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Thursday, November 6, 2025

Buddenbrooks & Co.

(Scroll down for english version) 

Sagt einem Thomas Mann heute noch etwas? Soll man diese alten Kamellen wirklich noch lesen? 

Die Weimarer Zeit und besonders ihre Kabarettszene interessiert mich seit je, damals wie heute. Neben Altmeister Tucholsky war Klaus Mann einer der wichtigen Impulsgeber. Seinen Roman "Mephisto", 1936 im Exil geschrieben, musste ich schon der Verfilmung von 1981 wegen lesen (Regie: István Szabó; Oscar für "Best Foreign-Language Film"; Brandauer spielte darin wie immer Brandauer). In den Cafés rund um die Uni war der Film ein Dauerthema, den wir immer wieder diskutiert haben -- da der Roman ja als "Schlüsselroman" galt, erzeugte er jede Menge "Wer-ist-wer?"-Spekulationen, und man stieß auf Namen, die kaum noch jemand unterzubringen wusste. Ich, als an Kabarettgeschichte Interessierter, kannte etliche der Namen. Über die historischen Unebenheiten des Romans sahen wir damals großzügig hinweg; ein lesenswertes Buch über einen Karrieristen, der sich selbst in die Falle geht, ist "Mephisto" allemal.

Und da ich dann schon bei Klaus Mann war, mussten "Treffpunkt im Unendlichen" und "Der Wendepunkt" folgen; letzteres Buch ist unverzichtbare Lektüre, wenn man sich für die politische und gesellschaftliche Situation der Ära interessiert -- es ist erschreckend aktuell, aber weniger klatschsüchtig als Florian Illies (dem es in seinen Büchern wohl mehr auf den Unterhaltungsfaktor ankommt). 

Mit Klaus war ich dann schon mal im Kraftfeld der Mann-Familie. Man kommt schwer heraus, wenn man mal drin ist. Denn auch "Der Untertan" von Heinrich Mann erwies sich als fesselnde Entdeckung -- und das, obwohl wir den auch schon Jahre vorher im Deutschunterricht besprochen hatten. Aber da kam es wie meist in solchen Fällen: Literaturexegesen im Schulunterricht sind eine ziemlich sichere Methode, einem auch die besten Werke zu vermiesen. Die Wiederentdeckung jedoch belehrte mich eines Besseren: "Der Untertan" ist eine großartige Geschichte. (Es gibt auch eine meisterliche Verfilmung von 1951 in der Regie von Wolfgang Staudte.)

Und so bin ich dann letzten Endes auch auf den Herrn Papa selbst gestoßen -- keine Ahnung, in der wievielten Auflage dieses Werk von 1901 inzwischen erschienen ist, aber dies hier ist die Taschenbuchausgabe, die ich noch immer im Regal habe:

 

Auch diesen Roman muss ich als Student zu lesen begonnen haben. Da bin ich mir ziemlich sicher, denn ich kann mich daran erinnern, dass es mir auf die Nerven ging, wie Thomas Mann jeden Kerzenhalter und jeden Kniff in jedem Sofakissen bis hinein in winzigste Details beschreibt. Ob ich die 759 Seiten damals bis zu Ende durchgelesen habe? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht mehr.

Nun wollte aber der Zufall, dass ich vor einiger Zeit anlässlich Thomas Manns 150. Geburtstag in der ARD-Mediathek auf den Dreiteiler Die Manns -- Ein Jahrhundertroman (2001, Trailer) von Heinrich Breloer und Horst Königstein stieß. Wie diese beiden das auch in anderen Produktionen schon gemacht hatten, kombinieren sie in dieser (wie man heute sagen würde) "Miniserie" nachgespielte, manchmal auch fiktionale, Szenen mit Originaldokumenten aus dem Leben der erweiterten Mann-Familie. Da kommen sie alle vor, Thomas, Klaus, Heinrich, Erika, Golo, Katia, Monika, Elisabeth, Frido, die Pringsheims, Gustaf Gründgens (alias Mephisto), kurz: der ganze Clan, das Ganze in exzellenter Besetzung, und ein spannendes Stück Zeitgeschichte sowieso.

Dies wiederum brachte mich zu "Deutsche Hörer!", der von Mely Kiyak herausgegebenen vollständigen Sammlung der Radioansprachen, die Thomas Mann ab 1941 von Los Angeles aus via BBC nach Deutschland schickte.

 

Unbedingt lesenswert. Man staunt, mit welcher Wucht, mit welcher Präzision und gleichzeitig mit welcher Hellsichtigkeit Thomas Mann die Naziherrschaft zersägt. Da bleibt kein Stein auf dem anderen. (Heißer Tipp nur: das Ganze nicht in einem Rutsch durchlesen, sondern eine Ansprache pro Tag.)

Thomas Mann also doch. Aber noch hatte ich die unendlich vielen, nervenden Kniffe in den Sofakissen nicht vergessen. Waren die nicht immer noch im Weg?

Es kommt darauf an, wie man die Geschichte liest. Diesmal habe ich "Buddenbrooks" wirklich von der ersten bis zur letzten Seite gelesen, und nach anfänglicher Widerborstigkeit der Story bin ich zunehmend in ihr versunken. Der Untertitel "Verfall einer Familie" zeigt, was zu erwarten steht: Es geht um eine zunächst wohlhabende Lübecker Kaufmannsfamilie und ihren sich über vier Generationen hinziehenden Untergang, beginnend 1835, bis die Geschichte 1877 in Pleite, Krankheit und Tod endet. Thomas Mann schrieb vier Jahre an dem Buch. Er kannte das Milieu, über das er spricht. Natürlich ist es keine Dokumentation, aber etliche der Personen haben reale Vorbilder; in Teilaspekten der Figur Hanno taucht Thomas Mann sogar selbst auf.

Die mir vorliegende Fassung folgt in Rechtschreibung und Grammatik den Regeln des Jahres 1901, und auch, wenn dies anfangs ein wenig irritiert, erweist es sich letztlich doch als richtig. 

Auch ohne den Untertitel ahnt man recht bald, dass hier keine Erfolgsgeschichte erzählt wird. An der Oberfläche erfährt man eine Menge über die Lebensverhältnisse der Menschen jener Jahre, man lernt ihre Gewohnheiten, ihre Schicksale, ihr Handeln, ihre (meist kleinen) Erfolge kennen, ebenso auch ihr Versagen im Rahmen der Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung standen. Thomas Mann beschreibt sie ebenso liebevoll wie meisterlich; nach einer Weile meint man sogar ihre Stimmen zu hören. 

Liest man die Marotten, mit denen Thomas Mann seine Akteure ausstattet, hat man manchmal schon fast den Eindruck, ein modernes Drehbuch zu lesen: Er beherrschte schon damals die Tricks, seine Personen leitmotivisch wiedererkennbar zu machen, sei es durch Dialekte ("Ick heww da nu 'naug von!"), bestimmte Redewendungen (" ... sei glöcklich, du gutes Kend", zu welchet stets auch ein "knallender Kuss auf die Stirn" appliziert wird. So wird jede Figur mit individuellen Gewohnheiten oder Eigenarten ihres Auftretens ausgestattet, etwa Antonie (Tony), die bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten immer wieder ihr Beharren darauf zur Schau stellt, "kein dummes Ding mehr" zu sein und zu wissen, was sie "vom Leben zu halten" habe. Die geradezu satirische Schilderung einer Lübecker Ratsversammlung könnte aus dem heutigen Bundestag stammen. Und doch fehlt jede Häme; Mann macht sich über keinen seiner Charaktere lustig, immer lässt er ihnen einen letzten Rest Würde.  

Thomas Mann bedient die volle Bandbreite zwischen hochkomischen und todtraurigen Ereignissen, Erfolgen und Fehlschlägen; sein Gespür für das richtige Timing ist bewundernswert. Die meisten der geschilderten Ereignisse kann man herannahen sehen, ihre unvermeidlichen Konsequenzen folgen dann glashart, und der Autor geht mit seinen Charakteren alles andere als schonend um. Allerdings auch nicht mit dem Leser -- insbesondere seine Schilderungen von Krankheits- oder Todesfällen gehen nicht selten bis an den Rand des Erträglichen.

Das heißt nicht, dass es keine Schwerpunkte gibt. Thomas Mann hat auch Lieblinge, denen er größere Aufmerksamkeit widmet als anderen -- Tony sei als Beispiel genannt, ebenso das verhinderte musikalische Wunderkind Hanno Buddenbrook, an dessen Beispiel Mann in einer Art Exkurs das elende Schulsystem der damaligen Zeit schildert. (Tatsächlich spricht Thomas Mann in diesen Abschnitten offenkundig über seine eigene Schulzeit, die purer Horror gewesen sein muss. Diese fallen ein wenig aus dem Rahmen der Handlung, und doch kann man diese Episoden nicht weglassen, ohne dass der Geschichte ein wichtiger Farbton fehlen würde.) 

Aber dies alles ist eigentlich noch nicht das Entscheidende; es ist nicht das, was diesen Roman und seinen Autor so herausragend macht. Thomas Mann geht es in seinem Schreiben nicht primär darum, wie man heute sagen würde, "Content" zu liefern. Das tut er mit seinem breiten Bildungsspektrum sowieso, ganz nebenbei.

Das Geheimnis liegt in Thomas Manns Schreibstil und der Art, wie er einem Architekten gleich einen Bauplan verfolgt. Ich habe während des Lesens zunehmend an den Aufbau einer Mahler- oder Bruckner-Sinfonie denken müssen. Da könnte man leicht versucht sein, zu sagen: Das hättste auch einfacher haben können, zum Beispiel als Klaviersonate oder als Streichquartett. Aber es geht eben nicht nur darum, ein paar Melodien passend zusammenzustellen, sondern eine Sinfonie arbeitet Leitmotive, Melodien, Stimmen, Variationen, Klangfarben, Tempi und Dynamikabstufungen aus bis in die letzte Verzweigung. Erst aus diesem Zusammenspiel ergibt sich das Gesamtbild. Nichts darf fehlen, auch wenn man den Sinn vielleicht nicht sofort erkennt. 

Eine Sinfonie in dieser Weise zu hören erfordert geistige Mitarbeit, aber die zahlt sich aus. Auf das Tempo und den langen Atem der "Buddenbrooks" muss man sich einlassen wollen. Die Zeit muss man sich nehmen. Diese Geschichte ist ein sinfonisches Gesamtkunstwerk; jeder Satz hat hier seine Bedeutung und seinen Sinn, aber er erschließt sich erst in der Gesamtschau. "Buddenbrooks" ist ein klingender Kosmos.

Man ist das heute vielleicht nicht mehr gewohnt. Ein Grund mehr, in diese Geschichte einzutauchen. Man kommt als veränderter Leser wieder heraus.

 

 

Does Thomas Mann still mean anything to anyone today? Should we really still be reading these old chestnuts?

The Weimar era, and especially its cabaret scene, has always fascinated me. Alongside the old master Tucholsky, Klaus Mann was one of my triggers. I had to read his novel "Mephisto," written in exile in 1936, because of the 1981 film adaptation (directed by István Szabó; Oscar for Best Foreign Language Film; Brandauer played Brandauer, as always). "Mephisto" is about Gustaf Gründgens, a personal friend of Klaus Mann and a very famous actor in Germany; he became a legend for his role as Mephisto in Goethe's "Faust", which finally made him a favorite of the Nazis. During my university time, film and book were constant topics of discussion at the cafeteria—since the novel was considered a "roman à clef," it generated a lot of "who's who?" speculation, and we stumbled across names that hardly anyone recognized anymore. As the history of cabaret was always a point of interest for me, I knew many of them. Back then, we generously overlooked the historical inaccuracies of the story, but "Mephisto" is certainly a worthwhile book about a careerist who traps himself.

 

And since I was already on the subject of Klaus Mann, "Treffpunkt im Unendlichen" ("Meeting Place at Infinity") and "Der Wendepunkt" ("The Turning Point") had to follow; the latter is essential reading for anyone interested in the political and social situation of the era—it's frighteningly relevant, but less gossipy than Florian Illies's recent works (who seems to prioritize the entertaining aspects of the Weimar era in his books).

With Klaus, I was already immersed in the Mann family's sphere of influence. It's hard to get out once you're in. Heinrich Mann's "Der Unteran" ("The Loyal Subject") also proved to be a captivating discovery—even though we had discussed it years before in German class. But as is often the case, literary analysis in school is a pretty surefire way to ruin even the best works. The rediscovery, however, proved me wrong: "The Loyal Subject" is a magnificent story. (There's also a masterful film adaptation from 1951 directed by Wolfgang Staudte.)

And that's how I finally came across the man himself—I have no idea what edition this 1901 work is in by now, but this is the paperback edition I still have on my shelf:

 

I must have started reading this novel as a student. I'm quite certain of that, because I remember how irritating Thomas Mann's meticulous descriptions of every candlestick and every detail of every sofa cushion were. Did I actually finish all 759 pages back then? To be honest, I don't remember.

But as luck would have it, some time ago, on the occasion of Thomas Mann's 150th birthday, I stumbled upon the three-part TV series Die Manns -- Ein Jahrhundertroman  (The Manns – A Century Novel) (2001, trailer) by Heinrich Breloer and Horst Königstein in the ARD media library. As these two had already done in other productions, they combine reenacted, sometimes fictional, scenes with original documents from the lives of the extended Mann family in this (what we would now call) "miniseries." They're all there: Thomas, Klaus, Heinrich, Erika, Golo, Katia, Monika, Elisabeth, Frido, the Pringsheims, Gustaf Gründgens (alias Mephisto)—in short, the whole clan, given by an excellent cast, and a fascinating piece of contemporary history to boot.

This, in turn, led me to "Deutsche Hörer!" ("German Listeners!"), the complete collection of radio addresses that Thomas Mann sent to Germany from Los Angeles via the BBC, edited by Mely Kiyak. 

 

It's absolutely worth reading. You'll be amazed by the force, precision, and sheer perspicacity with which Thomas Mann dismantles the way the Nazi regime works. He leaves no stone unturned. (Don't read the whole book in one go, better read one speech per day.)

So, Thomas Mann after all. But I hadn't yet forgotten the countless, irritating trinkets in the sofa cushions. Could they still be in the way?

It all depends on how you read the story. This time I really did read "Buddenbrooks" from cover to cover, and after the story's initial resistance, I became increasingly engrossed. The subtitle, "The Decline of a Family," reveals what to expect: It's about a once-wealthy Lübeck merchant family and their decline, which unfolds over four generations, beginning in 1835 and culminating in bankruptcy, illness, and death in 1877. Thomas Mann spent four years writing the book. He knew the milieu he was writing about. Of course, it's not a documentary, but several of the characters are based on real people; Thomas Mann himself even appears in certain aspects of the character Hanno.

The version I have follows the spelling and grammar rules of 1901, and although this is a little disconcerting at first, it ultimately proves to be correct.

Even without the subtitle, one soon suspects that this will not be a success story. On the surface, one learns a great deal about the living conditions of people in those years; one becomes acquainted with their habits, their fates, their actions, their (mostly small) successes, as well as their failures within the constraints of the opportunities available to them. Thomas Mann describes them with both affection and mastery; after a while, one almost feels as if one can hear their voices.

Reading about the quirks Thomas Mann endows his characters with, one sometimes almost gets the impression of reading a modern screenplay: Even back then, he mastered the tricks of making his characters instantly recognizable through leitmotifs, be it dialects (like the low-german "Ick heww da nu 'naug von!" -- "Enough already!"), or certain turns of slightly mispronunciated phrase ("...sei glöcklich, du gutes Kend" -- "... be happy, you good child"), to which a "pounding kiss on the forehead" is always added. Thus, each character is endowed with individual habits or peculiarities of behavior, such as Antonie (Tony), who, at every conceivable and inconceivable opportunity, repeatedly displays her insistence that she is "no longer a silly thing" and knows what she "should think of life." The almost satirical depiction of a Lübeck city council meeting could have come from today's Bundestag. And yet, there is no malice whatsoever; Mann never mocks any of his characters, always allowing them a vestige of dignity.

Thomas Mann covers the full spectrum between highly comical and heartbreaking events, successes and failures; his sense of timing is admirable. Several of the events depicted can be foreseen, their inevitable consequences then follow with chilling force, and the author is anything but gentle with his characters. Nor, however, with the reader—his descriptions of illness or death, in particular, often push the boundaries of what is bearable.

This doesn't mean there aren't focal points. Thomas Mann also has favorites to whom he devotes more attention than others—Tony, for example, as well as the thwarted musical prodigy Hanno Buddenbrook, through whose example Mann, in a kind of digression, describes the wretched school system of the time. (In fact, in these sections, Thomas Mann is clearly talking about his own school days, which sometimes must have been pure horror. These falls somewhat outside the main plot, and yet these episodes cannot be omitted without the story losing an important nuance.)

But all this is actually not the crucial point; it is not this what makes this novel and its author so outstanding. Thomas Mann's writing isn't primarily about delivering "content," as we might say today. He does that anyway, quite incidentally, with his broad erudition.

The secret lies in Thomas Mann's writing style and the way he follows a blueprint, like an architect. While reading, I increasingly found myself thinking about the structure of a Mahler or Bruckner symphony. One might be tempted to say: You could have done it more simply, as a piano sonata, for example, or a string quartet. But it's not just about putting a few melodies together; a symphony develops leitmotifs, melodies, voices, variations, timbres, tempi, and dynamic gradations down to the last detail. Only from this interplay does the complete picture emerge. Nothing can be missing, even if you don't immediately grasp the meaning.

Listening to a symphony in this way requires intellectual engagement, but it's well worth it. The pace and sweeping narrative of "Buddenbrooks" you have to be willing to engage with it. You have to take the time. This story is a symphonic Gesamtkunstwerk; every movement has its meaning and purpose, but it only reveals itself in the overall context. "Buddenbrooks" is a cosmos of sound.

Maybe we're not used to this kind of reading anymore. All the more reason to immerse yourself in this story. You'll emerge a changed reader.


 

 


 

Wednesday, October 22, 2025

Opus

 

(Scroll down for English, please) 

Der Konzertfilm mit Ryuichi Sakamoto, produziert im Studio, weil Live-Bühnenauftritte seiner zweiten Krebserkrankung wegen nicht mehr möglich waren. Sein Sohn Neo Sora führt Regie, Bill Kirstein ist für die Kamera verantwortlich. Ich hätte den Film gern im Kino gesehen, aber er lief in Pittsburgh nicht. Nun also die DVD. 

Opus ist ein Film in schwarzweiß in gedämpftem Licht, ohne Worte (mit einer Ausnahme), und auch sonst in jeder Hinsicht äußerst zurückgenommen. Sakamoto spielt allein am Grand Piano in einem ihm vertrauten Studio, umgeben von ihm vertrauten Mitarbeitern, umkreist und beobachtet von einer sensibel geführten Kamera. Wir hören 103 Minuten Solopiano, 20 Werke aus den Jahren zwischen 1972 und 2018, in einem Stück ("20180219" vom Album 12) ist das Klavier präpariert. Man könnte befürchten, dass eine Stunde und 40 Minuten Klaviermusik langweilig sind, aber das sind sie keine Sekunde lang -- wenn man wirklich zuhört. Diese Bereitschaft muss man als Hörer allerdings mitbringen.

Ein spezielles Kompliment gebührt dem Toningenieur Zak und seinem umfangreichen Team, denn es gibt keine lauten Töne in dem Film, Sakamoto spielt zeitweise extrem leise, so dass sogar die Kameraschienen mit schweren Gewichten am Boden fixiert wurden, damit Kamerafahrten keinerlei Geräusch verursachen konnten. Wer die Möglichkeit hat, Dolby 5.1 zu nutzen, sollte das tun. Der Klavierklang ist kristallklar, und es sind wirklich keine Nebengeräusche zu hören außer jenen, die beabsichtigt sind: dem Klang der Pedale, die Dämpfer, gelegentlich Sakamotos Atem.

Sehenswert, weil tatsächlich informativ, ist der 15-minütige Bonus Meet the Filmmakers mit Neo Sora (rechts im Bild) und Bill Kirstein.

 

Das letzte Stück ("Opus - Ending") spielt das Piano, ein Yamaha Disklavier, allein. Sakamoto hat das Instrument verlassen, geisterhaft sieht man die Tasten sich bewegen. Einen besseren Schlusspunkt hätte man nicht finden können.

Knapp ein halbes Jahr später, im März 2023, hat sich Ryuichi Sakamoto für immer verabschiedet. 


 *

The concert film with Ryuichi Sakamoto, a studio production because live stage performances were no longer possible due to his second bout of cancer. His son Neo Sora is directing, and Bill Kirstein is the cinematographer. I would have liked to have seen the film in a movie theater, but it didn't play in Pittsburgh. So, here's the DVD.

Opus is a film in black and white, in dim light, without words (with one exception), and extremely restrained in every respect. Sakamoto plays alone at the grand piano in a studio familiar to him, surrounded by trusted collaborators, encircled and observed by a sensitively guided camera. We hear 103 minutes of solo piano, 20 works from the years between 1972 and 2018. In one piece ("20180219" from the album 12), the piano is prepared. One might fear that an hour and 40 minutes of piano music could be boring, but it isn't for a single second—if you really listen. However, as a listener, you have to be prepared to do so.

A special compliment goes to sound engineer Zak and his extensive team, as there are no loud sounds in the film. Sakamoto plays extremely quietly at times, so much so that even the camera rails were secured to the floor with heavy weights to prevent dollie shots from making any noise. Anyone who has the opportunity to use Dolby 5.1 should do so. The piano sound is crystal clear, and there are truly no extraneous noises to be heard other than those intended: the sound of the pedals, the dampers, and occasionally Sakamoto's breathing.

The 15-minute bonus track, Meet the Filmmakers, with Neo Sora (right in the picture) and Bill Kirstein, is worth watching because it is truly informative.



The final piece ("Opus - Ending") is played by the piano, a Yamaha Disklavier, alone. Sakamoto has left the instrument, and one sees the keys moving ghostly. A better ending couldn't have been found.

Half a year later, in March 2023, Ryuichi Sakamoto said goodbye forever. 


 

Tuesday, October 21, 2025

Wer war der fünfte Beatle?

Der Schweizer Autor Nicola Bardola bietet nicht nur einen, sondern gleich deren 55, und auch sie sind noch keineswegs alle, die man nennen könnte, sondern nur die besten:

 

Eine Karriere wie die der Fab Four passiert nicht aus dem Nichts. Zu allererst gehört mal Talent dazu, aber das allein nützt noch nichts. Man muss mit seinem Talent auch im richtigen Moment am richtigen Ort mit dem richtigen Material die richtigen Leute treffen. Und dann muss noch ein Schuss Glück dazukommen, dann kann es klappen.

Wenn es geklappt hat und man schaut später auf den Erfolg zurück, dann wird man sehen: Dies alles hat sich materialisiert in einer Vielzahl von Personen, die irgendwie zusammengewirkt haben. Wer waren sie? Was war ihr Beitrag? Was wurde aus ihnen? Man muss schon ein wirklicher Fan sein, um sich auf eine solche Recherchereise zu begeben. Nicola Bardola ist ein Langzeitkenner der Beatles, der sich schon seit langer Zeit mit der Band und ihrem Umfeld befasst hat (wie man beispielsweise hier sehen kann). Das Resultat liegt jetzt in Buchform vor.

Aber auch als Leser muss man eine gewisse "Nerdigkeit" mitbringen, um wirklich goutieren zu können, welche Arbeit Bardola geleistet hat. Ist man aber ein solcher Edelfan, dann eröffnet sich mit seinem Buch ein Schatzkästlein, wie ich es nur selten gesehen habe -- und ich kenne viele Musikbücher.

55 Personen aus dem (meist) näheren Umfeld der Beatles werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt. Pete Best kennt man, Stu Sutcliff ebenfalls, auch Astrid Kirchherr darf nicht fehlen -- bekannte und weniger bekannte Namen tauchen in relativ kurzgefassten Kapiteln auf. St.-Pauli-Größen wie Indra-Chef Bruno Koschmider oder Star-Club-Manager Horst Fascher werden portraitiert, Brian Epstein, Bert Kaempfert, George Martin, Geoff Emerick, Klaus Voormann, Eric Clapton, Marianne Faithfull, Patti Boyd, Allen Klein, Billy Preston, Yoko Ono, der Maharishi haben ihren Platz. Dazu kommen Eltern, Familien, Geschwister, Mitarbeiter -- ich will und kann sie hier nicht alle aufzählen, kann aber versichern, dass sie ausnahmslos aus gutem Grund in diesem Buch aufgeführt werden. Sie waren Teil des Beziehungsnetzes, das die Beatles-Karriere möglich gemacht hat.

In gewisser Weise ist interessant, wer in dem Buch nicht genannt wird -- Linda Eastman beispielsweise, oder der Star-Club-Boss Manfred Weissleder, ebenso der Decca-A&R-Manager Dick Rowe, der die Beatles ablehnte. Dafür taucht irgendwo beiläufig der Name des Musikproduzenten Joe Meek auf, obwohl dieser mit den Beatles auch nur indirekt zu tun hatte, da er sie aufgrund der ihm vorgelegten Demos ebenfalls ablehnte (was eigentlich eh nichts Besonderes war; die Beatles waren so ziemlich schon überall abgeblitzt). In diesem Kontext ist sehr lesenswert, wie der Kontakt der Beatles zu George Martin zustandekam -- das war komplizierter, als man im allgemeinen zu wissen glaubt. 

Die schiere Materialmenge machte es wohl erforderlich, dass der Schreibstil gelegentlich ein wenig komprimiert geraten ist. Das führt gelegentlich zu ein wenig holzschnittartigen Beschreibungen. Das schadet aber nichts, denn das Buch eröffnet eher ein Gesamtbild als wirklich tiefgehende Einzelanalysen; es lädt ohnehin eher zum Blättern ein als zum Durchlesen von A bis Z. Dabei helfen sehr die Querverweise auf jene Namen, die ebenfalls mit einem eigenen Eintrag im Buch behandelt werden. 

Ich bin auch sehr sicher, dass dieses Buch sich als wichtige Quelle für viele in Zukunft noch zu schreibende Magisterarbeiten und Dissertationen über die Beatles etablieren wird. In diesem Zusammenhang vermisst man allerdings schmerzlich einen Namensindex, mit dem sich das ganze Werk für solche Zwecke leichter erschließen ließe. (Aber ich kann es verstehen -- es ist eine Heidenarbeit, ein solches Register zu erstellen.)

Aber das ist noch nicht alles! Im Anschluss an die 55 ausführlich portraitierten Personen folgen dann noch weitere 66 aus dem erweiterten Umfeld, die mit kurzen (meist halbseitigen) Einträgen vorgestellt werden. Und weil das immer noch nicht reicht, kommen noch weitere 77, diese allerdings nur noch als Namensliste. Eine Bibliographie bildet den Abschluss des Buchs, sie allein umfasst zehn Seiten.

Kurz & gut: Wer sich für die Beatles über ihre Platten hinaus interessiert, greife unbesorgt zu.

 

Nicola Bardola:
Die 55 besten Fünften Beatles
Verlag Andreas Reiffer 2025
354 Seiten, 20€
ISBN 978-3-910335-55-4

 

Saturday, October 18, 2025

Klaus Doldinger 1936 - 2025

 Schöpfer der «Tatort»-Titelmelodie: Klaus Doldinger ist tot

(Scroll down for English, please) 

Und ich dachte immer, der Mann sei unsterblich, so lange kenne ich den Namen schon. Aber 89 ist ja ein durchaus gesegnetes Alter, da kann man sich wohl nicht beklagen.

Zu seiner Karriere muss man nichts mehr sagen; zu seiner Bedeutung ebenfalls nicht. Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass sich die Todesmeldungen von Musikern häufen, das ist in meinem Alter wohl normal. Aber wenn dann eine Meldung wie diese kommt, dann wird einem klar, dass es Musiker gibt, die mehr Gewicht hatten als andere. Doldinger war so einer.

Der Multiinstrumentalist Klaus Doldinger hatte 1953 die Feetwarmers gegründet, während er Klavier und Klarinette an Düsseldorfs Robert-Schumann-Konservatorium studierte. Aber dabei beließ er es nicht. Er fügte seinen Studien das Saxophon hinzu (von der Klarinette aus ist das kein allzu großer Sprung, weil die Grifftechnik ähnlich ist, vom Charakter her ist es aber ein großer Sprung). Im Jahr 1955 gründete er Oscar’s Trio, so benannt zu Ehren Oscar Petersons, und gewann den „Coup Sidney Bechet“. Zudem machte er an der Hochschule eine Ausbildung zum Toningenieur, was ihm später sehr zugute kommen sollte. Im Jahr 1960 tourte Doldinger durch die USA, kam dort in Berührung mit George Lewis und anderen Jazzgrößen, spielte im Birdland und wurde Ehrenbürger von New Orleans. Zurück in Deutschland arbeitete er mit hier lebenden amerikanischen Musikern wie Don Ellis, Johnny Griffin, Kenny Clarke, Donald Byrd und Benny Bailey. 1962 folgte die Gründung des Klaus Doldinger Quartetts mit Ingfried Hoffmann (Orgel), Helmut Kandlberger (Bass) und Klaus Weiss (Drums). Dieses Quartett nahm für das Philips-Label die Alben Jazz Made In Germany (1963) und Live At The Blue Note Berlin (1964) auf; beide wurden von der Kritik hoch gelobt. Ab 1964 produzierte Doldinger Werbemusik - ein Nebenjob, für den er später berühmt wurde (wir erinnern uns an die wilde Frische der Seife Fa; ein Jingle, der über die Jahre in etlichen Variationen erschien, zuletzt auf dem Fairlight gespielt). Das alles öffnete ihm die Tür zur Filmmusik, die er nicht nur komponieren, sondern auch spielen und aufnehmen konnte; seine erste Filmmusik entstand im Jahr 1963 für den längst vergessenen Kurzfilm Verpasst den Anschluss nicht von Klaus Lemke. Doldingers erste eher jazzrockorientierte Band hieß Motherhood; der Name war ein freundlicher Gruß in Richtung Mothers Of Invention. Motherhood ist auf zwei LPs zu hören, die Besetzung war nicht konstant. Und Doldinger hielt sich fern vom Free Jazz, was seinem Erfolg nicht geschadet haben dürfte.

Meine erste unmittelbare Begegnung mit Doldinger war ein Sammel-Doppelalbum namens Electric Rock von 1969, das mir ein Mitschüler zum 13. Geburtstag schenkte. Darauf war Doldingers Motherhood zu hören, das Stück hieß "Sahara". 

 Electric Rock (Idee 2000) – 2 x Vinyl (LP, Sampler, Stereo), 1970 [r961447]  | Discogs

Ich war hypnotisiert von der uhrwerkartig dahintickenden Schlagzeugmonotonie dieses Stücks, das von mir aus ewig hätte weitergehen können. „Sahara“ war das erste Stück, das mir den Namen Klaus Doldinger ins Bewusstsein brachte. Interessanterweise ist die auf diesem Album präsentierte Version (mit den Münchner Studiocracks Olaf Kübler, Joe Quick, Lothar Meid und dem Schweizer Drummer Kurt „Düde“ Dürst von Krokodil) auf keiner anderen Platte zu hören – schade und ein bisschen seltsam, denn das Stück war bis zuletzt noch in Doldingers Live-Repertoire. 

Zweimal habe ich Doldinger live erlebt, beide Male in der Hamburger Musikhalle. Das erste Mal muss wohl 1975 gewesen sein, im Rahmen seiner "Jubilee '75"-Tour, die ein wenig an die zeitlich korrekte "Jubilee"-Tour von 1974 angeklebt zu sein schien, wohl wegen des großen Erfolges. 

 Passport And Les McCann, Philip Catherine, Johnny Griffin, Buddy Guy, Pete  York – Doldinger Jubilee '75 – CD (Album, Reissue, Repress), [r4514800] |  Discogs

Die Besetzung war live aber eine andere als auf der zugehörigen LP, ich erinnere mich an Alphonse Mouzon an den Drums, der auf der LP nicht dabei ist.

Irgendwann spielte Doldinger mit seinem Ensemble Passport auch in Hamburgs legendärem Pö. Die wollten wir sehen, aber vor dem Eingang stand bereits eine solche Menschentraube, dass wir erst gar nicht versucht haben, hineinzukommen.

Vom Boot, von der Unendlichen Geschichte, vom Tatort, von Liebling Kreuzberg und vielem mehr will ich mal gar nicht erst anfangen. Auch nicht von all den Musikern, die durch ihn oder mit seinen Ensembles erst groß geworden sind -- die Liste wäre zu lang. 

Was sonst kann man noch sagen außer "Bye bye" -- am besten einfach nur "Gute Reise", wohin auch immer. 

 

*

 

I always thought this man was immortal, as I've known his name for so long. But 89 is certainly a blessed age, so you can't really complain.

There's nothing more to say about his career; nor about his significance. It's undeniable that announcements of musicians' deaths are piling up; that's probably normal at my age. But when one like him passes away, it becomes clear that there are some who had more impact than others. Doldinger was one of them.

The multi-instrumentalist Klaus Doldinger founded the Feetwarmers in 1953 while studying piano and clarinet at Düsseldorf's Robert Schumann Conservatory. But he didn't stop with that. He added the saxophone to his studies (it's not a huge jump from the clarinet, because the fingering technique is similar, but in terms of character, it's a big leap). In 1955 he founded Oscar's Trio, named in honor of Oscar Peterson, and won the "Coup Sidney Bechet." He was also trained as a sound engineer at the conservatory, a skill that would later prove very useful to him. In 1960 Doldinger toured the USA, came into contact with George Lewis and other jazz greats, played at Birdland, and became an honorary citizen of New Orleans. Back in Germany, he worked with American musicians living here, such as Don Ellis, Johnny Griffin, Kenny Clarke, Donald Byrd, and Benny Bailey. In 1962 he founded the Klaus Doldinger Quartet with Ingfried Hoffmann (organ), Helmut Kandlberger (bass), and Klaus Weiss (drums). This quartet recorded the albums Jazz Made In Germany (1963) and Live At The Blue Note Berlin (1964) for the Philips label; both received critical acclaim. From 1964 onwards, Doldinger produced advertising music – a side job for which he later became famous (we remember the wild freshness of a soap named Fa; a jingle that appeared in numerous variations over the years, most recently played on the Fairlight). All this opened the door to film music, which he could not only compose, but also perform and record. His first film score was created in 1963 for Klaus Lemke's long-forgotten short film Verpasst den Anschluss nicht (Don't Miss the Line). Doldinger's first, more jazz-rock-oriented band was called Motherhood; the name was a friendly nod to Mothers of Invention. Motherhood can be heard on two LPs, but the lineup was not consistent. And Doldinger steered clear of free jazz, which probably didn't hurt his success.

My first direct encounter with Doldinger was a compilation double album called Electric Rock from 1969, which a classmate gave me for my 13th birthday. It featured Doldinger's Motherhood, the track was called "Sahara." 

  Electric Rock (Idee 2000) – 2 x Vinyl (LP, Sampler, Stereo), 1970 [r961447]  | Discogs

I was mesmerized by the clockwork-like drum monotony of this piece, which, as far as I was concerned, could have gone on forever. "Sahara" was the first piece that brought the name Klaus Doldinger to my attention. Interestingly, the version presented on this album (with Klaus Doldinger, Munich session artists Olaf Kübler, Joe Quick, Lothar Meid, and Swiss drummer Kurt "Düde" Dürst from Krokodil) cannot be heard on any other record – a shame and a bit strange, because the piece was still in Doldinger's live repertoire until recently.

I saw Doldinger twice on stage, both times at the Hamburg Musikhalle. The first time must have been in 1975, during his "Jubilee '75" tour, which seemed to be somewhat tacked onto the chronologically correct "Jubilee" tour of 1974, probably due to its huge success.

  Passport And Les McCann, Philip Catherine, Johnny Griffin, Buddy Guy, Pete  York – Doldinger Jubilee '75 – CD (Album, Reissue, Repress), [r4514800] |  Discogs

The live lineup was slightly different from the accompanying LP; I remember Alphonse Mouzon on drums, who isn't on the LP.

At some point, Doldinger and his ensemble Passport also played at Hamburg's legendary musich club Onkel Pö. We wanted to see them, but there was already such a crowd outside the entrance that we didn't even try to get in.

I better don't even start talking about Das Boot, The Neverending Story, Tatort, Liebling Kreuzberg, and many more film soundtracks. Nor about all the musicians who became famous through him or his ensembles—the list would be too long.

What else can you say besides "Bye bye"? Ideally, simply "Have a good trip," dear Klaus, wherever you may be.

 


Sunday, September 28, 2025

Popol Vuh

 

"Er war zuerst mal Poet und dann erst Musiker, und sein Gefühl für die innere Struktur eines Filmstoffs war unfehlbar", sagt der Filmemacher Werner Herzog über Florian Fricke (1944 - 2001), und Michael Cretu (Enigma) ergänzt: "Popol Vuh sind die größten Vorbilder,  die ich je hatte und je haben werde."

Popol Vuh, von Florian Fricke gegründet 1969, so benannt nach dem heiligen Buch der guatemaltekischen K'iche'-Maya, gehörte fraglos zu den bemerkenswertesten Erscheinungen der frühen deutschen Rockszene -- aber schon da zögert man, denn Rockmusik war das eigentlich nicht, was die Band zu Gehör brachte.

Was aber war es dann? An genau dieser Frage hangelt sich die jetzt vorgelegte Biografie entlang. Michael Fuchs-Gamböck und Michael Joseph untersuchen "die Klangwelten des Florian Fricke", wie der Untertitel lautet. Und da gibt es einiges zu entdecken.

Florian Fricke war der zweite Besitzer eines Moog-Synthesizers in Deutschland nach Eberhard Schoener (der sein Miesbacher Nachbar war) und gilt seit Popol Vuhs Erstling Affenstunde (1970) als Pionier des Elektronik-Rocks. Es wird schnell deutlich, dass er das ohne seinen Mitstreiter, den Musiker und Filmemacher Frank Fiedler, wohl nicht geworden wäre, denn sein Technikverständnis war, sagen wir mal: begrenzt. Und ohne solches spielt der Synthesizer mit dem Musiker, nicht umgekehrt. Insofern war es konsequent, dass Fricke den Moog schon nach dem zweiten Album In den Gärten Pharaos (1971) wieder aufgab (der landete dann bei Klaus Schulze). Da er dafür allerdings eine deutlich durchgeistigtere Begründung angab, hat dieser Schritt seinem Ruf als Pionier nicht geschadet. Erst viel später, als die elektronischen Instrumente deutlich musikerfreundlicher geworden war, kehrte Fricke zu Synthesizern zurück (For You and Me, 1991) und entdeckte mit dem Synclavier auch das Sampling, das dann eine wichtige Rolle in seinen weiteren Werken spielte.

Einen großen Teil des Buches nimmt selbstverständlich Frickes Zusammenarbeit mit dem Regisseur Werner Herzog ein. In der Tat kann man Fricke wohl als dessen kongenialen Partner bezeichnen; etliche von Herzogs Werken leben von seiner Filmmusik mindestens so stark wie von Herzogs künstlerischer Fantasie. Da hatten sich ganz offenkundig zwei gefunden -- ein Glücksfall.

Ein eigenes Kapitel erhält auch Frank Fiedlers wunderbarer Film "Kailash -- Thron der Götter" -- eine Art Reisebericht ohne Kommentar, aber natürlich mit der Musik von Florian Fricke, entstanden 1994 auf einer gemeinsamen Reise der beiden nach Tibet. Der Mount Kailash wird als heilig angesehen und darf nur umrundet, aber nicht betreten werden.

Der komplexen Persönlichkeit Florian Frickes ist nicht leicht beizukommen. In diesem Buch spiegelt sich dies darin, dass die Autoren kapitelweise getrennt vorgehen, wobei jeweils namentlich gekennzeichnet ist, wer gerade spricht. Auch werden verschiedene Darstellungsformen gewählt; essayistische Texte liest man ebenso wie ein langes Gedicht, es gibt einen Ausflug in Frickes Tätigkeit als Kursleiter und Vortragender in Sachen Musik- und Atemtherapie, sehr informativ ist auch ein Gesprächsprotokoll vom Mai 2025 mit Frank Fiedler.

Mit der Persönlichkeit Frickes gehen die Autoren sehr pfleglich um -- kein Wunder, denn sie waren mit ihm befreundet bzw. als Mitmusiker tätig; Frank Fiedler dürfte sogar einer von Frickes engsten Freunden und Mitstreitern gewesen sein. Dass man von anderen, die ihn ebenfalls kannten, durchaus handfestere Aussagen über Frickes Persönlichkeit, insbesondere auch über seinen frühen Tod, zu hören bekommen kann, wird in diesem Buch bestenfalls angedeutet. Das stört aber kaum und wird durch die Vielzahl der Informationen über ihn mehr als aufgewogen.

Frank Fiedler sagt heute: "Ich bin der große Archivar, wenn man so will. Außerdem waren Florian und ich enge Freunde, wobei wir durchaus mal Streit untereinander hatten. Wie das bei wahren Freunden üblich ist. Wir teilten eine Menge kreativer Ideen, waren ständig im Austausch. Florian und ich wussten voneinander, wie der andere künstlerisch tickt." 

Und Co-Autor Michael Joseph: "Das Thema lässt mich nicht mehr los. Ich werde weiter an der Aufarbeitung dieses Lebens arbeiten, denn die Geschichte von Florian Fricke ist noch lange nicht zu Ende erzählt. Vielleicht lebt er so in vielen Herzen weiter."

In diesem Sinne ist dieses Buch ein guter Anfang. 


                                                    Popol Vuh, rechts im Bild Florian Fricke

 

Michael Schmidt-Gamböck und Michael Joseph:
Popol Vuh -- Die Klangwelten des Florian Fricke
(inklusive Diskografie, Filmografie und Literaturliste)
edition kopfkiosk im Verlag Andreas Reiffer
Meine 2025, 188 Seiten, 16 €
ISBN 978-3-910335-13-4

Saturday, September 27, 2025

Georg Stefan Troller 1921 - 2025

 

Der Journalist, Filmemacher, Schriftsteller und Kenner der klassischen Wiener Kaffeehauskultur hat heute im gesegneten Alter von 103 Jahren seine Adresse von Paris ins Kosmische gewechselt. Wenn das kein Verlust für die Welt ist, dann weiß ich nicht, was einer ist.

Gerade noch im März dieses Jahres habe ich in diesem Blog an eines seiner Bücher erinnert. 

 

The journalist, filmmaker, writer, and connoisseur of classic Viennese coffee house culture has changed his address from Paris to the cosmos today at the blessed age of 103. If that isn't a loss for the world, I don't know what is.

Just last March, I remembered one of his books in this blog.

 

Friday, September 19, 2025

Druckfrisch:

 Jetzt überall, wo es Bücher gibt, oder direkt beim Verlag.

 


Mal gefeiert als Genie, mal belächelt als Exzentriker: Der Musikproduzent Joe Meek sprengte musikalische Grenzen und schuf in den frühen 1960ern einen Sound, der bis heute nachhallt. Mit seinem Superhit „Telstar“ brachte er als erster Brite einen Song an die Spitze der US-Charts. Seine Experimentierfreudigkeit und sein Glaube an das Übernatürliche führten zu innovativen Klängen, die ihm Kultstatus einbrachten.

Doch hinter dem Erfolg verbarg sich eine tragische Figur: Meek kämpfte mit psychischen Problemen, einer Tabletten­sucht und dem polizeilichen Schwulen­register. Seine Besessenheit und sein exzessiver Arbeitsstil endeten 1967 in einem tödlichen Drama.

Dies ist die erste Joe-Meek-Biografie in deutscher Sprache.

Wednesday, September 3, 2025

KI / AI

 May be an image of 3 people and hospital 

Wenn die KI wirklich intelligent wäre, würde sie sich weigern, solchen Schwachsinn zu produzieren.
 
If AI were truly intelligent, it would refuse to produce such nonsense.
 
(Das offenkundig KI-generierte Foto, das hier einige Tage zu sehen war, zeigte das Krankenbett-Foto eines schwerkranken Mick Jagger. Das Bild scheint inzwischen aus dem Verkehr gezogen worden zu sein.)
(The apparently AI-generated photo that was seen here for a few days showed a hospital bed photo of a seriously ill Mick Jagger. The image appears to have since been removed from circulation.) 

 

Sunday, August 10, 2025

Another Sunday Afternoon

Another fine organ concert on the 1962 Rudolf von Beckerath Organ at this year's Saint Paul Cathedral Organ Concert Series, the last concert of five. Amanda Plazek Bruce played works by

Johann Sebastian Bach

Peter Kolar

Jean Langlais

John Dixon

Aaron Shows

Dieterich Buxtehude

Zsolt Gárdonyi

Marcel Dupré.

 

The concert got recorded and will hopefully be broadcast on Classical WQED-FM Pittsburgh -- providing that this station will exist any longer. You might have heard that the funding of public radio and tv is no longer guaranteed.

Friday, August 1, 2025

Robert Wilson 1941 - 2025

 



The first time I read his name was on this record, somewhat in the early 1980s. A four-LP-set. Later, because of its mediocre sound quality, Einstein on the Beach became my first CD set. I never saw the opera on stage, which I still regret.

I've never been a big theatergoer, but I've never missed Robert Wilson's productions at the Thalia Theater in Hamburg.

Bye bye, Robert Wilson. 

 

 

Tuesday, July 29, 2025

Tja ...

 

... schon ärgerlich, wenn man's auf der letzten Stufe nicht weiß.

Friday, July 25, 2025

Loud and Clear

 

 
(English see below)
 
So also sah sie aus, die legendäre "Wall of Sound" mit der die Grateful Dead bis Mitte der 1970er unterwegs waren. Diese Konstruktion, die einen unvergleichlichen Klang produzierte, war auch die, mit der sich die Band am Ende selbst in die Knie zwang.  
 
Das ganze Ding inklusive Gerüst war etwa so hoch wie drei Stockwerke eines Wohnhauses. Die Open-Air-Version maß rund 100 Fuß (circa 31 Meter) in der Breite und rund 40 Fuß (12 Meter) in der Tiefe. Die Version für Konzerthallen war nur geringfügig bescheidener, etwa 76 Fuß (23 Meter) breit und 30 Fuß (rund 9 Meter) tief. Die Wall of Sound beherbergte rund 600 Lautsprecher (vom Bass bis zum Tweeter), die von 50 Macintosh-Verstärkern mit einer Leistung von zusammen 28.000 Watt versorgt wurden. Die Verkabelung möchte man sich lieber gar nicht erst vorstellen. Die gesamte Anlage wog um die 75 Tonnen und sollte mindestens zehn Fuß über dem Boden stehen, damit der Klang ungebremst durch den ganzen Saal schwingen konnte.
 
Um das Gewicht dieser Konstruktion tragen zu können, musste der jeweilige Bühnenboden mit einer zweieinhalb Zentimeter dicken Sperrholzplatte abgedeckt werden, auf der das Gerüst fest verankert war. Wenn möglich, sollte das Gerüst auch in der Höhe fixiert sein, denn wenn die Dead in die Vollen gingen, konnte der erzeugte Schalldruck die gesamte Konstruktion ins Schwanken bringen. 
 
Auf- und Abbau nahmen jeweils einen vollen Tag in Anspruch. Das Gerüst existierte deshalb zweifach, ebenso gab es zwei hochspezialisierte Roadcrews. So konnte der Aufbau bereits bei der Tourneestation B beginnen, während die Band noch bei A spielte.
 
Die Wall of Sound produzierte bis zu 120 dB. Sie stand hinter der Band, die Musiker hörten also denselben Sound wie das Publikum vor der Bühne, und sie bekamen selbst die volle Dröhnung ab. Gehörschäden haben sie alle davongetragen. Der Witz der ganzen Konstruktion war, dass nicht -- wie sonst üblich -- der Klang aller Instrumente am Mischpult zusammengemixt und auf  die zwei an den Bühnenrändern stehenden PA (= Public Address)-Lautsprecher verteilt wurde, sondern dass jedes Instrument seine eigene, nur von ihm benutzte Abteilung innerhalb der Wall hatte. Im Prinzip ist die Wall also nicht eine PA, sondern fünf. Keine noch so gute Live-Platte kann diesen Sound wiedergeben.
 
Die Konstruktion gefiel keineswegs allen. Der Drummer Bill Kreutzmann beispielsweise hatte schlicht Angst, dieses über ihm hängende halbrunde Ding könne ihm auf den Kopf fallen. Das war nicht abwegig; zumindest einmal riss sich eine der Lautsprecherboxen aufgrund ihrer eigenen Vibration los und fiel herunter. Glücklicherweise traf sie niemanden. Es stellte sich auch sehr schnell heraus, dass der Gesang, desgleichen der Flügel, in Rückkopplungspfeifen unterging -- klar, denn die Mikrofone standen ja direkt vor der Lautsprecherwand. Die Techniker der Band entwickelten deshalb ein sehr cleveres System, das zwei Mikrofone einsetzte:
 
 
  
Der Sänger musste in das obere Mikrofon singen, das untere wurde phasenversetzt eingesetzt -- im Prinzip war das dieselbe Idee, die wir heute von den "noise-cancelling"-Kopfhörern kennen. Allerdings klang das Ganze immer latent hohl, und die Dead-Sängerin Donna Jean Godchaux war unzufrieden -- als Studioprofi war sie bestimmte Mindestbedingungen gewohnt, die hier nicht erfüllt wurden (man hört ihren Backup-Gesang unter anderem in Percy Sledges "When a Man Loves a Woman" und in Elvis' "Suspicious Hearts"). Und natürlich wurde das ganze System umso pannenanfälliger, je größer es wurde. Verstärker knallten durch, das Stromnetz brach zusammen, einzelne Lautsprecher gaben seltsame Nebengeräusche von sich, aus dem Publikum wurde die Anlage mit Frisbees beworfen, die Fans mussten teils mehrstündige Wartezeiten und Konzertunterbrechungen hinnehmen. Weil die Deadheads ihre Band kannten, gab es deswegen kaum jemals Ärger, aber eine Zumutung waren solche Pannen dennoch.
 
Der Konstrukteur dieses ganzen Traumes (oder war es doch eher ein Alptraum?) war, die Fans wissen es natürlich, der Toningenieur der Grateful Dead, Owsley Stanley, genannt Bear. Ihn wird man fraglos als eine "schillernde Persönlichkeit" bezeichnen dürfen. Er war nebenher auch der Hersteller des wohl reinsten LSD-Präparats, das überhaupt zu bekommen war, sofern man nicht über Verbindungen verfügte, durch die man an das Original-Delysid aus Albert Hofmanns Labor herankam. Dass davon sowohl die Crews als auch die Gruppe selbst, wie auch große Teile ihrer Fans, regen Gebrauch machten, gehört heute zum Allgemeingut dessen, was die Saga so über die 60er- und 70er Jahre, Ken Kesey, die Merry Pranksters und die Acid Tests zu berichten weiß. Wer es genau wissen will, lese Tom Wolfes Buch "The Electric Kool-Aid Acid Test". 
 
Das alles ist auch Teil dieses vor wenigen Wochen erschienenen Buches: 
 

Loud and Clear heißt das Buch, The Grateful Dead's Wall of Sound and the Quest for Audio Perfection ist der Untertitel. Der Autor, Brian Anderson, ist stolzer Besitzer einer dieser alten Wall-Boxen; er hat sie von seinen Eltern übernommen, die Deadheads waren. Er geht die Geschichte der Wall of Sound systematisch durch. Denn natürlich war nicht plötzlich die Wall in der Welt, sondern das Soundsystem hat sich über Jahre hinweg entwickelt und wuchs immer weiter, bis es dann schließlich so gigantisch war, dass es die Grenze zur Unbrauchbarkeit überschritt.
 
Weshalb dieser ganze Wahnsinnsaufwand? Die Grateful Dead waren Klangfreaks, von Anfang an. Während andere Bands auf Verzerrungen standen, wollten die Dead einen sehr lauten, aber dennoch kristallklaren, verzerrungsfreien Klang. Und sie wollten, dass der Sound am hinteren Ende des Saales noch ebenso gut zu hören sei wie direkt vor der Bühne. Das aber lieferte keines der damals verfügbaren Soundsysteme, und so entwickelten sie über Jahre hinweg ihr eigenes.
 
Und das ließ man sich etwas kosten. Die Wall of Sound schlug damals alles in allem mit rund 350.000 Dollar zu Buche (was heute rund 2 Millionen entspräche), zum Transport wurden sieben Trucks benötigt. Allein diese Transporte kosteten die Dead rund 100.000 Dollar im Monat. Dazu kamen Angestellte und die Roadcrews. Die Band erwirtschaftete zeitweilig gewaltige Einnahmen, doch blieb davon kaum etwas übrig -- und so entstand der Zwang, denselben Betrag immer wieder im nächsten Monat erneut erwirtschaften zu müssen. Am Ende hatten die Dead keine andere Wahl mehr, als nur noch Stadionkonzerte und Festivals zu spielen, mit Clubkonzerten war das nicht zu machen. Das ging auf die Dauer natürlich nicht gut. Irgendwann sind selbst in Amerika alle in Frage kommenden Stadien, Festivals und Großhallen abgegrast, Tourneen etwa nach England, Deutschland oder Frankreich waren nicht mehr verlustfrei zu machen -- die Anlage war praktisch nicht mehr durch den Zoll zu bringen.
 
Und so wanderte die ganze Pracht am Ende 1974 in großen Teilen auf den Schrott. Etliche der Lautsprecherboxen landeten in Konzerthallen wie dem Winterland oder dem Fillmore East, etliche endeten aber auch als Hühnerstall in alternativen Landkommunen. Die Dead freundeten sich schlussendlich doch wieder mit handelsüblichen PA-Systemen an.
 
Es geht in dem Buch nicht nur um Technikbegeisterung, sondern auch um Tourneegeschichten -- um nicht zu sagen: um Klatsch. Es spricht auch ein gewisser Wehmut, eine leise "Es war einmal"-Stimmung aus dem Buch. Denn wenn auch die Technik im Vordergrund steht, so sind hier auch immer die Menschen beschrieben, die sie gebaut und bedient haben. Davon hätte man sich gelegentlich etwas mehr gewünscht. So eine Überraschung ist zum Beispiel, dass Owsley Stanley nach einem Schwimmunfall auf einem Ohr so gut wie taub war, aber meinte, auf LSD könne er den Schall sehen. Vielleicht war das wirklich so, der Sound jedenfalls, den diese Wall produziert hat, dürfte bis heute unerreicht sein. Ich hätte ihn gern mal gehört. Man wüsste auch gern, was Bear (und die noch lebenden Dead-Mitglieder) zu den wesentlich kompakteren PA-Systemen sagen würden, die uns heute zur Verfügung stehen.
 
Zu kritisieren ist im Prinzip nur eine manchmal allzu sehr ins Längliche führende Detailfreude. Manches Mal hätte ein simples Foto drei Seiten Text erspart. Das Buch hat zwar eine Fotostrecke, die aber eher wenig ergiebig ist. Und irgendwann hat auch der geduldigste Leser begriffen, dass Drogen zum Alltag gehörten und in jeder Halle wieder neue und andere Schwierigkeiten auftraten, die irgendwie gelöst wurden (oder eben auch nicht). Ein gewisses Maß an Technikverständnis sollte man mitbringen, wenngleich sich Anderson viel Mühe gegeben hat, einen Lesefluss zu erzeugen, der durch die immerhin 350 Seiten dieses Buches trägt.
 
Brian Anderson:
Loud and Clear
The Grateful Dead's Wall of Sound and the Quest for Audio Perfection
St. Martin's Press, New York 2025
ISBN 978-1-250-31967-8

 
 
*
 
 
 
Now -- this is what the legendary "Wall of Sound" looked like. The Grateful Dead used it for their live appearences until the mid-1970s. This construction produced an incomparable sound, but it was also the reason why the band ultimately brought itself to its knees.

Including the scaffolding, the thing was about as high as three stories of an apartment building. The open-air version measured about 100 feet (approximately 31 meters) wide and about 40 feet (12 meters) deep. The concert hall version was only slightly more modest, about 76 feet (23 meters) wide and 30 feet (approximately 9 meters) deep. The Wall contained around 600 speakers (from bass to tweeters), was powered by 50 Macintosh amplifiers with a combined output of 28,000 watts. You don't even want to imagine the cabling. The entire system weighed around 75 tons and had to be at least ten feet above the floor so that the sound could resonate unhindered throughout the entire hall.

To support the weight of this structure, the stage floor had to be covered with a two-and-a-half-centimeter-thick plywood sheet, to which the scaffolding was firmly anchored. If possible, the upper end of the scaffolding also had to be fixed, because when the Dead went into full power mode, the generated sound pressure could cause the entire structure to sway.

Setup and dismantling each took a full day. Therefore, two scaffoldings existed, as well as two highly specialized road crews. This meant that setup could begin at tour stop B while the band was still playing at A.

The Wall of Sound produced up to 120 dB. It stood behind the band, so the musicians heard the same sound as the audience in front of the stage and also received the full blast. They all suffered hearing damage. The main idea about the whole construction was that instead of the usual process of mixing the sound of all the instruments at the mixing desk and distributing it to the two PA (public address) speakers at the edges of the stage, each instrument had its own dedicated section within the Wall. So, in essence, the Wall isn't one PA, but five. Not even the best possible live recording would be able to reproduce this sound.

Not everyone liked the setup. Drummer Bill Kreutzmann, for example, was simply afraid that the semicircular thing hanging above him might fall on his head. This wasn't unreasonable; at least once, one of the speakers broke loose due to its own vibration and fell to the ground. Fortunately, it didn't hit anyone. It also quickly became apparent that the vocals, as well as the piano, were drowned out by feedback—naturally, since the microphones were positioned directly in front of the speaker wall. The band's technicians therefore developed a very clever system that used two microphones:
 

The singer had to sing into the upper microphone, while the lower one was used out of phase; an idea similar to what we know today from noise-canceling headphones. However, the result always sounded latently hollow, and Dead singer Donna Jean Godchaux was dissatisfied with it -- as a studio professional, she was used to certain minimum standards that were not met here (her backup vocals can be heard in Percy Sledge's "When a Man Loves a Woman" and in Elvis' "Suspicious Hearts", and a couple more songs). And of course, the larger the system grew, the more there was a risk of failure. Amplifiers would blow, the power grid would crash, a single speaker would emit strange noises, some people in the audience threw frisbees against the speakers, and fans would sometimes have to endure waiting times and concert interruptions of several hours. Of course, the Deadheads knew their band, so this rarely caused trouble, but however, such mishaps were a nuisance.

The architect of this entire dream (or was it more of a nightmare?), as fans know, was the Grateful Dead's sound engineer, Owsley Stanley, nicknamed Bear. He can undoubtedly be described as a "colorful personality." He was also the manufacturer of what was arguably the purest LSD available anywhere, unless one had connections that allowed access to the original Delysid from Albert Hofmann's laboratory. The fact that both the crews and the group themselves, as well as large portions of their fans, made extensive use of it is now common knowledge -- as is the saga of the 1960s and 1970s, Ken Kesey, the Merry Pranksters, and the Acid Tests. If you want to know exactly, read Tom Wolfe's book "The Electric Kool-Aid Acid Test."

All of this is also part of this book, published just a couple of weeks ago:
 

The book is called Loud and Clear, with the subtitle The Grateful Dead's Wall of Sound and the Quest for Audio Perfection. The author, Brian Anderson, is the proud owner of one of the old Wall speakers; he inherited it from his parents, who were Deadheads. He systematically reviews the history of the Wall of Sound. 

Why all this crazy effort? The Grateful Dead were sound freaks from the very beginning. While other bands relied on distortion, the Dead wanted a very loud, yet crystal-clear, distortion-free sound. And they wanted the sound to be just as audible at the back of the hall as it was directly in front of the stage.
 But none of the sound systems available at the time could deliver this, so during several years they developed their own one. 

And that came at a high price. The Wall of Sound cost around $350,000 at the time (equivalent to around $2 million today), and seven trucks were needed for transport. These transports alone cost the Dead around $100,000 a month, plus employees and crew. The band generated enormous income for a while, but hardly anything remained -- and so they were forced to generate the same amount again month by month. In the end, the Dead had no choice but to play only stadium concerts and festivals; club concerts weren't going to cut it. Of course, this didn't work out in the long run. At some point, even in the U.S., all possible stadiums, festivals, and large venues are played. Touring England, Germany, or France, was no longer possible without making a loss -- the system was practically impossible to get through customs.

And so, at the end of 1974, most of the Wall was scrapped. The band simply dumped it.  Several of the speakers ended up in venues like Winterland or Fillmore East, but several also ended up as chicken coops in alternative rural communes. And the Dead became friends with commercial PA systems again.

The book isn't just about enthusiasm for technology, but also about tour stories—not to mention gossip, of course. There's also a certain wistfulness, a faint "once upon a time" vibe. While the focus is on technology, the people who built and operated it are described too. Occasionally, one would have wished for a bit more of that. One surprise, for example, is that Owsley Stanley was virtually deaf in one ear after a swimming accident, but claimed, on LSD he could see the sound. It might well be that this was true; in any case, the sound produced by the Wall is probably unmatched to this day. I would have loved to hear it. One would also like to know what Bear (and the surviving Dead members) would say about the much more compact PA systems available to us today.
 
Essentially, the only criticism is the sometimes a bit too detailed attention to little things. Sometimes a simple photo would have saved three pages of text. The book does have a photo gallery, but it's not really informative. And at some point, even the most patient reader got that drugs were a part of everyday life, and that new and different difficulties arose in every hall, which were somehow resolved (or not). A certain level of technical understanding is useful, although Anderson has put a lot of effort into creating a flowing reading experience that carries you through the 350 pages of this book.
 
Brian Anderson:
Loud and Clear
The Grateful Dead's Wall of Sound and the Quest for Audio Perfection
St. Martin's Press, New York 2025
ISBN 978-1-250-31967-8