Downtown Pittsburgh, irgendwann 2018. Eine Straße war so hergerichtet, als sei sie in New York, mit einem Fake-U-Bahn-Eingang und Hinweisschildern, die durchaus einige örtliche Autofahrer in Verwirrung gestürzt haben könnten.
Der Grund für die Dekoration war der Film A Beautiful Day in the Neighborhood, der zwar zum Teil in New York spielt, der aber vollständig in Pittsburgh gedreht wurde.
Es geht darin um Pittsburghs Nationalheiligtum Mr. Rogers, eine Legende des amerikanischen Kinderfernsehens. Wer den Namen nicht mehr unterbringen kann: Hier hatte ich vor zwei Jahren mal einen Beitrag über ihn geschrieben, damals anlässlich eines Portraitfilms über ihn und seine Sendereihe Mr. Rogers' Neighborhood, die von 1968 bis 2003 in fast allen PBS-Sendern der USA ausgestrahlt wurde, und wann immer der Pittsburgher PBS-Sender WQED eine Studiobesichtigung anbietet, bilden sich lange Schlangen vor dem Gebäude -- wobei ich ja immer den Verdacht habe, dass die Eltern mehr daran interessiert sind als deren Kinder. Aber auch die wissen noch, wer Mr. Rogers war.
Damals waren die Dreharbeiten im Gespräch, inzwischen ist der Film da (Trailer), nach der Kinoauswertung jetzt als DVD, wohl auch in Deutschland.
Tom Hanks spielt Fred Rogers, Matthew Rhys den Reporter Tom Junod, der im Film Lloyd Vogel heißt. Ich hatte zunächst eine Art Biopic erwartet, aber das ist es nicht, auch wenn der Film auf einer wahren Episode basiert. Tatsächlich hat man diese Episode aufgeblasen und eine Handlung darum herumgestrickt. Eigentlich also ist das, was der Film zeigt, so nicht passiert, aber immerhin handelt es sich auch nicht um völlig freie Erfindung.
Lloyd Vogel, "Esquire"-Reporter vom Schlage hart und zynisch, erhält von seiner Chefredakteurin den Auftrag, nach Pittsburgh zu reisen und ein Portrait dieses Mr. Rogers zu schreiben -- nicht viel, ungefähr 400 Wörter. Dieser Job ist ihm eher peinlich, er hält den Auftrag für unter seiner Würde.
Die weitere Handlung ist vorhersehbar. Bei einem ersten Treffen kann Vogel mit Rogers nichts anfangen, während Rogers ihn mit der ihm eigenen alles niederwalzenden Freundlichkeit ins Leere laufen lässt. Aber es bleibt nicht bei diesem einen Treffen, und es wird immer deutlicher, dass nicht Vogel Rogers portraitiert, sondern Rogers immer mehr den Reporter durchschaut. Der nämlich hat heftige Probleme mit seinem Vater, weiß das eigentlich selbst, weiß auch, dass er das ändern müsste, bringt es aber nicht über sich, den Anfang zu machen. Ich glaube, man verrät hier nicht zuviel, wenn man sagt, dass am Ende des Films sich Vogel mit seinem Vater an dessen Sterbebett aussöhnt. Und aus der 400-Wort-Story wird eine Titelgeschichte. (Die wiederum gab es wirklich, sie erschien 1998 in "Esquire" unter dem Titel "Can You Say ... Hero?".)
Der Film spielt teils an Originalschauplätzen, es gibt auch sehr schön gestaltete Übergänge vom Realen zu Modell-Landschaften, die Dekoration von Rogers' Sendung existiert zum Teil noch, der Rest konnte mit Hilfe des Heinz History Centers nachgebaut werden, auch die Modelle für Rogers' Puppenspiel wurden realisiert.
Teils ist der Film realistisch, teils aber arbeitet er mit fast surrealistisch anmutenden Verfremdungseffekten; in einigen Momenten enthält der Film wie im Spiegel seine eigene Geschichte. Brecht hätte seine Freude daran gehabt. Rhys bringt gut über die Bühne, wie der harte Kerl, der er sein will, immer mehr aufweicht. Tom Hanks legt seinen Fred Rogers für mein Gefühl ein bisschen zu sehr als eine Art zerstreuten Professor an, der ein wenig weltfremd durch die Gegend schlurft -- dabei allerdings in bester Columbo-Tradition sein Gegenüber schon viel tiefer durchschaut hat, als der es ahnt. Und dann, im Abspann, stellt sich der Film fast noch selbst ein Bein: Da nämlich ist für einen kurzen Moment der wirkliche Fred Rogers zu sehen und zu hören. Diese paar Sekunden reichen aus, um klarzumachen, dass Tom Hanks nicht das Original ist.
Als jemand, der Mr. Rogers' Neighborhood nie im Original gesehen hat, bin ich -- gerade auch nach Ansicht des erwähnten Dokumentarfilms -- mit recht spitzen Fingern an diesen Film herangegangen. Aber ich bedauere nicht, ihn gesehen zu haben.
Dies hier ist die wohl stärkste Szene des Films: One Minute of Silence. Stellt euch die bitte auf der Kinoleinwand vor. Und dann wisst ihr, wer Mr. Rogers war.