ehe der
Eltern. Wirklich in die Tiefe geht Fogerty dabei aber nie, auch über
seine Ehe mit Martha erfahren wir im Prinzip nur, dass es sie gab und
dass sie irgendwann geschieden wurde. Das eigentlich Auffällige dabei
ist auf der einen Seite John Fogertys bisweilen breitärschige
Selbstgefälligkeit, und auf der anderen Seite seine offenkundige
Unfähigkeit, sich auch nur für eine einzige Minute in die Position
anderer hineinzuversetzen. Anregungen anderer kommen bei ihm nur an,
wenn sie seiner Ansicht entsprechen. CCR entspricht zu keinem Zeitpunkt
Johns Wunschvorstellung von einer verschworenen Gemeinschaft, aber er erkennt
nicht, dass er mit seinem eigenen Verhalten dazu beiträgt. Er erkennt in
der entnervten Flucht seines Bruders Tom aus der Band nicht das
Alarmsignal, das es ist. Toms folgende Soloalben erklärt er pauschal für
schlecht, obwohl er wahrlich Musiker genug ist, um es besser zu wissen
(immerhin sind sogar Musiker wie Jerry Garcia oder Merl Saunders daran
beteiligt, die sich bestimmt nicht mit jedem abgeben). Seine
verbliebenen CCR-Mitstreiter Stu Cook und Doug Clifford, die angesichts
seiner ständigen Besserwisserei irgendwann rebellisch werden, hält
Fogerty für intrigante Volltrottel, denen er überhaupt erstmal
beibringen musste, wie man mit Messer und Gabel isst. Nein, die beiden
waren keine Virtuosen und sind auch sonst keine Unschuldsengel, und als
sie ihr gruppeninternes Stimmrecht für jeweils 30.000 Dollar an Saul
Zaentz verkaufen, trifft ihn das tief — verständlicherweise. Dennoch:
Unter normalen Umständen hätten sich diese Konflikte lösen lassen. Aber wo John Fogerty ist, da sind die Umstände nicht normal. Der überlässt sich lieber seiner zunehmenden
Verbitterung und dem Alkohol. Jahrelang spielt seine eigenen Songs nicht
mehr, bis ihn dankenswerterweise Bob Dylan auf offener Bühne quasi dazu
zwingt („Wenn du es nicht tust, werden später alle glauben, ‚Proud
Mary‘ sei von Tina Turner gewesen“).
Und dazu der immer noch ungelöste
Konflikt mit Saul Zaentz und Fantasy Records. Am Ende jagt Zaentz
Fogerty in den wohl absurdesten Prozess der Popgeschichte, den Fogerty
zum Glück gewinnt. Aber woher das alles kommt: Bei Fogerty kommt es
nicht an. Was immer seine Mitmenschen auch tun: Wenn es nicht das ist,
was er für richtig hält, dann ist sein Urteil gnadenlos, ob es sein
Bruder Tom ist, ob es CCR-Bassist Stu Cook ist (auf den er sich
besonders eingeschossen zu haben scheint), ob es der Musikjournalist
Ralph J. Gleason ist, ob es wer auch immer ist. Fogerty verehrt alte
Blues-Heroen, sein Urteil über Bandkollegen aus der San-Francisco-Szene
ist dagegen oft übermäßig hart. Jefferson Airplane und Grateful Dead
wirft er vor, sie könnten auf der Bühne nur endloses Genudel, aber keine
Songs hervorbringen. Im Fall der Airplanes ist das schlicht falsch, im
Fall der Dead scheint er das Konzept der Band nicht verstanden zu haben.
Bis dann endlich Julie die Szene betritt —
eine annähernd 20 Jahre jüngere Zufallsbekanntschaft, die Johns große
Liebe wird. Aber selbst diese Beziehung gefährdet Fogerty mit Alkohol
und erratischem Verhalten. Erst, nachdem Julie das Management ihres
Mannes übernimmt und ihr gesamtes Handeln darauf ausrichtet, ihm den
Rücken fürs Komponieren und Musizieren freizuhalten, wird eine bis jetzt
anscheinend glückliche Ehe daraus. Julie betritt das Buch in Kapitel 15
und schreibt ab dort eigene Textabschnitte, die sie in der 12 CDs
umfassenden Hörbuchversion auch selber spricht.
Der Rest des Buches ist dann eitel Sonnenschein.
Fogerty ist, wen wundert’s, kein großer
Autor. Aber darauf kommt es bei einem Buch wie diesem nicht an. Wer den
Menschen John Fogerty und seine Sicht der Dinge näher kennenlernen
möchte, wird aus diesem Buch eine Menge über ihn erfahren — das meiste
allerdings zwischen den Zeilen. Die Geschichte der großen Hits, seine
musikalischen Vorbilder, seine Liebe zur Countrymusik, seine etwas
seltsamen Ansichten zum Thema Politik und Waffenbesitz (er trat mehrfach
für die Demokraten auf, scheint aber dennoch zu glauben, dass die
US-Regierung nur deshalb im Zaum gehalten werden kann, weil sie weiß,
dass das Volk bewaffnet ist — die NRA wird jubeln, wenn sie das liest), das alles ist da und
wird durchaus unterhaltsam und gut lesbar geschildert. Die in
amerikanischen Star-Biografien sonst unvermeidlichen ellenlangen
Krankheitsgeschichten fehlen hier glücklicherweise.
Wer sich allerdings für eine objektivere
Darstellung der diversen Sachverhalte um CCR und Fantasy Records
interessiert, der scheint mir mit Hank Bordowitz‘ Buch „Bad Moon Rising —
The Unauthorized History of Creedence Clearwater Revival“ von 1998
immer noch besser bedient zu sein.
Wenn dieser Mann nur nicht ein so verteufelt guter Musiker wäre.
John Fogerty:
Fortunate Son — My Life, My Music
Little, Brown & Co. 2015
ISBN 978-0316244572
No comments:
Post a Comment