(English version HERE!)
Wenn die Pittsburgher über Fallingwater sprechen, dann geraten sie im Allgemeinen haltlos ins Schwärmen. Und die Western Pennsylvania Conservancy schreibt über das Haus: "Fallingwater ist Frank Lloyd Wrights Meisterwerk, das in einer vom American Institute of Architects durchgeführten Befragung zum wichtigsten Gebäude des 20. Jahrhunderts gewählt wurde." Demnächst, wie man hört, soll es auch in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen werden.
Als Besucher erwartet man dann natürlich nicht weniger als mindestens das achte Weltwunder.
Von außen ist Fallingwater denn auch wirklich beeindruckend. Dieser Eindruck relativiert sich aber ein wenig, wenn man drinnen ist.
Der amerikanische Großarchitekt Frank Lloyd Wright (1867-1959) hat Fallingwater im Jahr 1936 in Mill Run, rund 80 km von Pittsburgh entfernt, als Wochenend- und Feriendomizil für die Familie Kaufmann erbaut, die in Downtown Pittsburgh ein Kaufhaus betrieb. (Dieses existiert noch heute, ist allerdings inzwischen eine Macy's-Filiale, was alteingesessene Pittsburgher jedoch nicht daran hindert, weiter von "Kaufmann's" zu sprechen. - Wie Pittsburgh überhaupt aus lauter Plätzen und Gebäuden besteht, die verschwunden sind, aber von den Eingeborenen noch immer als Markierungspunkte genannt werden: "Da fahren Sie am besten geradeaus, und wo früher das Kino war, da biegen Sie links ab.")
Wie das Haus über einem Wasserfall in seine Umgebung integriert wurde, das ist "hohe Schule". Der Architekt hatte zudem einige Markenzeichen, die ebenfalls sofort ins Auge fallen. Insbesondere sind dies die verwendeten Bauelemente (Natursteine, Stahlbeton, Holz und Metall) und die konsequente Farbgebung (Metallteile sind in "Cherokee Red" lackiert, der Beton hat einen "Covered Wagon" genannten Ockerton). Die Farben finden ihre Entsprechung im Inneren des Hauses in Raumelementen und Dekorationsmaterialien. Für die Möbel im Haus wurde vorrangig Mahagoni verwendet, der Boden besteht aus gewachsten Steinplatten.
Die Einbettung in die Landschaft ist so gut gelungen, dass man sich auch innerhalb des Hauses als Teil der Umgebung fühlt. Zum einen, weil im gesamten Haus der Wasserfall zu hören ist und ständig an den Standort erinnert, zum zweiten, weil das Glas etlicher Fenster direkt und ohne Rahmen in den Stein eingelassen ist und man sie deshalb gar nicht als "Fenster" wahrnimmt. Zudem gibt es im Haus - außer an Schreibtischen - nur indirekte Beleuchtung, so dass sich auch Kunst- und Tageslicht vermischen.
Living Room (Foto: Wikipedia/Jeffrey Neal)
Der Living Room, kombiniert mit einer Essecke und einer Treppe zum darunterliegenden Wasserlauf, ist traumhaft. Sobald man ihn allerdings verlässt und sich in andere Räume begibt, befällt einen trotz der äußerlichen Großzügigkeit des Bauwerks leichte Platzangst. Meine lichte Höhe beträgt 1,91 Meter über dem Meeresspiegel, und ich bin ziemlich sicher, dass es das auch schon 1936 gegeben hat. Da fällt es dann doch recht unangenehm auf, wenn man sich auf Treppenläufen den Kopf stößt und in einigen Räumen erleben muss, dass die Decke für mich zu niedrig ist.
Einige Durchgänge sind so schmal, dass man sich schon fast bedrängt fühlt. Dafür sind die Brüstungen so niedrig, dass sie für kleinere Kinder lebensgefährlich sein dürften.
Es gibt keine Klimaanlage im Haus, sondern lediglich ein Ventilationssystem, das erfreulicherweise zwar ohne Strom funktioniert, aber leider nicht verhindert, dass es überall im Haus latent feucht ist. Den Schimmelbefall kann man nur chemisch im Griff behalten.
Zu Fallingwater gehören auch ein Gästehaus sowie einige Bungalows für das Dienst- und Servicepersonal. Es ist klar, dass der gesamte Gebäudekomplex nicht ohne Personal bewirtschaftet werden konnte. Dessen Räume übrigens bekommt der Besucher nicht zu sehen.
Fallingwater mag ein Kunstwerk sein und war wohl vom Architekten auch so gedacht. Aber möchte man wirklich längere Zeit in einem Kunstwerk wohnen?
Wright übrigens, man mag es kaum glauben, hat die Statik seines Meisterwerkes nicht sauber berechnet. Hätte nicht der Bauunternehmer - gegen den erklärten Willen des Stararchitekten! - die verwendete Stahlmenge fast verdoppelt, dann wäre das Gebäude längst eingestürzt.
Rückseite |
Das wäre dann doch schade gewesen. Familie Kaufmann hat Fallingwater von 1937 bis 1963 genutzt. Immerhin. 1964 übereignete sie das Gebäude der Western Pennsylvania Conservancy, die sich seitdem um den Erhalt kümmert. Die Kosten dafür betragen jährlich alles in allem 5 Millionen Dollar, die durch Spendenmittel, Eintrittsgelder und Shop-Verkäufe aufgebracht werden.
Dass Frank Lloyd Wright auch anders konnte, zeigt Kentuck Knob, ein weiteres von ihm entworfenes Haus, fertiggestellt 1956 im Auftrag der Familie Hagan in Chalk Hill, einige Kilometer von Fallingwater entfernt.
Dieses Haus ist deutlich kleiner als Fallingwater. Es stammt aus Wrights "Usonian"-Phase, womit ein L- oder U-förmig um einen Innenhof herumgebauter Gebäudegrundriss gemeint ist, der den klassischen amerikanischen Farmhäusern nachempfunden ist. Kentuck Knob besteht aus dem Hauptgebäude, einem Carport (auch dieser übrgens eine Erfindung Wrights) und einem Atelier.
Auch wenn es auf dem obigen Foto so wirkt: Das Haus ist nicht fensterlos. Auf der Hofseite allerdings gibt es tatsächlich nur einen schmalen Fensterstreifen unterhalb des Kupferdaches, der zudem noch hinter einer hölzernen Blende versteckt ist. Die eigentlichen Fenster sind auf der anderen Seite, denn Kentuck Knob ist in 620 Metern Höhe an einem Hang errichtet bzw. in den Hang hineingebaut.
Von der Hangseite aus sieht man dann eine lange, vom Boden bis zur Decke reichende Fensterfront, die eine volle Seite des Living Rooms bildet. Zudem hat das Haus Oberlichter.
Man findet ähnliche Baumaterialien und -elemente vor wie in Fallingwater; vorrangig Zypressenholz, Sandstein und Glas. Stahlbeton gibt es hier allerdings nicht, jedenfalls nicht sichtbar. Ein weiteres Gestaltungsmittel besteht darin, dass es im Haus keine rechten Winkel gibt (oder genauer gesagt: nur zwei, und die muss man erst mal finden). Im Living Room von Kentuck Knob greift der Architekt wiederum zu dem Dreh, die Fensterscheibe an der kurzen Außenseite ohne Rahmen in die Steine der Außenmauer einzulassen.
Wenngleich das Haus deutlich "handhabbarer" ist als Fallingwater, so kommt mir der Living Room doch überdimensioniert vor und ist zu sehr in die Länge gezogen. Die anderen Räume wirken dagegen wiederum eng, dunkel und machen einen vollgestopften Eindruck. Die Küche, mit allem Respekt, wird man als unzweckmäßig in jeder Hinsicht bezeichnen dürfen - die kann nur jemand entworfen haben, der selbst nie gekocht hat.
Die Terrasse geht über in einen am Hang gelegenen Skulpturengarten, in dem man neben interessanten Werken zeitgenössischer Künstler auch folgendes findet:
Hoffentlich sieht nicht versehentlich jemand dieses Monstrum als Kunstwerk an.
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Links:
Homepage Fallingwater
Webcam Fallingwater
Homepage Kentuck Knob
Western Pennsylvania Conservancy
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