Letzte Woche, am 3. Februar, ist der
Hamburger Klangkünstler Asmus Tietchens 70 Jahre alt geworden. Der
richtige Zeitpunkt, eine Serie zu starten. Ich kenne nicht alle Platten,
die Asmus Tietchens insgesamt bisher veröffentlicht hat (es sind
mittlerweile über 80), aber ich werde in loser Folge alle seine mir
bekannten Tonträger in chronologischer Reihenfolge hier vorstellen.
Tietchens, zweimaliger Träger des Karl-Sczuka-Preises (2003 und 2006), verrät in der Regel nur wenig über sich selbst, und das Wenige wiederholt sich. 1964 begann er eine Lehre zum Reedereikaufmann, hat in diesem Beruf aber nie gearbeitet, sondern war von 1968 bis 1975 als Werbetexter tätig. Schon seit 1965, angeregt durch die NDR-Reihe „das neue werk“ (dezidiert kleingeschrieben) und seinen Schulfreund Okko Bekker, machte er erste Basteleien mit einem Tonbandgerät. Erst mit 31 Jahren entschied er sich, sich ganz auf die Musik zu konzentrieren. Das ermöglichte ihm immerhin rund 15 Jahre lang, neben dem Brotberuf völlig zweckfrei zu experimentieren; seine erste Platte erschien 1980.
Tietchens legt Wert darauf, dass seine Kompositionen keine Geschichten erzählen, sondern rein der Logik des Klanges folgen — und der Struktur, die er diesen Klängen gibt. Man könnte meinen, dass er dabei inneren Bildern folgt, aber in einem seiner wenigen Interviews bestreitet er das: Da sei, sagt er, gar nichts, keine Farben, keine Formen, keine Synästhesien. Was nicht ausschließt, dass beim Hörer welche auftauchen.
Die Nachtstücke, Tietchens‘ erste offizielle Veröffentlichung, kommt nächstesmal dran. Die Wiederveröffentlichung dieser Scheibe beim Bremer Label „Die Stadt“ enthielt aber eine zweite CD, betitelt Adventures in Sound. Sie enthält Experimentierereien (so will ich das jetzt mal nennen), die zwischen 1965 und 1969 mit einer Revox G-36 und Grundig TK-42 entstanden sind. Mitwirkende sind Okko Bekker und Hans-Dieter Wohlmann.
Wir hören Tapeloops, zusammengemischte und teils rückwärts laufende Platten (u.a. höre ich Pink Floyd heraus, ziemlich offensichtlich (bzw. -hörlich)), sehr schräg gespielte und klangmanipulierte Instrumente, sehr frei — halt genau das, was man eben so macht, wenn man Instrumente nicht beherrscht und die Möglichkeiten einer Tonbandmaschine erforschen will. Muss man nicht kennen, ist aber im Zusammenhang mit dem, was später kommen sollte, doch interessant.
Eine freundliche Zugabe sind zwei Ausschnitte aus einer Jugendfunksendung des NDR von 1968 und 1969: Es gab da eine Reihe, in der Hörer selbstgebastelte Werke einsenden und, wie es da heißt, „zur Diskussion stellen“ konnten. Tietchens und Bekker haben zwei der auf dieser CD versammelten Stücke eingesandt, wurden ins Studio eingeladen und durften zu den Werken etwas sagen. Der Interviewer ist der damalige Leiter des Jugendfunks, Dethard Fissen, dem man den beigefarbenen Breitcordanzug schon an der Stimme anhörte. (Aber ich will ihm nicht Unrecht tun, er hat damals einiges auf die Beine gestellt. Auch meine Wenigkeit hat seine Dienste irgendwann in den Mittsiebzigern mal in Anspruch genommen, indem er die Lightshow-Gruppe, in der ich damals mitmachte, mit einem elektronischen Improvisationsduo zusammenbrachte.)
Außerdem enthält die CD das Stück „Cripple Story“, aber das wird, da es ursprünglich eine Single war, in der Chronologie besprochen werden.
Adventures in Sound 1965-1969 Asmus Tietchens, Okko Bekker, Hans-Dieter Wohlmann Die Stadt, DS55
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