bilingual/zweisprachig

Wednesday, September 20, 2017

Karl Bartos: Der Klang der Maschine




(Scroll down for English version!)

In Wirklichkeit heißt der Mann also Karlheinz. Zu Herrn Karl wurde er erst, als es darum ging, seinen Namen für die Kraftwerk-Bühne in Neonrohr zu biegen: Da ist Karl eben nur halb so teuer wie Karlheinz.

Wenn das alles wäre, was man aus der soeben vorgelegten Autobiografie des Musikers Karl Bartos erfahren würde, wären 600 Seiten ein bisschen viel. Aber man erfährt doch eine ganze Menge mehr. Um falschen Erwartungen vorzubeugen, sollte man sich zunächst klarmachen, dass dies die Autobiografie Karl Bartos' ist, nicht die Story von Kraftwerk -- die nimmt zwar den größeren Teil des Buches ein, und sie klebt, wie er selbst sagt, wie ein Schatten an ihm, aber sie ist nicht sein ganzes Leben.

Karl Bartos, geboren in Berchtesgaden, aufgewachsen in Düsseldorf, heute in Hamburg lebend, ist ausgebildeter klassischer Perkussionist, der in Schlager- und Tanzbands ebenso gespielt hat wie im Opernorchester. Zur Abschlussprüfung spielte er Gary Burtons nur scheinbar unauffällige Solokomposition "The Sunset Bell" -- aber wer das Werk mal konzentriert gehört hat, wird ungefähr einordnen können, auf welchem spielerischen Niveau er sich da bewegt. Kraftwerk war denn zunächst auch nicht mehr als ein Job unter diversen, bis ihn die Kraftwerker ultimativ aufforderten, exklusiv für sie zur Verfügung zu stehen (man könne schließlich nicht gleichzeitig für Mercedes und BMW arbeiten). Dass sie ihn damit zu einem Unternehmer machten, der nur einen einzigen Kunden haben durfte, fiel ihm wohl selbst erst später auf -- dann allerdings umso unangenehmer, denn klare Absprachen oder Verträge gab es nie. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten folgten auf dem Fuße.

Aber das ist ein Vorgriff. Bartos schildert zunächst mal seine Jahre mit Kraftwerk, die die Alben von Radioaktivität bis Electric Cafe umfasst. Man lernt Titel für Titel die Arbeitsweise der Gruppe kennen, die "Writing Sessions", und seinen eigenen steigenden Anteil daran. Er war weit mehr als nur "der Drummer". Wer Bartos' spätere Soloplatten kennt, kann seine Handschrift auch bei Kraftwerk ohne große Schwierigkeiten heraushören. Als Co-Autor genannt zu werden ist ihm schließlich gelungen; später sogar -- was ich nicht wusste -- haben ihn Ralf und Florian auch an den Plattenverkäufen beteiligt.

Man erfährt, dass das Radio-Aktivität-Album auf einer geliehenen Achtspurmaschine aufgenommen wurde und Trans Europa Express in den angesagtesten Studios der USA gemischt, die Mischung dann aber doch verworfen wurde, weil sie zu amerikanisch klang. Zu den interessantesten Teilen des Buches gehört das jahrelange Drama um das Electric Cafe-Album. Das begann schon damit, dass die EMI die Platte unabgesprochen angekündigt hatte und daraufhin überstürzt die "Tour de France"-Single veröffentlicht wurde. Dass das Album dann jahrelang nicht fertig wurde, lag daran, dass die Gruppe ihr Equipment auf digitale Technologie umstellte, was einen Umbau nicht nur des Studios bedingte, sondern -- und das war der eigentliche Knackpunkt -- die bis dahin praktizierte Arbeits- und Kompositionsweise unmöglich machte. Diese nämlich beruhte auf unmittelbarer Kommunikation im Studio. Durch die Digitaltechnik war plötzlich jeder der Musiker auf sich selbst bezogen, und die Band fand keinen Weg, damit umzugehen. Es stellte sich heraus, dass Musik nicht zwangsläufig dadurch besser wird, dass man einfach das jeweils modernste Equipment verwendet. Es gibt wichtigere Faktoren, zu denen sie aber den Rückweg nicht mehr fanden.

Karl Bartos verließ die Band während der Arbeit am Mix-Album, weil er schlicht nichts mehr zu tun hatte. Bezeichnend ist das Unverständnis, das ihm dafür von Hütter und Schneider entgegenschlug. Und es spricht für ihn, dass er das Buch nie dazu nutzt, irgendwelche Schmutzwäsche zu waschen, obwohl der Frust nicht selten zwischen den Zeilen steht. Und auch viele Fans nahmen ihm seinen Weggang übel. Das zum Teil wirklich widerliche Bartos-Bashing jedenfalls, das in einigen Kraftwerk-Foren im Internet bis heute losbricht, wenn nur sein Name erwähnt wird, spricht Bände. Aber das ist nur ein Teil der Fans; die meisten wissen seinen Anteil an der Gruppe sehr wohl einzuordnen.

Nach seinem Weggang machte Bartos zunächst die unangenehme Erfahrung, dass etliche Türen, die ihm als Mitglied von Kraftwerk stets geöffnet worden waren, jetzt verschlossen blieben. Es ist interessant zu lesen, wie er sich dann doch irgendwie mit der Situation arrangierte, bis heute. Mehr erfahren hätte ich gern über seine Gastprofessur an der UdK in Berlin, aber da bleibt es bei wenigen Seiten.

Bartos ist kein professioneller Autor, dennoch liest sich das Buch gut und flüssig. Gelegentlich hätte man ihm ein besseres Lektorat gewünscht (falsch geschriebene Namen, gelegentliches überflüssiges Namedropping und die eine oder andere Stilblüte wären so vermeidbar gewesen), aber das ist Kleinkram. Gelegentlich verbleibt die Autobiografie mir ein bisschen zu sehr im rein Beschreibenden, ein bisschen mehr analytische Tiefe hätte an manchen Stellen nicht geschadet. Während die 1999 erschienene Autobiografie von Wolfgang Flür mir über weite Strecken eher "wishful thinking" gewesen zu sein schien, liest man Bartos' Buch aber auf jeden Fall mit Gewinn.

Karl Bartos:
Der Klang der Maschine.

Köln 2017
ISBN 978-3-8479-0617-9


Diese Besprechung erschien zuerst in manafonistas.de



So now we know that in reality this guy's name is Karlheinz. It changed into Karl not before his name was bended into a neon pipe for the Kraftwerk stage. Which is quite understandable: Karl is only half as expensive as Karlheinz.

If that would be all we could learn from the autobiography musician Karl Bartos just presented, 600 pages would be a bit too much. But we can learn several more things. And to avoid wrong expectations, you should see that this is the autobiography of Karl Bartos, not the story of Kraftwerk -- which, of course, takes the major part of the book and, to use his own words, sticks with him like a shadow. But it isn't his whole life.

Karl Bartos, born in Berchtesgaden, Bavaria, grown up in Düsseldorf, now living in Hamburg, is a skilled classical percussionist who played with schlager- and dance bands as well as in an opera orchestra. For his graduation at conservatory, he played Gary Burton's seemingly inconspicious solo composition "The Sunset Bell" -- but when you listen to it carefully, you will surely realize the high level of his vibraphone techniques. Consequently, Kraftwerk was not more than one job among several, until the Kraftwerkers asked him ultimately to be available exclusively for them (nobody could work for Mercedes and BMW, was their argument). They made him an entrepreneur this way who was allowed to have only one customer. But this probably occurred to him much later -- but then even more displeasing because there were no contracts and no clear agreements. Long lasting lawsuits followed immediately then.

But first, Bartos describes his years with Kraftwerk, which include the years from Radio Activity to Electric Cafe. Track by track we learn about they way the band worked, the "writing sessions" and his increasing part in them. He was far more than "just the drummer". Everybody who knows his later solo records is easily able to recognize Bartos' fingerprints in the music of Kraftwerk. Finally he was able to be mentioned as co-composer; later -- which was new to me -- Ralf and Florian ceded a share on the record sales to him.

We learn that the Radio Activity album was recorded on a borrowed 8-track tape recorder and Trans Europe Express was mixed at the hippest studios in the U.S., but the mix was dropped because it sounded too american. One of the most interesting chapters in the book is the long lasting drama of the Electric Cafe album. This started already with the mistake that EMI announced this record without asking Kraftwerk in advance, so the "Tour de France" 45 got a rushed release. The reason that the album got not finished was mainly their decision to change the studio equipment to digital devices. For this reason the whole studio had to be rebuilt, and -- this was the main problem -- the way Kraftwerk used to work and compose didn't work no longer. It was based on direct communication in the studio, but the digital technology set every musician back to only himself, and the band was not able to find a way out of this dilemma. They had to learn that it's not only the latest equipment that makes the music bloom, there are more important criteria, but they didn't find the way back to them. 

Karl Bartos left the band during their work on the Mix album, simply because there was nothing for him to do anymore. Hütter's and Schneider's inability to understand this decision is significant. But it speaks in his favor that he never uses his book to wash his dirty laundry in public, although the frustration sometimes is visible "between the lines". Also a lot of fans held his leaving against him. The sometimes really obnoxious "Bartos bashing" that still today breaks out in some online Kraftwerk forums on the web when only his name is mentioned speaks volumes. But that's only a part of fans. Most of them are well able to rate Karl's part in the group.

After his leaving, Bartos made the unpleasant experience that several doors that were always open for him as member of Kraftwerk now remained shut. It's interesting to read how he was able to come into terms with his new situation, up to the present day. I would have liked to know more about his visiting professorship at the University of Arts (UdK) in Berlin, but he offers not more than a couple of pages about this.

Bartos is not a professional writer, but anyways, the book is well written. Sometimes I would have wished him a better editing (some misspelled names, some useless namedropping, some bloopers could have been avoided this way), but that's not a big thing. Sometimes the autobiography remaines a bit to much in the pure description, a bit more analysis would have been nice. But while Wolfgang Flür's autobiography from 1999 seemed to be more "wishful thinking" that fact, Bartos' book is really worth the read.

Currently the book is available only in German language. Surely an English version will follow soon.


Karl Bartos:
Der Klang der Maschine.

Cologne 2017
ISBN 978-3-8479-0617-9


Sunday, September 10, 2017

Wednesday, September 6, 2017

Holger Czukay 1938-2017



Dear Prof. Holger,
bye bye -- see you later!