Die Themenausstellungen im Andy-Warhol-Museum in Pittsburgh sind normalerweise sorgfältig kuratiert und lohnen den Besuch. Das Museum hat offenkundig früh begonnen, Exponate zusammenzukaufen und verfügt daher heute über eine Sammlung, die unbezahlbar sein dürfte.
Die derzeit noch bis September gezeigte Ausstellung "Adman -- Warhol before Pop" über Warhols Anfänge als Werbegrafiker in New York zwischen 1958 und ungefähr 1964 ist ausnahmsweise mal nicht so geglückt. Dabei ist das Thema gar nicht uninteressant. Der Mann muss ziemlich gut gewesen sein als Young Urban Professional. Auch gegen die Exponate lässt sich eigentlich nichts einwenden, außer dass es vielleicht zu viele Schuhe und zu wenige Plattencover sind. In vielen Fällen kann man wahrscheinlich von Glück sagen, dass sie überhaupt erhalten sind -- damals hat sie ja niemand als "Kunst" gesehen. Aber offensichtlich hat Warhol schon damals John Cages Empfehlung für Studenten beherzigt: "Keep everything."
Der Haken in diesem Fall ist die Tatsache, dass man das fast alles schon als Teil der normalen Dauerausstellung gesehen hat, nur dass es diesmal unter einer neuen Überschrift zusammengefasst ist. Ein bisschen dünn, alles in allem.
Immerhin, hier das Glanzstück der Ausstellung:
Eine von Warhol entworfene und gemalte Markise, die 1960 über dem Schaufenster der Lederwarenfirma Fleming-Joffe in New York angebracht war. Das Original! Erstaunlich genug, dass dieses Ding, das draußen ja Wind und Wetter ausgesetzt war, nicht nur erhalten geblieben ist, sondern sogar noch gut erkennbare Züge hat.
Übrigens, später im Museumsshop sahen wir eine Besuchergruppe, fünf oder sechs Leute im Alter zwischen vielleicht 18 bis Mitte 20. Beim Wühlen in den T-Shirts mit der Banane drauf rätselten sie herum, was denn bitte wohl Velvet Underground gewesen sein mag. Never heard of, no idea, it doesn't say.
Von oben bis unten durch das ganze Haus zu laufen, ohne mitzubekommen, wer oder was Velvet Underground waren -- das ist schon fast wieder ein Kunststück.
bilingual/zweisprachig
Friday, August 17, 2018
Wednesday, August 15, 2018
Enno Patalas 1929-2018
Einmal, nein: zweimal hatte ich mit ihm zu tun, um 1989 muss es gewesen sein. Ich stellte ihm einige Fragen zu seiner Rekonstruktionsarbeit an Fritz Langs Metropolis, einem Film, der mich nicht nur als solcher faszinierte, sondern der auch in meiner Diss. eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielte.
Den Brief, den er als Antwort schickte, hatte er ganz sicher höchstpersönlich auf seiner berühmten Schreibmaschine geschrieben. In irgendeiner Box müsste ich den wohl sogar noch besitzen. Ich war sehr erstaunt, wie freundlich er mit Giorgio Moroders Metropolis-Fassung umging.
In einem kurz darauf folgenden Telefonat (dem zweiten Kontakt) erklärte er mir den Grund: Der australische Sammler Harry Davidson besaß eine farbige (!) 16-mm-Kopie einer englischen Fassung des Films, die einige kurze Szenenausschnitte enthielt, die in keinem anderen Archiv zu finden waren -- u.a. die am Glockenseil schwingende Maria und der Kampf im Nachtclub um die Robot-Maria. Patalas wusste durch Kenneth Anger von dem Film, aber das Filmmuseum München, Patalas' Brötchengeber, hatte nicht die Mittel, diese Ausschnitte zu erwerben. Was Patalas nicht gelungen war, das hatte dann aber Moroder geschafft. Er stellte dem Filmmuseum diese Szenen zur Verfügung, und so konnten sie in Patalas' Rekonstruktion des Films einfließen.
Patalas war nicht allzu begeistert davon, in den Credits von Moroders Metropolis-Fassung aufzutauchen. Nachlesen lässt sich die Geschichte in Patalas' Buch "Metropolis in/aus Trümmern", erschienen 2001.
Enno Patalas verstarb am 7. August 2018. Hier ist ein ausführlicher Nachruf von Werner Sudendorf.
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Sunday, August 5, 2018
Das merkwürdige Gefühl, die Neuauflage eines alten Buches zu lesen
Mit schätzungsweise 10, also um 1966, habe ich in der Leihbibliothek, die in Hamburg "Bücherhalle" hieß, Werner Hörnemanns Buch Die gefesselten Gespenster entdeckt.
Die Handlung spielt in einem heißen Sommer kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in einer Gegend von Marseille, in der nicht die Reichen wohnen. Sieben junge Typen diverser Nationen und Hautfarben schlagen sich durch mit irgendwelchen Jobs, zum Teil auch mit sehr kleiner Kleinkriminalität, und hoffen, es werde irgendwann einmal besser werden. Einer dieser sieben Typen, der hoffnungsvolle, aber bettelarme Kunstmaler Maurice, der von seinem reichen Vater keinen Pfenning will (und der ganz offensichtlich eine Art alter ego des Verfassers ist), findet eines Tages eine Anzeige in der Zeitung: In einem Schloss in Villeneuve treten schwere Spukerscheinungen auf, die gegen saftiges Honorar beseitigt werden sollen.
Ich will jetzt die Geschichte nicht nacherzählen. Ich bin damals kopfüber in sie hineingefallen und habe sie in den Folgejahren noch einige Male wiedergelesen.
Der Autor arbeitet mit einigen karikierenden Klischees, die heute wohl als "rassistisch" gebrandmarkt würden -- Michael Ende hat dieses Phänomen ebenfalls kennengelernt. An keiner Stelle sind diese Schilderungen abwertend gemeint, und ich habe sie auch nie so empfunden. Das Buch ist erstmals 1952 erschienen -- da hießen Neger Neger, Chinesen hatten Schlitzaugen und Italiener klauten gern mal. Dabei dachte man sich damals nichts. Der Autor dürfte aus seiner persönlichen Erfahrung geschöpft haben; er hat einige Jahre dort gelebt, wo das Buch spielt, sein Beobachtungsvermögen ist bemerkenswert, und es ist offenkundig, dass er seine Charaktere mit großer Sympathie beschreibt, ihre individuellen Schicksale ebenso wie ihre Irrungen und Wirrungen. Gelegentlich merkt man pädagogische Absichten des Autors allzu deutlich, aber das hat mich damals ebenso wenig gestört wie seine gelegentliche Neigung, flapsige Dialoge um ihrer selbst willen einzubauen.
Ich habe das Buch nie selbst besessen -- bis ich es vor einigen Jahren in einer Buchhandlung durch reinen Zufall in einer Neuauflage fand (rechts im Bild). Ich konnte nicht widerstehen und habe das Buch gekauft.
Dieses Gefühl, wenn man merkt, dass nicht mehr das in dem Buch steht, was man erinnert! Dieses Gefühl, wenn man schließlich dahinterkommt, dass man versucht hat, das Buch zu modernisieren! Dialoge sind verändert. Bestimmte, für eine Person typische Begriffe (etwa Renés "Schafsnase!") tauchen nicht mehr auf. Schlimmer noch: Den Schilderungen fehlt der zeitliche Hintergrund. Vieles, was die Jungs tun, aber auch, was sie in dem Spukschloss entdecken, erklärt sich aus der Zeit, in der die Geschichte spielt. Wenn man das weglässt, schwebt die Story im Raum, etliche Handlungsfäden ergeben keinen Sinn mehr, selbst die (neuen) Zeichnungen funktionieren nicht.
Durch einen weiteren Zufall -- ich musste im Postamt eine Adresse aus dem Bonner Telefonbuch heraussuchen (damals musste man das noch, und die Postämter hatten noch alle wichtigen Telefonbücher) -- stieß ich um 1995 auf die Adresse des Autors Werner Hörnemann. Ich schickte ihm spontan eine Karte, in der ich ihm mitteilte, wie sehr ich das Buch als Kind geliebt hatte und wie enttäuschend ich die Neuauflage fand. Zwei Tage später rief er mich zu meiner Überraschung an. Er gab mir im wesentlichen recht, sagte aber, er habe keinen Einfluss auf die Gestaltung gehabt. Aus diesem Gespräch weiß ich, dass er tatsächlich in Marseille gelebt hat und dass die Jungs nicht völlig frei erfunden waren. Leider, so sagte er, habe er kein altes Exemplar mehr, sonst würde er mir eines zukommen lassen. (Werner Hörnemann ist 1997 verstorben.)
Es ließ mir keine Ruhe. Bis ich schließlich vor einiger Zeit ein gebrauchtes altes Originalexemplar im Internet gefunden habe (links im Bild) -- für, ich glaube, fünf Euronen.
Jetzt stimmt wieder alles. Die Dialoge, die Handlungsfäden, die wunderbaren Zeichnungen von Horst Lemke. Und René sagt endlich wieder "Schafsnase!"
Saturday, August 4, 2018
"Die Maskentänzer" wieder online
Mein Feature über die Maskentänzer Lavinia Schulz und Walter Holdt steht einstweilen wieder online: in der Deutschlandfunk-Audiothek oder direkt hier.
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