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Tuesday, May 13, 2025

Jonas Engelmann: Gesellschaftstanz

 

Sein Interesse gilt den Außenseitern des Musikgeschäfts. Denen widmet sich Jonas Engelmann mit viel Kenntnis und Sympathie. Dabei geht es ihm nie nur um Musik, sondern immer auch um ihre Einordnung in soziale, politische und wirtschaftliche Hintergründe. 

Ein Beispiel gefällig? Ich habe bislang immer geglaubt, in einem Musikstück ein Sample einer anderen Platte unterzubringen, sei eine Art Statement: Das Sample soll wiedererkannt werden und dient so dazu, dass der Künstler X seine Verehrung für den Künstler Y zum Ausdruck bringt, oder -- die spannendere Variante -- sich ein Statement Ys zu eigen macht, im Sinne von: Ich, X, teile das, wofür Y steht.

So war das wohl auch mal. Aber wussten Sie, dass Sampling mittlerweile zu einem blühenden Geschäftszweig geworden ist? Dass es sich für Plattenfirmen mittlerweile lohnt, Leute speziell fürs "Clearing" von Samples zu beschäftigen, um ihren Einsatz rechtlich und kaufmännisch korrekt abzuwickeln? Dass für ein Sample berühmter Künstler, etwa James Brown, Marvin Gaye, Otis Redding oder auch Barry White (richtig, dem "Walrus of Love") fünf- bis sechsstellige Dollarbeträge über den Tisch gereicht werden?

So krass war mir das nicht bekannt. Mir scheint mit dem Sample-Handel inzwischen eine Form der Zweitauswertung entstanden zu sein, die oft schon mehr Umsatz generieren dürfte als der Verkauf der ursprünglichen Platte (wobei das Sampling natürlich auch zur Vermarktung des Originals beiträgt).

Was tut sich da für ein merkwürdiger Widerspruch auf zwischen einerseits einem sozialen oder politischen Anliegen der Künstler und andererseits ungebremstem Kapitalismus? Oder ist es gar kein Widerspruch? Man schätzt da vieles falsch ein. Denn war nicht der ungebremste Kapitalismus schon immer Teil der Szene? Sollte jemand gedacht haben, ein Grandmaster Flash sei mal aus irgendeinem armen New Yorker Schwarzenghetto hervorgegangen, so entspricht das sicherlich dem damals in den Medien vermittelten Image. Weiß man jedoch, dass der Grandmaster schon früh über einen Fairlight verfügte, stellt sich seine soziale Situation doch ein wenig anders dar. Offenkundig gab es einen Riss zwischen dem projizierten Image und der Wirklichkeit. Und was ist heute von gerappten Anklagen, Empörungstexten und der damit angestrebten Street Credibility zu halten, wenn der Rapper (oder sein Produzent) in der Lage ist, Summen wie die obengenannten für ein simples Sample zu zahlen? -- Ein interessanter Aspekt übrigens auch im Hinblick auf aktuellste Entwicklungen der Black Music.

Die weltanschauliche Theorie ist offenkundig das eine, aber wichtig ist aufm Platz. Da sind wir mitten drin in Jonas Engelmanns Themen und Thesen. Seine Positionen sind eindeutig, nicht immer leicht zu schlucken, aber meist wohlbegründet. Er untersucht Felder wie Außenseiter-Jazz (Sun Ra Arkestra, Matana Roberts, June Tyson), HipHop, Avantgarde (John Zorn, Public Enemy u.a.), die politischen Lieder eines Woody Guthrie, ein Konzert (oder sollte man sagen: das Konzert) von Aretha Franklin. 

Alles dies nimmt Engelmann als kulturelle Statements ernst. Er schreibt, wie der Untertitel des Buches verrät, über Klangverhältnisse und Außenseiter-Sounds. Auf 130 Seiten bietet das Bändchen eine Sammlung von insgesamt 19 Artikeln, die zwischen 2012 und 2024 erstveröffentlicht wurden. Ein Blick ins Verzeichnis ihrer Herkunft lässt Rückschlüsse auf ihre Perspektive zu: Neues Deutschland, Jungle World, Freitag, taz, Ventil-Verlag (dessen Co-Verleger Engelmann ist), außerdem ist er Mitherausgeber der testcard-Buchreihe.

Jonas Engelmann geht an die musikalischen Wurzeln, er benennt gesellschaftliche Entstehungshintergründe, er spricht über Rassismus, Queerfeindlichkeit, Praktiken der Musikindustrie, er checkt die Quellen musikalischer Phänomene. Sein Buch ist voller Anregungen, denen nachzugehen sich lohnt (man staunt manchmal, was man im Web mittlerweile alles finden kann, wenn man einmal über die einfache Googlesuche hinausgeht). Und weil er zu argumentieren versteht, macht es Spaß, sich mit seinen Schlüssen auseinanderzusetzen, auch wenn man nicht jeden einzelnen unterschreiben möchte.

Jonas Engelmann:
Gesellschaftstanz -- Klangverhältnisse und Außenseiter-Sounds
Verlag Andreas Reiffer, edition kopfkiosk Bd. 12
Meine 2025
ISBN 978-3-910335-12-7

Thursday, May 8, 2025

Re-viewed

(Scroll down for English translation)

 

Es ist ein eigenartiges Erlebnis, alte DVD-Boxen wiederzuentdecken: Rote Erde war 1983 ein Prestigeprojekt der ARD. Damals war ich von dieser Serie schwer begeistert. Gelingt ihr das auch noch heute, nach mehr als 40 Jahren?

 

Die Bergarbeiter-Saga aus dem Ruhrgebiet, wie sie im Untertitel hieß, besteht aus zwei Staffeln. Zeitlich umfasst die Staffel 1 (hergestellt 1983) den Zeitraum von 1887 bis 1919, Staffel 2 (hergestellt 1990) schließt direkt daran an, von 1920 bis zu den ersten Zechenschließungen 1949. 

Ein genauer Spielort wird nie genannt, aber der Titel ist natürlich eindeutig. Die Serie ist irgendwo im Westfälischen anzusiedeln, zwischen Niederrhein und Weser. Dabei hat der Begriff "rote Erde" weder mit Klassenkampf noch, wie man vielleicht vermuten könnte, mit blutgetränkten Schlachtfeldern zu tun, sondern leitet sich wohl von "gerodeter Erde" ab. Dass man den Titel auch mit der Arbeiterbewegung des Ruhrgebietes in Verbindung bringen kann, liegt allerdings nahe und spielt in der Serie keine geringe Rolle.

Der Set war jedoch anderswo, nämlich auf dem Bavaria-Ateliergelände in München-Geiselgasteig. Dort hat man liebevoll eine Bergarbeitersiedlung nachgebaut -- Häuser, Straßen, Wohnungen, Dachböden mit Taubenschlägen, und auch die Schachtanlage selbst, letztere zu ebener Erde. Damals fiel es mir nicht auf, heute beim zweiten Sehen scheint es mir aber doch, dass es immer dieselben drei Stollen sind, die man sieht. Die wurden allerdings mit Hilfe des Lichts und aller möglichen Kameraperspektiven ziemlich gekonnt ausgereizt.

Die erste Staffel lief damals konkurrenzfrei; es gab noch kein kommerzielles Fernsehen und keine Streamingdienste in Deutschland, Binge-Watching war noch kein Thema.

 

Rote Erde II folgte dann 1990, da musste die Serie bereits gegen etablierte Kommerzsender anfunken. Das merkte man nicht nur optisch, schon die Formate unterschieden sich: Während die erste Staffel in 9 x 60 Minuten präsentiert wurde, kam die zweite in vier spielfilmlangen Teilen. Die sieben Jahre zwischen den Drehdaten und die kommerzielle Konkurrenz machten sich bemerkbar; die Filmsprache der zweiten Staffel war knapper und schneller. 

Aber auch das fällt auf: Geschrieben wurde das Ganze noch nicht von der Belegschaft eines "writer's rooms", sondern von dem versierten Hörspiel- und Drehbuchautor Peter Stripp (mit fachkundiger Beratung u.a. durch das Bochumer Bergbaumuseum), inszeniert hat die Rote Erde der TV- und Theaterregisseur Klaus Emmerich. Beide, Autor und Regisseur, waren damals schon länger im Geschäft. Nichts gegen die Idee des writer's rooms, aber es ist ein Unterschied, ob (wie heute üblich) ein Headautor für die Produktion einer Serie etliche Storyliner einsetzt, die dann Dialoge etc. ausarbeiten (ich war selbst mal so einer), oder ob die Drehbücher von Anfang bis Ende in der Hand eines Autors liegen: Da merkt man deutlich dessen individuelle Handschrift. Für eine Serie wie diese scheint mir die dadurch gewährleistete stilistische Einheitlichkeit klar die bessere Lösung zu sein.

Es spielten prominente Namen: Ralf Richter, Dominic Raacke, Sunnyi Melles, Walter Renneisen, Klaus Wennemann, Jörg Hube, Klaus J. Behrendt, Dominique Horwitz, Nina Petri, der wunderbare alte Rudolf Schündler -- das allein waren schon Empfehlungen. Und man sah eine interessante Neuentdeckung: Claude-Oliver Rudolph. Seltsam: Ich erinnerte noch, dass er mitspielte, hätte aber nicht mehr gewusst, dass er tatsächlich sogar die Hauptrolle spielte: den 17-jährigen polnischen Bauern Bruno Kruska. Von Werbern ins Ruhrgebiet gelockt will er auf der Zeche Siegfried anlegen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was das eigentlich heißt: Bergwerk. Bruno ist eine undurchschaubare Figur, aber er hat seine Grundsätze. Er lebt sich schnell ein, und ebenso schnell wird deutlich, dass er sich auch gegen Widerstand von niemandem vereinnahmen lassen will. Eine sehenswerte Kombination von Eigenschaften. Man lebt und altert vom Beginn der Serie bis zu seinem Tod in der zweiten Staffel mit Bruno mit; er ist Sympathieträger und gleichzeitig ein Typ, mit dem man sich nicht anlegen möchte. In einer bestimmten Situation lässt er sich sogar dazu hinreißen, aus einem Rachemotiv heraus einen Steiger in einen Blindschacht stürzen zu lassen, aus dem sich dieser nicht mehr befreien kann. Konsequenzen hat dieser Mord für Bruno nicht. -- Der Regisseur Dieter Wedel besetzte Rudolph später mehrfach mit brandgefährlichen Schlägertypen, was einerseits authentisch wirkt, aber auch seine schauspielerische Bandbreite eingrenzt.

Und nicht nur mit Bruno Kruska geht es einem so: Man möchte die Protagonisten sympathisch finden, man folgt ihren oft krummen Lebenswegen und Schicksalen, und dennoch bleiben sie merkwürdig fern; man ist gespannt, was sie als nächstes tun, und doch: Man bleibt letztlich doch eher unbeteiligt. 

Die Erzählweise der Serie würden wir heute als "horizontal" bezeichnen, damals gab es diesen Begriff noch nicht. Die Folgen bauen aufeinander auf, ihre Reihenfolge ist zwingend. So verhindern die Kumpel etwa am Ende der ersten Staffel die Sprengung des Förderturms, indem sie das Werk besetzen und sich sogar den aufmarschierenden Soldaten entgegenstellen. Am Ende der zweiten Staffel, im Jahr 1949, wird er dann doch in die Luft gejagt: Sein Einsturz wird den Protagonisten geradezu wie die ungewisse Zukunft selbst vor die Füße geknallt. 

Bemerkenswert ist auch der Dreh, die Nazizeit (an der die Serie natürlich nicht vorbeikommt) nicht als Abstraktum aufarbeiten zu wollen oder einfach nur die üblichen Flaggen wehen oder Naziuniformen durchs Bild laufen zu lassen. Stattdessen wird hier ein Ereignis unmittelbar an eine Person geknüpft: Brunos Sohn Max, der zunächst mit den Nazis sympathisiert, erlebt mit, wie ein wohl etwa 12-jähriger Junge ein Brot klaut, dabei von einem allen bekannten SS-Mann erwischt und vor versammelter Pütt-Belegschaft gehängt wird. Alle stehen da, alle sehen zu, auch Max. Etliche ballen die Fäuste, alle könnten eingreifen, keiner tut es. Dieses Erlebnis lässt Max nicht wieder los und bringt ihn am Ende zu einem Schuldeingeständnis, das ich hier nicht verraten will, das aber noch lange nachhallt.

Unterschiede zwischen damals und heute? Unser Sehverhalten hat sich verändert, und das hat Rückwirkungen auf die Filmgestaltung. Einiges, das mir damals, Anfang der 1980er, nicht mal aufgefallen ist, macht sich beim heutigen Wiederanschauen deutlich bemerkbar: Rote Erde hat erhebliche Längen, manche Szenen wurden endlos ausgewalzt, obwohl man längst begriffen hat, worum es geht. Geburten werden ebenso wie Vergewaltigungen in epischer Breite gezeigt. Viele Charaktere sind, wie schon erwähnt, arg holzschnittartig und müssen mit zwei Eigenschaften und ebensovielen Gesichtsausdrücken auskommen. Vor allem aber wird ständig gebrüllt. Das scheint eine Marotte deutscher Schauspieler und Regisseure seit je zu sein; schon Kurt Tucholsky in den 1920ern hat sich darüber amüsiert, dass deutsche Schauspieler ständig schreien. Auch in Rote Erde wird zu oft Hysterie als Stilprinzip eingesetzt, wird Aufgeregtheit mit Spannung verwechselt. Ebenso nervt es nach einer Weile, dass jeder Kneipenabend in einem sinnlosen Besäufnis mit anschließender Schlägerei endet. Natürlich sollen und müssen in einer Serie wie dieser das Elend der Arbeiter, die soziale Ungerechtigkeit, ihre erzwungene Bildungsferne, ihre meist elende Wohnsituation, die auf Befehl und Gehorsam beruhende Arbeitswelt gezeigt werden -- aber muss man sie wirklich noch zusätzlich vergröbern, indem man die Farbgebung der gesamten Serie grau, bräunlich und trübsinnig gestaltet? Und weil das noch nicht reicht, muss es immer wieder in Strömen regnen.

Dass im übrigen die gesamte Serie ziemlich linksgedreht ist, wird schnell offensichtlich -- typisch dafür ist die fast karikierende Darstellung des von Dominique Raacke gespielten Sozialdemokraten Karl Boetzkes -- ein politisch im Wind schwankendes Fähnchen, keinem Kompromiss abgeneigt. Er wird von Autor und Regisseur bereits als Figur nicht ernstgenommen, während die Bergleute in ihrer politischen Ausrichtung stets ideologisch gefestigt zu sein scheinen. Es ist diese unhinterfragte Selbstverständlichkeit, die hier stört; heute würde man das nicht mehr so machen. Differenziertere Charaktere, wie etwa der Reviersteiger und spätere Stahlwerksbesitzer Rewandowski, sind selten, und auch er bleibt ein merkwürdig einseitiger Typ, der stets latent negativ dargestellt wird, obwohl er -- wie sich bei einem Grubenbrand zeigt -- sofort weiß, wo sein Platz ist: an der Spitze des ersten Rettungstrupps nämlich. Er ist kein angenehmer Typ, aber er bleibt seinen Überzeugungen treu, und als er merkt, dass seine Überzeugungen nicht mehr gefragt sind, zieht er die klassische Konsequenz. Auch der von den Arbeitern respektierte Kaplan (von Jörg Hube gespielt) wird irgendwann einfach versetzt und taucht dann nur noch einmal wieder kurz auf, ohne dass wir je den Grund für seine Versetzung erfahren. Da wäre mehr drin gewesen. 

Über die historische Wahrheit all dieser Darstellungen kann man ohnehin streiten, Rote Erde ist keine Dokumentation und will auch keine sein. Die linke Perspektive der Serie jedenfalls galt damals als progressiv und war bei Produktionen des deutschen Buntfernsehens normal. Damals ist mir das nicht wirklich aufgefallen, heute schon. Wobei, damit das klar ist, gegen Parteinahme und Sympathie nichts einzuwenden ist, aber es wäre sicher auch ein wenig weniger aufdringlich gegangen.

Rote Erde war in gewisser Weise ein Vorläufer von Edgar Reitz' Meisterwerk, der Heimat-Trilogie, deren erste Staffel im Jahr 1984 ins Fernsehen kam. 

 

Beide Projekte haben nicht voneinander abgekupfert; das konnten sie nicht, da sie zum Teil zeitgleich gedreht wurden. Der Vergleich beider Projekte (Heimat hat sich nicht als "Serie" bezeichnet und ist auch keine) ist dennoch naheliegend und erhellend, denn er zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Herangehensweisen waren. Während Stripp/Emmerich sehr auf ein "allgemeines Bild" setzen, auf Atmosphären, die auf der gesamten Serie liegen (um nicht zu sagen: lasten), baut Reitz (der Regisseur und Drehbuchautor war) in seiner Heimat von Anfang an viel stärker auf die Charaktere. Längen gibt es auch in Heimat, aber Reitz hat einen anderen Blick als Emmerich. Und obwohl auch hier die Weltkriege und die Nazizeit nicht ausgelassen werden, gibt es kaum Klischees, keine "Typen", fast alle Figuren sind individuell gedacht, haben ihren eigenen Kopf und eigene Lebensvorstellungen. Auch, wenn man diese nicht unbedingt immer teilt, entstehen doch Wege, Irrwege und sehr lebendige Beziehungen, mit denen man unmittelbar mitfühlt und mitlebt -- ein Effekt, der in Rote Erde praktisch nicht zustandekommt.

Kein kommerzieller Sender würde Serien wie diese beiden je auch nur ins Auge gefasst haben, auch Netflix wohl nicht, obwohl dessen Serienangebot ja zeitweilig ein Ruf wie Donnerhall vorauseilte. (Heute wird man sagen dürfen, dass auch bei Netflix nur mit Wasser gekocht wurde, und inzwischen hat man schon manchmal das Gefühl, dass auch das mittlerweile bereits verdünnt wird.) In den 1980ern waren Projekte wie diese noch möglich. Aber schon die dritte Heimat-Staffel wurde von der ARD regelrecht verhunzt, weil die Verantwortlichen es wichtiger fanden, sie für das Programmschema passend zu machen, statt ihr den Raum zu geben, den sie braucht. So kam es zu dem Effekt, dass nur die DVD-Version die Intentionen des Regisseurs wiedergab, die TV-Ausstrahlung wurde zum Flop. Und das war leider irgendwie sehr typisch.

 

 

Zu guter Letzt: Was mich 1983 vor den Fernseher gelockt hat, in die Rote Erde hineinzuschauen, das war gar nicht der Film, sondern zunächst mal die Musik. Die nämlich war, so hatte ich gelesen, von Irmin Schmidt (den Lesern dieses Blogs muss ich sicher nicht erklären, wer das ist). Es war diese wunderbar melancholische  Titelmusik, die mich sofort erwischt und zum Dranbleiben animiert hat. Sie hat nichts von ihrem Reiz eingebüßt. 

Irmin Schmidt, behaupte ich mal, gehört zu den besten Filmkomponisten im deutschen Sprachraum; er arbeitete auch vor dieser Serie bereits an anderen Serien mit Klaus Emmerich zusammen. (Einen Kommentar von Emmerich findet man in dem Buch "All Gates Open -- The Story of Can" von Rob Young auf Seite 531.) Mit seiner Filmmusikarbeit hielt Schmidt nicht zuletzt auch seine Gruppe CAN über Wasser. An seiner Musik zu den Rote-Erde-Staffeln wirkten damals klingende Namen wie Michael Karoli, John Marshall, Max Lässer, Gerd Dudek, David Johnson und Manfred Schoof mit; es gab den Soundtrack damals, in der Prä-CD-Ära, als LP. Zum Glück habe ich die noch; der Score ist später weder als CD noch in den Streamingdiensten vollständig wiederveröffentlicht worden; lediglich Schmidts erste Filmmusik-Anthologie enthält ein paar Titel. Was sehr schade ist, denn einige der Musiken gehen auch ohne die dazugehörigen Bilder unter die Haut -- etwa die "Trauermusik" aus der ersten Staffel, oder "Es geht ein Schnitter" aus der zweiten: Michael Karoli überlagert in letzterem ein sehr moll-lastiges E-Piano- und Geigenmotiv mit einer langen Gitarrenrückkopplung, die einem buchstäblich die Seele zerschneidet. Dabei gehört schon die Titelmusik zu jener Sorte von Musiken, mit denen man morgens aufwacht, ohne zu wissen, wo sie herkommt. Schmidt findet in seinen Musiken eine perfekte Balance zwischen dem zur fiktionalen Zeit des Films vorhandenen einfachen Instrumentarium und moderner heutiger Elektronik und Verfremdungseffekten. So wird die Musik glaubwürdig, ohne in falsche Volkstümlichkeit zu fallen.

Um die Eingangsfrage zu beantworten, ob es sich lohnt, sich die Serie heute noch anzuschauen: Ja, eindeutig ja, trotz aller Einwände und Relativierungen. Man muss übrigens die DVD-Boxen gar nicht kaufen -- alle Rote-Erde-Folgen stehen hier auf Youtube.

 

*

 

It's a strange experience rediscovering old DVD box sets: "Rote Erde" was a prestige project of the ARD (Germany's public TV) in 1983. I was absolutely thrilled by this series back then. How does ist look today, more than 40 years later? 

 

Rote Erde ("Red Earth"), the miners' saga from the Ruhr region, as it was subtitled, consists of two seasons. Season 1 (produced in 1983) covers the period from 1887 to 1919, while Season 2 (produced in 1990) follows directly on from that, from 1920 until the first mine closures in 1949.

The exact setting is never specified, but the title is, of course, talking. The series has to be set somewhere in Westphalia, between the Lower Rhine and the River Weser. The term "red earth" has nothing to do with class struggle or, as one might suspect, with blood-soaked battlefields, but is probably derived from "gerodete Erde" (cleared earth"). That the title could also be associated with the labor movement in the Ruhr region is obvious, and plays a significant role in the series.

The set, however, was elsewhere, namely on the Bavaria studio grounds in Munich-Geiselgasteig. There, they lovingly recreated a mining settlement—houses, streets, apartments, attics with dovecotes, and even the mine itself, the latter at ground level. I didn't notice it at the time, but now, on second viewing, it seems to me that the three tunnels are always the same. However, they were quite skillfully exploited with the help of lighting and lots of different camera angles.

The first season ran without competition back then; there was no commercial television in Germany (that came not before 1984) and of course no streaming service, and binge-watching wasn't yet a thing.

 

Rote Erde II followed in 1990, by which time the series was already competing with some established commercial broadcasters. This was noticeable not only visually, but also in the formats: While the first season was presented in nine parts with a duration of 60 minutes, the second season came in four feature-length parts. The seven years between filming dates and the commercial competition were noticeable; the film language of the second season was more concise and faster.

But also this is noticeable: the entire series was not yet written by the staff of a "writer's room," but by the experienced radio play and screenwriter Peter Stripp (with expert advice from, among others, the Bochum Mining Museum), and Rote Erde was directed by TV and theater director Klaus Emmerich. Both writer and director had already been in the business for some time. Nothing to say against the idea of ​​a writer's room, but there's a difference between a head writer utilizing several storyliners for the production of a series (as is common today), who then develop dialogue, and so on (I was one of those guys myself once for a daily soap), and a writer's script from start to finish: You can clearly see their individual style. For my taste, a series like this needs the stylistic consistency of one writer.

Prominent German names were cast: Ralf Richter, Dominic Raacke, Sunnyi Melles, Walter Renneisen, Klaus Wennemann, Jörg Hube, Klaus J Behrendt, Dominique Horwitz, Nina Petri, and the wonderful old Rudolf Schündler—those alone were recommendations. And there was an interesting new discovery: Claude-Oliver Rudolph. Strange: I remembered that he was in the cast, but I completely forgot that he actually played the lead role: the 17-year-old Polish farmer Bruno Kruska. Lured to the Ruhr region by recruiters, he wants to work at the Siegfried coal mining plant without having any idea what that actually means: a mine. Bruno is an inscrutable figure, but he has his principles. He settles in quickly, and it becomes clear just as quickly that he is unwilling to be taken in by anyone, even in the face of resistance. This is a combination of characteristics worth seeing. You live and age with Bruno from the beginning of the series until his death in the second season; he is a sympathetic figure and at the same time a guy you don't want to mess with. In one situation, he even allows himself to be carried away, out of revenge, by having an overman fall into a staple pit from which he can't escape. This is murder, but has no consequences for Bruno. -- TV director Dieter Wedel later cast Rudolph several times with extremely dangerous thugs, which on the one hand seems authentic, but also limits his acting range.

It's not just Bruno Kruska who gives you a strange feeling. You want to sympathize with the protagonists, you follow their often twisted lives and fates, and yet they remain strangely distant; you're curious to see what they'll do next, and yet ultimately you remain rather uninvolved.

We would describe the series' narrative style today as "horizontal," but back then, that term didn't exist. The episodes build on each other, their order is imperative. For example, at the end of the first season, the miners prevent the mine headframe from being blown up by occupying the mine and even confronting the approaching soldiers. At the end of the second season, in 1949, it is blown up after all: its collapse is thrown at the protagonists' feet like the uncertain future itself.

Also remarkable is the twist of not wanting to treat the Nazi era (which the series, of course, cannot avoid) as an abstraction, or simply letting the usual swastica flags fly or Nazi uniforms parade across the screen. Instead, one event is directly linked to one person: Bruno's son Max, who initially sympathizes with the Nazis, witnesses a boy, probably around 12 years old, stealing a loaf of bread, being caught by a well-known SS man and hanged in front of the assembled pit workers. Everyone stands there, everyone watches, including Max. Several clench their fists; everyone could intervene, but no one does. This experience sticks with Max and ultimately leads him to an admission of guilt, which I won't reveal here, but which will resonate for a long time.

Differences between then and now? Our viewing habits have changed, and this has repercussions for filmmaking. Some things that I didn't even notice back then, in the early 1980s, are clearly noticeable when I rewatch it today: Rote Erde is considerably long, some scenes were drawn out endlessly, even though you've long since understood what they're about. Births, like rapes, are depicted on an epic scale. Many characters, as already mentioned, are very simplistic and have to make do with two characteristics and just as many facial expressions. Above all, there's constant shouting. This seems to have been a quirk of German actors and directors since times immemorial; even Kurt Tucholsky in the 1920s was amused by the fact that German actors were constantly shouting. In Rote Erde, too, hysteria is too often used as a stylistic principle, confusing excitement with suspense. It also becomes annoying after a while that every night at the bar ends in a senseless drunken bout followed by a brawl. Of course, a series like this should and must depict the misery of the workers, the social injustice, their enforced lack of education, their mostly miserable living conditions, and the working world based on command and obedience—but do they really need to be further exaggerated by making the entire series' color scheme gray, brownish, and gloomy? And because that's not enough, it has to rain heavily again and again.

It quickly becomes apparent that the entire series is quite left-leaning – typical of this is the almost caricatured portrayal of the Social Democrat Karl Boetzkes, played by Dominique Raacke – a politically swaying flag, never averse to compromise. He is not taken seriously as a character by the writer and director, while the miners always seem ideologically entrenched in their political leanings. It is this unquestioned matter-of-factness that is disturbing here; one would not do it this way today anymore. More nuanced characters, such as the district overman and later steel mill owner Rewandowski, are rare, but even he, too, remains a strangely one-sided character, always portrayed in a latently negative way, even though – as becomes apparent during a mine fire – he immediately knows his place: at the head of the first rescue team. He is not a pleasant character, but he remains true to his convictions, and when he realizes that his convictions are no longer in demand, he draws the classic conclusion. Even the chaplain (played by Jörg Hube), who is respected by the workers, is simply transferred to another village at some point and then reappears only briefly, without us ever learning the reason for his transfer. This could have been a bit more clearly.

The historical truth of all these depictions is debatable anyway; Rote Erde is not a documentary and doesn't intend to be one. In any case, the series' left-wing perspective was considered progressive in the early 1980s, it was standard for German television productions. I didn't really notice it back then, but I do now. Although, to be clear, there's nothing wrong with partisanship and sympathy, it certainly could have been a little less intrusive.

Rote Erde was, in a sense, a precursor to Edgar Reitz's masterpiece, the Heimat trilogy, the first season of which aired in 1984.



The two projects didn't copy each other; they couldn't have, as they were partly filmed concurrently. Comparing the two projects (Heimat didn't call itself a "series" and rightly so) is nevertheless obvious and illuminating, as it clearly shows how different the approaches were. While Stripp/Emmerich rely heavily on a "general picture," on atmospheres that permeate (not to say weigh on) the entire series, Edgar Reitz (who was both director and screenwriter) relies much more on the characters in Heimat from the very beginning. There are also some long stretches in Heimat, but Reitz has a different perspective than Emmerich. And although the world wars and the Nazi era can't be omitted here too, there are hardly any clichés, no "types"; almost all of the characters are conceived individually, with their own minds and their own ideas about life. Even if you don't necessarily always share these ideas, paths, wrong turns, and very lively relationships emerge that you immediately empathize with them and experience – an effect that is practically nonexistent in Rote Erde.

No commercial broadcaster would ever have even considered series like these two, not even Netflix, although its series offerings had a reputation like thunder a couple of years ago. (Seen from now, one might say that even Netflix was just cooking with water, and now one sometimes gets the feeling that even that has been thinned down.) In the 1980s, projects like these were still possible. But the third season of Heimat (2002/2003) was already completely botched by ARD because those in charge considered it more important to make it fit the programming schedule than to give it the space it needed. The result was that only the DVD version reflected the director's intentions, and the TV broadcast was a flop. And that, unfortunately, was very typical. 


Last but not least: What lured me to the television in 1983 to watch Rote Erde wasn't the film at all, it was the music. It was, I had read, composed by Irmin Schmidt (I certainly don't need to explain who that is to the readers of this blog). It was this wonderfully melancholic title music that immediately grabbed me and made me want to stay tuned. It hasn't lost any of its charm.

Irmin Schmidt, I daresay, is one of the best film composers in the German-speaking world; he had already worked with Klaus Emmerich on other series before this one. (A commentary by Emmerich can be found in the book "All Gates Open -- The Story of Can" by Rob Young on page 531.) With his film music work, Schmidt also kept his group CAN afloat. His music for the Rote Erde seasons featured prominent names like Michael Karoli, John Marshall, Max Lässer, Gerd Dudek, David Johnson, and Manfred Schoof. Back then, in the pre-CD era, the soundtrack was available on LP. Luckily, I still have it; the score was never re-released in its entirety either on CD or on streaming services; only Schmidt's first film music anthology contains a few tracks. Which is a shame, because some of the music gets under your skin even without the accompanying images—such as "Trauermusik" (Funeral Music) from the first season, or "Es geht ein Schnitter" (There Goes a Reaper) from the second. In the latter, Michael Karoli overlays a very minor-key electric piano and violin motif with a long guitar feedback that literally rips through your soul. And yet the title track itself is the kind of music you wake up to in the morning without knowing where it came from. In his music, Schmidt finds a perfect balance between the simple instrumentation available in the film's fictional time period and contemporary electronics and alienation effects. This makes the music credible without falling into false folksy territory.

To answer the initial question of whether the series is still worth watching today: Yes, definitely yes, despite all the objections and qualifications. And as it happens, you don't even have to buy the DVD box sets - all Rote Erde episodes are available here on YouTube (but no english subtitles -- sorry!). 

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Sunday, May 4, 2025

A Brief History of New Music

 

 
 
Hans Ulrich Obrist is a Swiss critic and curator, since 2026 at Serpentine Gallery, London. His first contact to the world of arts happened when he visited Swiss artists Fischli & Weiss at their studio when they were busy with their now famous video Der Lauf der Dinge. Later he met Gerhard Richter in his studio and traveled through Europe from interview to interview for around six years, in 1993 he started the arts association "museum in progress". Since then there was probably no artist of relevance he didn't talk to.
 
Composers and musicians have always been part of it. He recorded nearly 2000 hours of interviews; he called this project "an endless conversation". 
 
This book, A Brief History of New Music from 2015, contains a sort of "best of" from those interviews. Partitioned into sections "Avant-Garde Composers", "The Birth of Electroacoustic Music", "Minimalism & Fluxus" and "Modern Masters" there are 17 interviews, among them Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez, Iannis Xenakis, Robert Ashley, Pauline Oliveros, Terry Riley, Steve Reich, Yoko Ono, Brian Eno, Ralf Hütter and Caetano Veloso.
 
Every single one of these interviews is carefully prepared; Obrist knows what the interviewees did, he knows about their background, and he knows what to ask them. But he also knows when it's better to let them talk, which sometimes can lead to highly interesting statements nobody could have planned before. Some of the interviews -- especially the ones with Stockhausen and Reich -- are extremely interesting and concentrated (I used a lot of the Stockhausen interview here), Brian Eno has some interesting things to say about songwriting, Steve Reich's tape compositions and their influence on his own Music for Airports, some other interviews are a little bit so-so, sometimes -- like with Arto Lindsey -- one gets the impression that this guy is in a bad mood or not willing to talk much. Kraftwerk's Ralf Hütter says exactly what he wants to say and not a syllable more, in the end he comes up for the umpteenth time with his fairytale of 168 weekly working hours at their studio. (But to be fair: What he's talking about is in fact the phenomenon that a creative artist has always something going around in his head about projects, may it be in the foreground, may it be on the second track, but it never stops, it's always there.) And as Obrist knows this phenomenon, his most-asked question is: "What project are you working on currently, and are there any projects you would like to do and couldn't realize yet?" The answers to this question are usually the most interesting ones. 

Of course the interviews are edited, but anyways, reading "spoken word" can sometimes be a bit stressful. But it's worth the effort. My only complaint: The introductions to the interviews are printed in a nearly unreadable small face. As there is no lack of space, this is simply annoying.
 
Hans  Ulrich Obrist:
A Brief History of New Music
JRP/Ringier Kunstverlag, Zürich 2015
ISBN 978-3-03764-190-3
Book in English language, 300 pages
 
 

Saturday, May 3, 2025

Klaus Schulze: Bon Voyage

(English translation: please scroll down)

Dass uns Klaus Schulze verlassen hat, ist nun auch schon wieder drei Jahre her. Auf Neuerscheinungen mussten die Fans dennoch nicht lange warten, und produktiv, wie er war, ist anzunehmen, dass noch manches folgen wird.

Ich meine mich zu erinnern, Schulze dreimal live gesehen zu haben: Erstmals 1977 im Hamburger Audimax, damals noch mit dem Big Moog auf der Bühne, gerade stand sein Jubiläumsalbum X. vor der Tür, für das überall im Audimax kleine Werbeaufkleber herumflogen. Ich erinnere das Konzert als atmosphärisch stark. Das zweite Mal war 1981 ebenda, mit dem Gitarristen Manuel Göttsching und erstmals mit dem damals neuen GDS-Computer. Und dann war da noch ein drittes Konzert, diesmal in der Fabrik mit einem Fairlight und dem Gast Rainer Bloss, der inzwischen den GDS übernommen hatte; es müsste wohl 1985 gewesen sein. Mir in Erinnerung vor allem wegen des Vorhangs, der sich mehrere Minuten lang nicht öffnen wollte. Relativ aktuell war da noch das Live-Album Dziekuje Poland, eingespielt von eben diesem Duo.

Mit Deus Arrakis hatte Klaus Schulze ein verdammt starkes letztes Album hinterlassen, danach veröffentlichten seine Erben noch die Filmmusik 101, Milky Way aus dem mir nicht bekannten Film "Hacker". Nun haben die Erben erneut ins Archiv gegriffen und den Mitschnitt des Audimax-Konzertes von 1981 ausgegraben: Bon Voyage heißt das gute Stück, zwei CDs und eine DVD.

 

Ich habe damals nicht mal bemerkt, dass das Konzert gefilmt wurde, und tatsächlich war das Video eigentlich nur dazu gedacht, den beiden Musikern einen Eindruck zu vermitteln, wie sie auf der Bühne aussahen. So muss man die DVD denn wohl auch sehen: als eine Erinnerung an den Auftritt, qualitativ ist es weder technisch noch in der Bildführung besonders gelungen. Auch der Ton ist eher mäßig, aber das macht nichts, denn dafür sind ja die CDs (bzw. die Doppel-LP) da, und an deren Qualität gibt es nichts zu bemängeln. Dazu gibt es ein gut gemachtes Booklet mit bis dahin unveröffentlichten Fotos und Liner Notes von Claus Cordes in deutsch und englisch. Wer das alles nicht braucht: Den Ton gibt es auch bereits auf den üblichen Streamingdiensten.

Es ist ein bisschen dreist, dass nur Klaus Schulze auf dem Cover genannt wird, denn tatsächlich stand die gesamte Zeit hindurch auch Manuel Göttsching mit seiner Gitarre auf der Bühne. Dass er ein exzellenter Gitarrist war, muss nicht extra betont werden. Leider nutzt er das Instrument fast ausschließlich zum Ansteuern eines Gitarren-Synthesizers. Diese Geräte waren damals noch sehr schwer zu bändigen; mir fallen auch nur zwei Gitarristen ein, die das wirklich draufhatten: Steve Hillage und Pat Metheny, und irgendwie kommt mir Manuel hier ein bisschen in den Hintergrund gemischt vor -- mehr, als er es eigentlich verdient gehabt hätte. 

Klaus Schulze war nie ein großer Tastendompteur, das zeigt sich nicht zuletzt im Video sehr deutlich. Sein Talent bestand vielmehr darin, sich sehr effektiv die Technik zunutze zu machen, um einen eigenen, unverwechselbaren Stil zu entwickeln. Den hatte er schon recht früh ziemlich exklusiv, und er wich davon auch kaum je ab. 

Musikalisch fiel das hier vorliegende Konzert in die Zeit der Alben Dig It und Trancefer. Das war die Zeit, in der Schulze vom analogen zum digitalen Equipment wechselte, und das ist unüberhörbar. Der GDS-Computer der italienischen Firma Crumar beherrscht die Szene. Ein großer Erfolg war dieser Kiste nicht beschieden; meines Wissens sind nicht mehr als zehn dieser Geräte gebaut worden (andere Besitzer waren Wendy Carlos und Chris Franke). Statt der bis dahin gewohnten warmen Analogklänge hörte man nun kühle Digitalsounds. Das war gewöhnungsbedürftig, und es ist offensichtlich, dass Schulze den Computer noch nicht wirklich auszureizen verstand. Das ganze Konzert bewegt sich in durchgehend hohem Tempo, und immer wieder grüßen die beiden obengenannten Alben durch, streckenweise, wenn mich nicht alles täuscht, sogar inklusive der von Michael Shrieve für Trancefer eingespielten Percussion, die hier als Sample mitläuft. Tatsächlich ist Trancefer für mein Gefühl eines von Schulzes besten Werken, aber so richtig überträgt sich dessen Stimmung nicht auf die Bühne.

Anyway, wer Klaus Schulze nie live gesehen hat, kann das hier nachholen. Das ganze Set kostet gerade mal 16 Dollar, da kann man wirklich nicht viel falsch machen.

 

 

It's been three years now since Klaus Schulze left us. Fans didn't have to wait long for new releases, though, and given his prolific nature, it's safe to assume there's more to come.

I seem to remember seeing Schulze three times on stage: The first time was in 1977 in Hamburg's Audimax, back then still with the Big Moog on stage. His anniversary album X. was just about to be released, and little promotional stickers were flying all around at the Audimax. The concert had a strong, captivating atmosphere. The second time was in 1981, at the same place, with guitarist Manuel Göttsching and, for the first time, with the then-new GDS computer. And then there was a third concert, this time at the Fabrik with a Fairlight and guest Rainer Bloss, who had since taken over the GDS; it must have been in 1985. I remember it mainly because of the curtain that wouldn't open for several minutes. Relatively recent was the live album Dziekuje Poland, recorded by this very duo.

Klaus Schulze left behind a pretty strong final album with Deus Arrakis, after which his heirs released the film score 101, Milky Way from the film "Hacker," which I didn't see. And now the heirs have delved into the archives again and unearthed the recording of the 1981 Audimax concert mentioned above: Bon Voyage is the title of this fine piece, two CDs and a DVD.
 
At that evening, I didn't even notice that the concert was being filmed, and in fact, the video was actually only intended to give the two musicians an impression of what they looked like on stage. That's probably how you should view the DVD: as a memento of the performance; it's not particularly good in terms of quality, neither technically nor in terms of cinematography. The sound is also rather mediocre, but that doesn't matter, because that's what the CDs (or rather the double LP) are for, and there's nothing to criticize about their quality. There's also a well-made booklet with previously unpublished photos and liner notes by Claus Cordes in German and English. If you don't need all that, the audio is already available on the usual streaming services.

It's a bit cheeky that only Klaus Schulze is mentioned on the cover, because Manuel Göttsching was actually on stage with his guitar the entire time. It goes without saying that he was an excellent guitarist. Unfortunately, he uses the instrument almost exclusively to control a guitar synthesizer. These devices were still very difficult to tame back then; I can only think of two guitarists who were truly adept at this: Steve Hillage and Pat Metheny. Somehow Manuel seems a bit relegated to the background here—more than he actually deserves.

Klaus Schulze was never a great keyboard tamer, as is clearly evident in the video. His talent lay rather in his ability to use technology very effectively to develop his own, unmistakable style. He had this style quite exclusively from his earliest albums, and he rarely deviated from it.

Musically, this concert took place during the era of the albums Dig It and Trancefer. This was the time when Schulze switched from analog to digital equipment, and this is unmistakable. The GDS computer from the Italian company Crumar dominates the scene. This machine wasn't destined to be a great success; to my knowledge, no more than ten of these devices were ever built (other owners were Wendy Carlos and Chris Franke). Instead of the warm analog sounds we were used to, we now heard cool digital sounds. This took some getting used to, and it's obvious that Schulze hadn't yet fully grasped the computer's capabilities. The entire concert moves at a consistently high tempo, and the two aforementioned albums echo through and through, at times, if I'm not mistaken, even including the percussion recorded by Michael Shrieve for Trancefer, which is included here as a sample. In fact, I think that Trancefer is one of Schulze's best works, but its atmosphere didn't really translate to the stage on this evening.

Anyway, if you've never seen Klaus Schulze live, you can catch up here. The whole set costs just $16, so you really can't go wrong. 
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