bilingual/zweisprachig
Showing posts with label TV-Serien. Show all posts
Showing posts with label TV-Serien. Show all posts
Thursday, October 24, 2019
Country Music (PBS)
Der Dokumentarfilmer Ken Burns hat wieder zugeschlagen. Country Music ist der schlichte Titel, der exakt beschreibt, worum es geht: Die Geschichte der Country Music in (und zwar, wie bei allen PBS-Produktionen, so gut wie ausschließlich) den USA. Die Autoren der Serie sind Ken Burns und Dayton Duncan; letzterer war bereits Co-Autor von Burns' früherer Serie Jazz.
Die Serie besteht aus acht Teilen, die zwischen 1:45 und 2:15 Stunden dauern und chronologisch der Geschichte der Country Music nebst einigen Nebenzweigen, etwa dem Bluegrass, aber auch dem Country Rock) folgen.
Countrymusik ist ganz sicher nicht jedermanns Tasse Tee, aber sie ist doch ein eigenständiger Musikzweig der beiden nördlichen Amerikas, der, im Zeitablauf betrachtet, viel über die Denkweise und das Selbstverständnis der (weißen) Amerikaner verrät -- und das macht die Sache interessant, selbst dann, wenn man der Musik nicht allzuviel abgewinnen kann. Wer sich noch an Ken Burns' zwölfteilige Serie Jazz von 2001 erinnert, kann erahnen, wie Country Music gestrickt ist: Viele kurze Musikbeispiele sind zu hören, die großen (das heißt in diesem Fall meist: die kommerziell erfolgreichen) Stars werden ausführlich portraitiert, viele kleinere Sterne und Sternchen werden beiläufig erwähnt, diverse Musiker, Radio-, Plattenfirmen- und Studioleute sowie ein Historiker kommen zu Wort. Über dem Ganzen liegt ein Kommentar, mit rustikaler Stimme gesprochen von dem Schauspieler Peter Coyote:
1. The Rub -- die Story bis 1933, Southern Gospel, Uncle Dave Macon, Fiddlin' John Carson, die Radiostation WSM und ihre Sendung "Grand Ole Opry" aus dem Ryman Auditorium in Nashville, die ersten Genrestars: Carter Family und Jimmie Rodgers.
2. Hard Times (1933-1945) -- Roy Acuff, Gene Autrey, "dustbowl refugee acts" wie Woody Guthrie, die wachsende Bedeutung von Nashville, der ASCAP-Boykott, der zur Gründung der BMI führte, und natürlich der Zweite Weltkrieg und die Position der Countryszene.
3. The Hillbilly Shakespeare (1945-53) -- Bluegrass und Honky-Tonk fließen zusammen, Hank Williams wird einer der größten Stars (obwohl sich mir aus dem Film nicht recht erschließt, weshalb).
4. I Can't Stop Loving You (1953-63) -- Rockabilly entsteht, die Karrieren von Elvis Presley und Johnny Cash starten, es bildet sich ein typischer "Nashville-Sound" heraus, hier exemplifiziert am Beispiel Patsy Cline. Kurz wird in diesem Kontext der Produzent Owen Bradley vorgestellt, der erstmals auch die Mittel der Studiotechnik einsetzt.
5. The Sons And Daughters Of America (1964-68) -- Der Bakersfield Sound mit Buck Owens entsteht, Loretta Lynn startet mit sehr lebensnahen Songs (ihre enge Freundschaft zu Patsy Cline wird seltsamerweise mit keiner Silbe erwähnt), Merle Haggard wird zum wichtigen Songschreiber, Johnny Cash kommt nach einer Phase der Selbstzerstörung triumphal zurück.
6. Will The Circle Be Unbroken? (1968-72) -- Die Countryszene reagiert auf 1968, etwa in Gestalt von Merle Haggards galligem "Okie from Muskogee" (das aber immer noch freundlicher ist als sein Gegenstück, Freddy Quinns "Wir"), George Jones und Tammy Wynette steigen auf, Singer-Songwriter wie Kris Kristofferson tauchen in Nashville auf und lenken die "klassische" Countrymusik in neue Richtungen. Neue Produzenten werden aktiv, Studios werden eröffnet, die nicht mehr im Zugriff der Major-Plattenfirmen sind.
7. Are You Sure Hank Done It This Way? (1973-83) -- "Outlaws" wie Waylon Jennings, Emmylou Harris, Gram Parsons, Townes Van Zandt und der wunderbare Willie Nelson (ich kann mich noch heute darüber ärgern, dass ich sein Konzert letztes Jahr in Pittsburgh verpasst habe) erscheinen auf der Szene und formen sie in Teilen um, während auf der anderen Seite die Countrymusik in eine Nostalgiephase auf ihre alten Stars kippt und gleichzeitig immer mehr zur Hitparadenware wird, exemplifiziert am Beispiel Dolly Parton. Johnny Cash wird zu seiner eigenen Legende, während sein kommerzieller Erfolg mehr und mehr einbricht, bis ihn Columbia schließlich feuert.
8. Don't Get Above Your Raisin'" (1984-96) -- Das Genre wandelt sich von "Country" zu "Americana". Leute wie Ricky Skaggs oder Dwight Yoakam führen zurück zu den Wurzeln, andererseits erscheinen Superstars wie Garth Brooks, die gleichzeitig in den Country- und Pop-Charts an der Spitze stehen und Stadien füllen. Die Serie endet außerordentlich tränenreich mit dem Tod Johnny Cashs und seinen letzten, von Rick Rubin produzierten "American Recordings".
Es ist kennzeichnend für die weitere Entwicklung des Genres, dass die Serie im Jahr 1996 endet -- es zerfällt danach. Die Folgen sind streckenweise sehr länglich, manche der Zeitzeugen-Kommentare sind nichtssagend. Auf der anderen Seite gibt es Schlüsselszenen und -- manchmal -- Sternstunden: Wenn etwa in der Radiosendung "Grand Ole Opry" der durch Schallplatten bereits recht beliebte Sänger Charlie Pride angekündigt wird, bricht das Publikum in Begeisterungsstürme aus -- die dann innerhalb weniger Sekunden ersterben, als der Sänger auf der Bühne erscheint und klar wird, dass der Mann schwarz ist. Das ist Amerika. Es ist aber ebenso Amerika, dass Charlie Pride das Publikum dann letztlich doch überzeugt. (Mit solchen Widersprüchen lernt man hier als Zugezogener zu leben.) In einer anderen Folge wird auf den Start des Autors und späteren Radioshow-Hosts Garrison Keillor ("A Prairie Home Companion") hingewiesen, jedoch seltsamerweise nie auf seine hocherfolgreiche, politisch durchweg eher liberale Sendung.
Ken Burns' Sicht auf die Dinge ist stets latent konservativ, wie man das auch schon in Jazz feststellen konnte. Emmylou Harris etwa kommt hier zwar recht ausführlich zu Wort, wird aber weitgehend auf ihre Anfänge im Country reduziert. Dass sie dieses Feld irgendwann hinter sich gelassen hat, nicht zuletzt durch ihre Zusammenarbeit mit Daniel Lanois, kommt nicht vor. Auch eine Sängerin wie k.d. lang, die das Country-Genre gleichermaßen liebt wie hochnimmt, wird nur kurz erwähnt. Im Zusammenhang mit Gram Parsons werden auch The Byrds erwähnt (Sweetheart of the Rodeo), bis zur Marshall Tucker Band oder den Eagles traut man sich dann aber doch nicht vor. Von einer durchaus countryaffinen Band wie der Creedence Clearwater Revival mal nicht zu reden, obwohl selbst Willie Nelson CCR-Songs gecovert hat. Die Qualität eines Songs wird oft mit seiner Chartsplazierung gleichgesetzt, das zumeist konservative Welt- und Familienbild der Countrysongs (und ihrer Gemeinde) wird nicht hinterfragt.
Viel, viel Arbeit. Man mag sich kaum vorstellen, wieviele Stunden die Macher in den Archiven verbracht haben und wieviele Meilen sie zwecks Interviews durch die Lande gereist sind. Das Ganze gibt es als DVD-Box, auf Blue-ray, es gibt begleitend zur Serie eine 5-CD-Box und ein Buch, als Gesamtpaket für 170 Dollar. Bisschen viel für meinen Geschmack,, das muss man nicht alles haben, aber wenn Country Music im Fernsehen läuft: Ansehen lohnt sich.
(Dieser Post erschien zuerst in manafonistas.de)
Friday, February 16, 2018
Back to Babylon
Die erste Staffel wäre geschafft ... Babylon Berlin, die ersten acht Folgen, deutsch mit englischen Untertiteln im US-Netflix, selbstverständlich nicht etwa "set in Berlin of the Golden Twenties" oder "in the Weimar Republic", sondern "in pre-Nazi Germany". Germany ohne Nazis ist hier einfach nicht vorstellbar. Dabei kommen in der ersten Staffel noch nicht mal welche vor. Interessant gleichwohl, dass die Serie hier zu sehen ist, lange bevor sie im deutschen Free-TV gezeigt werden darf -- die ARD hat sich wohl irgendwie von Sky über den Tisch ziehen lassen. Immerhin ist sie an der Finanzierung nicht ganz unbeträchtlich beteiligt.
Ich habe mich in den letzten Jahren ziemlich intensiv mit den Zwanziger Jahren beschäftigt, unter anderem wegen hier, aber auch wegen eines Drehbuchs, weil ich stolzer Besitzer der 22-bändigen Tucholsky-Gesamtausgabe bin (Habt ihr gehört, Rowohlt? Ich bin das!), weil ich das stumme deutsche Angstkino der Langs, der Murnaus und der Wienes liebe, und überhaupt, einfach eine sehr spannende Zeit ... Wenn Zeitreisen möglich wären: Berlin, Hamburg, New York, Paris und London der Zwanziger wären meine Stationen. Ein Trip in die Ära der Romantik käme erst danach.
Um es vorwegzunehmen, Babylon Berlin bekommt hiermit meine offizielle Empfehlung. In Babylon Berlin steckt ein für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich hoher Etat, und das sieht man. Die Serie gehört optisch zum Besten, was in Deutschland seit Edgar Reitz' Heimat fürs Fernsehen produziert worden ist. Vom ersten Moment an spürt man die wirklich exzellente Besetzung selbst kleiner Nebenrollen, die liebevolle Kostümbildnerei, die Ausstattung, die Kulissen -- und zwar gerade dadurch, dass man sie eigentlich nicht bemerkt. Selten nur stolpert man über allzu raffiniert ausgetüftelte Kameraperspektiven, die den Zweck haben, nur möglichst kurze Straßenzüge nachbauen zu müssen, oder über Firmenschilder, denen man ansieht, dass sie über reale Firmenschilder gehängt wurden.
Die Dramaturgie der Serie setzt zunächst auf Verwirrung, Überwältigung und übermäßige Drastik. Alles wirkt irgendwie übertrieben und ziellos, ohne dass man den Finger auf wunde Punkte legen könnte. Streckenweise hat man das Gefühl, das Berliner Leben spielte sich hauptsächlich in dreckigen Toilettenkabinen ab. Drogenabhängige sind ständig am Zittern. Die Polizei prügelt. In der Pathologie wird mit Gammelfleisch nur so um sich geworfen. Wenn einer aus dem Krieg ein Blasenleiden mitgebracht hat, dann reicht keine Andeutung, sondern es muss durchgespielt werden, bis die Hose nass ist. Und war schon in Isherwoods Roman "Goodbye to Berlin" die Darstellung der Arbeiterklasse unangenehm herablassend, so wird in Babylon Berlin in den elenden Wohnbehausungen der Arbeiter ständig nur gehustet, gerotzt, gesoffen, gepisst, geschlagen und in abgebrochenen Sätzen geredet -- das soll dann wohl harter Realismus sein, hat aber eher denunziatorische Züge. Das Leben der Arbeiter und ihrer Familien war elend, mit Sicherheit kam es in diesen Wohnverhältnissen zu Aggression, und mit der Bildung war es nicht übermäßig weit her, aber es kann nicht ununterbrochen so elend gewesen sein. Döblins "Berlin Alexanderplatz" ist in dieser Hinsicht aufschlussreicher. Auch die Art und Weise, wie die organisierte Arbeiterschaft dargestellt wird, nämlich misstrauisch und ständig aggressiv, wird den wirklichen Arbeitern der damaligen Zeit sicher nicht gerecht.
Gelegentlich fallen allzu schlaumeierische Zitate auf. An den Stummfilmklassiker Menschen am Sonntag (von dem sogar Originalausschnitte zu sehen sind) wird etwas sehr deutlich erinnert, oder Berlin, die Sinfonie der Großstadt. Über dem Abspann liegen Ausschnitte aus synästhetischen Animationsfilmen Walter Ruttmanns, wodurch der Abspann (ebenso wie der Vorspann) unlesbar wird. Die zentrale Figur, Charlotte Ritter, ist zu vieles auf einmal, Arbeiterkind, Polizeimitarbeiterin, SM-Prostituierte, Liebende und Emanzipierte. Der Kommissar Bruno Wolter erinnert arg deutlich an den jovialen Kommissar Lohmann aus Langs M und Das Testament des Doktor Mabuse, ohne allerdings dessen Anständigkeit zu besitzen. Auch Gereon Rath, die Hauptfigur, bleibt undurchschaubar. Natürlich sind die Regierenden sämtlich korrupte Knallchargen, die Gangster führen sich auf wie die Schnapsbanden in Chicago 1930. Es gibt keine klaren Sympathiefiguren, ich würde ernstlich mit keinem der Charaktere privat etwas zu tun haben wollen. Und nicht zuletzt sind die unvermeidlichen Show-Szenen ziemlich klischeehaft (weil, so is det ja nu mal jewesen in Berlin!), auch die dargebotenen Chansons werden nicht besser dadurch, dass Bryan Ferry sie ausgewählt hat. Cabaret war in dieser Hinsicht besser.
Ab etwa der dritten Folge sortieren sich die Ereignisse ein bisschen, die Handlung fließt ruhiger, die einzelnen Charaktere werden ein bisschen genauer vorgestellt. Das Ergebnis ist aber, dass das, was in den ersten drei Folgen zu dick aufgetragen ist, in den Folgen 4 bis 8 dann fehlt. Da wird dann auch klarer, dass das Ganze ein Krimi ist, keine Sozialanalyse, und die Versatzstücke sind letztlich dieselben, die auch im Tatort oder irgendwelchen Soko-Folgen eingesetzt werden. Zudem laufen die beiden Hauptprotagonisten am Ende in eine strunzdumme Cliffhanger-Falle, die man als Zuschauer wie ein offenes Scheunentor gähnen sieht.
Das macht aber alles nichts, denn irgendwie passt es am Ende doch alles zusammen, die Schauspielerinnen und Schauspieler reißen die Schwächen raus, und spätestens nach der dritten Folge ist man "drin" in der Serie. Ich bin sehr gespannt auf die zweite Staffel. Heute abend geht's los.
(Dieser Post erschien zuerst in manafonistas.de)
Subscribe to:
Posts (Atom)