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Friday, January 29, 2016

Paul Kantner 1941-2016


(Photo: Wikipedia)


Ich glaube, es war Ende 1996. Eine meiner ersten Erfahrungen mit dem nagelneuen quietschvioletten iMac im für mich damals noch relativ neuen Internet. Ich war auf einer Mailingliste (erinnert noch jemand, was das war?) namens "2400 Fulton Street" von Fans der Gruppe Jefferson Airplane bzw. Jefferson Starship, die ich hoch schätzte und noch immer schätze. Auf dieser Mailingliste war auch Paul Kantner, Gitarrist, Kopf und Herz der Band, die er bis zuletzt am Leben erhielt.

Durch irgendeinen Beitrag von mir kam er darauf, dass ich aus Deutschland stamme, und schickte mir eine E-Mail mit der Frage, ob ich einen Text ins Deutsche übersetzen könne, und zwar so, dass er singbar wäre. Es war dieser -- ausgerechnet, denn nach meinem Dafürhalten war und ist das ein ziemlich lausiger Text für einen schwachen Song aus der wohl ödesten Phase des Sternenschiffs (als sie versuchten, wie Foreigner zu klingen).

Anyway, ich hab’s gemacht. Ich war vom Ergebnis nicht begeistert, aber singbar war der Text, und Paul war’s anscheinend zufrieden. Vielleicht hat er ihn auch sowieso nicht verstanden. Und mir wäre nicht bekannt, dass ihn die Band je gesungen hätte.

Gestern ist Paul Kantner mit 74 Jahren verstorben.

Dieses Jahr scheint irgendwie verhext zu sein.


*

I think it was at the end of 1996. The internet was relatively new to me, and this was one of my first experiences with my brand-spanking new squeeking-lilac iMac. I was subscribed to a mailing list (does somebody still remember what that was?) named "2400 Fulton Street", run by fans of the bands Jefferson Airplane and Jefferson Starship, which I highly appreciated then and still appreciate today. And on this mailing list used to be also Paul Kantner, guitarist, brain and heart of the bands.

Apparently I posted something that told him that I'm from Germany, and so he sent an e-mail to me, asking whether I could translate one of his lyrics into German -- if possible in a way that one could sing it. It was this one, of all things: After my fancy these were weak lyrics for a mediocre song from the probably most unendurable phase of the Starships (when they tried to sound like Foreigner).

However, I did it. I wasn't very happy with the result, but at least it was singable, and Paul was friendly enough not to complain. It might be possible that he simply didn't understand it. And I've never heard that the band actually sung it.

Yesterday, Paul Kantner passed away at the age of 74.

Somehow this year seems to be jinxed.

Friday, January 22, 2016

One last Wish



(Pittsburgh Post-Gazette, January 21, 2016)

Sunday, January 17, 2016

Pittsburgh Symphony Orchestra


Ottorino Respighi: Belfagor, Overture for Orchestra

Philip Glass: Concerto No. 2 for Violin amd Orchestra
"The American Four Seasons"

Ludwig van Beethoven: Symphony No. 6 in F major, op. 68
"Pastorale"

Tim Fain, violin
Christoph König. conductor
Pittsburgh Symphony Orchestra

Pittsburgh, Heinz Hall, January 16, 2016

Friday, January 15, 2016

Erich Kästner: Der Herr aus Glas



Erich Kästner (1899-1974) gehört neben Kurt Tucholsky und (jedenfalls, soweit es Drehbücher betrifft) Edgar Reitz zu den Autoren, ohne die ich wahrscheinlich nicht zum Stift bzw. zur Tastatur gefunden hätte.

Um so schöner, wenn es von einem dieser Herren neues Futter gibt. Schon 2013 hatte der Zürcher Atrium-Verlag (der seinerzeit im Prinzip nur gegründet wurde, damit Kästner während der Zeit seines Schreibverbotes publizieren konnte) die ungekürzte Fassung von Fabian veröffentlicht. Die Geschichte war 1931 zum Teil sinnentstellend gekürzt und entschärft erschienen und das Originalmanuskript galt als verschollen. Es ist eine Kopie gefunden worden, und nun liegt Kästners Roman in einer von Sven Hanuschek kommentierten Fassung unter ihrem ursprünglich vorgesehenen Titel Der Gang vor die Hunde vor. Einige der Kürzungen gehen von mir aus in Ordnung, aber einige wichtige Handlungsdetails werden erst jetzt, da die bislang fehlenden Teile wieder da sind, klar. Wer sich für die Situation und Lebensgefühl in der Endzeit der Weimarer Republik, kurz bevor die Nazis übernahmen, interessiert, wird hier in jedem Fall mehr erfahren als aus manchem Geschichtsbuch.

Und jetzt, wiederum von Sven Hanuschek herausgegeben und kommentiert, liegt Der Herr aus Glas vor; eine chronologisch angelegte Sammlung von 42 Erzählungen, die Kästner zwischen 1923 und 1955 für verschiedene Tageszeitungen und Illustrierte schrieb, zum Teil unter erst kürzlich entschlüsselten Pseudonymen (etwa „Jarosmin“ oder „Emil Brüll“). Einige der Geschichten waren bereits in der neunbändigen Hanser-Werkausgabe von 1998 oder auch in dem Doppelband Gemischte Gefühle von 1989 (noch in der DDR erschienen) enthalten, aber die meisten erscheinen hier erstmals in Buchform.

Vielen dieser Stories merkt man an, dass Kästner sie als Skizzen für später ausgearbeitete Langwerke oder als eine Art Schreiblabor angesehen hat, in dem er Ideen durchspielt und auf ihre Tauglichkeit testet. So findet man etwa unter der Überschrift „Inferno im Hotel“ (1927 im „Berliner Tageblatt“ erschienen) eine noch völlig unkomische Skizze, aus deren Motiven 1934 die (immer noch wunderschöne) Romankomödie Drei Männer im Schnee entstand. Und wenn ein „Sergeant Aurich“ auftaucht, dann muss man Kästnerkennern nicht erzählen, in welchem späteren Gedicht die Story ihre Endform fand („Sergeant Waurich“). Andere Kurzgeschichten sind blanker Nonsens, tragikomisch oder von einer surrealen Realitätsverliebtheit, die mich nicht selten an Kurzgeschichten von Franz Hohler erinnert. Die für Kästner typische Melancholie und (manchmal etwas arge) Sentimentalität steht über allen Geschichten, wird aber in aller Regel durch den ebenso typischen kästnerschen Humor aufgefangen. Dazwischen stehen auch Geschichten, die eher Tagebuchnotizen sind, etwa „Mutter bringt die Wäsche“ (1947 in der „Neuen Zeitung“ erschienen), die die vollkommene Fassungs- und emotionale Hilflosigkeit von Kästners Mutter schildert, als diese Kästners ausgebombtes Haus in Berlin nicht mehr betreten kann. Vor solchen Texten steht man mit Schluckbeschwerden. Und mindestens so interessant ist, wie Kästner diese (wahre) Episode in eine andere (erfundene) Kurzgeschichte („Berliner Hetärengespräch“) transformiert, die dann letztlich wohl eine Szene für die Münchener Kabarettbühne „Kleine Freiheit“ wurde. Und es gibt sehr selbstreflektive Texte, die als „Briefe an mich selbst“ firmieren und in denen Kästner seine erzählerische Eleganz für kurze Zeit aufgibt. Die lassen ahnen, wie er bei aller Hektik und Betriebsamkeit, die ihn wohl ständig umgab, tatsächlich getickt hat — ein Effekt, den ich sonst nur aus dem Blauen Buch kenne.

Nicht alle der hier vorgelegten Geschichten stammen aus der ganz obersten Schublade. Das macht aber nichts, denn interessant sind sie doch alle. Möglicherweise werden es auch nicht die letzten sein, denn noch immer sind nicht alle Kästnerschen Pseudonyme bekannt oder mit Sicherheit entschlüsselt, und es dürfte weitere Werke Kästners geben, die noch der Entdeckung harren. Ich freu mich drauf.


Erich Kästner:
Der Herr aus Glas
Atrium-Verlag, Zürich 2015
ISBN 978-3-85535-411-5



(Diese Besprechung erschien zuerst bei manafonistas.de)