Und Witthüser & Westrupp waren vor ihm da. Auf Fehmarn nämlich, bei dem legendär missglückten Rockfestival im September 1970.
Bernd Witthüser und Walter Westrupp waren eine Institution, wenn schon nicht vor ihrem Fehmarn-Auftritt, dann auf jeden Fall danach. Bernd war als sogenannter "Protestsänger" in den Straßen von Essen und Umgebung unterwegs gewesen, war Geschäftsführer der Essener Songtage, dann traf er auf Walter. Mehr Liedermacher als (Kraut-)Rocker, wurden die beiden unter der Ägide des Produzenten Rolf-Ulrich Kaiser einige Jahre hoch erfolgreich, und man kennt sie vielfach noch heute.
Lieder von Vampiren, Nonnen und Toten hieß ihr erstes Album, damals noch unter Witthüsers Namen veröffentlicht, aber Westrupp war bereits dabei. Trips und Träume hieß das zweite Album, nun unter ihrem gemeinsamen Namen als Duo, eine versponnene Mischung aus Folksongs, spoken word ("Karlchen"), einigen Orientalismen und dem Beinahe-Hit "Nimm einen Joint, mein Freund".
Freundlicher, absurder, manchmal durchgeknallter, oft aus dem Tolkien-Universum inspirierter Humor und manchmal seltsam melancholische Balladen waren ihr Kennzeichen. Es gelang ihnen sogar das Kunststück, mit ihrem Jesuspilz-Programm, einer auf dem Gebrauch des "Gebrösels" beruhenden Neuinterpretation des Evangeliums, durch wohl rund 100 Kirchen zu touren.
Nach ihrem Opus magnum Bauer Plath war Schluss. Bernd zog es nach Italien, wo er wurde, was er vorher war: Straßenmusiker, One-Man-Band unter dem Namen Barnelli; zeitweilig auch als Duo Otto & Bärnelli. In all diesen Jahren führte Bernd eine Art Tagebuch. Und als er sich 2017 in Grosseto auf eine Wiese legte und die Erde für immer verließ, blieb dieses Tagebuch zurück. Zum Glück hatte er es rechtzeitig dem Musikjournalisten Michael Fuchs-Gamböck in die Hand gedrückt, auf dass es der Nachwelt erhalten bleiben möge.
Viel war es nicht, und Michael musste auch erst einmal dekodieren, was darin stand. Das kann man jetzt nachlesen. Überraschungsarm, gleichwohl unterhaltsam sind sie, die meist kurzen Kapitelchen über Barnellis Abenteuer bei Auftritten, wo ihm beispielsweise das Gebiss rausflog, bei Grenzübertritten (wahrscheinlich hat jeder, der damals nach Amsterdam ins Paradiso fuhr, um eine Band zu hören, auf dem Rückweg selbst erlebt, wie ihm der deutsche Zoll die Karre zerlegte), und viele andere, meist drogenbenebelte Abenteuer der Landstraße.
Fuchs-Gamböck selbst gibt im Anschluss eine Kurzbeschreibung der damaligen "Krautrock"-Szene und die Rolle Witthüsers & Westrupps darin, gefolgt von einem Gespräch mit Walter Westrupp. Letzteres hätte für mein Gefühl gern länger ausfallen dürfen. Immerhin weiß man jetzt, dass er eine Chemo überstanden hat -- alles Gute weiterhin.
Mit Empfehlung vom Rat der Motten.
Bernd Witthüser:
Hat Hendrix gespielt?
Plus ein Gespräch mit Walter Westrupp
Herausgegeben von Michael Fuchs-Gamböck
102 Seiten, Verlag Andreas Reiffer 2024.
ISBN 978-3-910335-10-3
....was man so auf seine alten Tage noch lernen kann...
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