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Sunday, May 29, 2016
Doldinger
(Scroll down for English version)
Nun ist Klaus Doldinger 80 geworden. Und er ist so vital, wie er auf dem Coverfoto wirkt.
Statt eines simplen „Best ofs“ gibt es zum Geburtstag in limitierter Auflage einen Rückblick auf etliche Doldinger- bzw. Passport-Klassiker, aber in neuen Versionen. Dankenswerterweise hat man auf „Das Boot“ oder das „Tatort“-Motiv verzichtet; die einzige Filmreminiszenz ist „Auryn“ aus der „Unendlichen Geschichte“, aber auch sie in neuer Einspielung (mit Dominic Miller). Auf Max Mutzkes Gesang in „Inner City Blues“ hätte ich, ehrlich gesagt, verzichten können, und Udo Lindenberg, der in Passports Gründungszeiten deren Drummer war, trommelt diesmal nicht, sondern hat mit „Der Greis ist heiß“ einen Song beigesteuert, der wohl ein Geburtstagsständchen sein soll, mir auf diesem Album aber eher entbehrlich vorkommt. Aber man hat das wohl geahnt und den Song deshalb ans Ende gesetzt.
Das ist aber auch schon alles, was ich an der Platte auszusetzen habe, und das ist natürlich Geschmackssache. Alles andere an der Scheibe stimmt, ist rund und macht Spaß. Die Platte hat eine Grundentspanntheit, die vielleicht eine Frage des Alters ist. Der Mann muss wirklich nichts mehr beweisen, seine Kompositionen haben nicht die leisteste Spur von Staub angesetzt, und das weiß er natürlich. Besonders deutlich wird das, wenn man die Stücke mal im direkten Vergleich mit den Originalen hört.
Ich freue mich schon jetzt auf Doldingers nächste.
Das einzige, was ich mich schon immer gefragt habe: Weshalb sind die beiden wunderbaren „Jubilee“-Konzerte von 1974 und 1975 nie in voller Länge veröffentlicht worden? Aber vielleicht wird das ja das Geschenk zum Neunzigsten.
Now Klaus Doldinger turned 80. And he seems to be as vital as he looks on the cover photo.
Instead of a simple "Best of" for his birthday we get (in limited edition) a retrospective on several classic Doldinger and Passport tunes, but in new versions. Thankfully the record company passed on "Das Boot" or the "Tatort" theme; the only film reminiscence is "Auryn" from "The Neverending Story", but also this one is a new recording (with Dominic Miller). To be honest, I could have done without Max Mutzke's singing in "Inner City Blues", and the song Udo Lindenberg, Passport's first drummer, provides to the album ("Der Greis ist heiß") probably has to be seen as a "happy birthday" song. Which is fine, but a bit misplaced here. Probably the record company sensed that and put the song at the end.
But this is all I have to complain about this record, and of course this is a matter of taste. All other stuff is great, enjoyable and wonderfully relaxed. Maybe this is a question of age. This man doesn't need to prove anything anymore, his compositions aren't outdated in the slightest, and of course he knows it. Especially this shows in direct comparison to the originals.
I'm looking forward to Doldinger's next.
There's only one thing I always wanted to know: What is the reason that his wonderful "Jubilee" concerts from 1974 and 1975 have never been released in full length? But maybe this will be the gift for his ninetieth birthday.
Tuesday, May 10, 2016
Janis: Little Girl Blue
Ami Bergs neuer Dokumentarfilm über Janis Joplin, Janis: Little Girl Blue,
hatte vor zwei Tagen seine amerikanische Fernsehpremiere und steht für
die nächsten paar Wochen online bei PBS (leider vermutlich nicht
ausserhalb der USA).
Um es vorwegzunehmen: Viel Neues bietet
der Film nicht. Aber damit war wohl auch kaum zu rechnen. Es gibt nur
wenige US-Stars, deren Werk und Nachlass so systematisch in kleinen
Portionen in Büchern, Booklets und Zeitschriftenartikeln, auf immer
wieder neuen CD-Kollektionen und neuerdings auch auf der Musicalbühne
verhackstückt worden ist wie das Janis Joplins. Und noch immer hält die
familieneigene Stiftung den Daumen auf allem, was von Interesse sein
könnte. Wer die Janis-Biografien von Alice Echols, Myra Friedman,
Ingeborg Schober und Janis‘ Schwester Laura Joplin gelesen hat, kennt
die meisten der verfügbaren Informationen und Quellen, weiß aber auch,
wie unklar und weitläufig interpretierbar sie sind. Besonders die
Biografien Echols und Friedmans tragen allzu deutlich die Spuren des
Versuchs, Janis für die politischen oder weltanschaulichen Vorlieben der
Autorinnen zu vereinnahmen. Janis, behaupte ich, würde sich das
energisch verbeten haben.
Diesen Fehler immerhin macht der Film
nicht. Er verlässt nur kaum je das amerikanische Fernsehlevel, er bleibt
also stets dicht an der Oberfläche. Dabei hätte er mit einer Laufdauer
von 105 Minuten Zeit genug gehabt, auch mal weiter in die Tiefe zu
gehen.
Neben viel Archivmaterial, das man längst kennt (Studio,
Woodstock, Monterey, Festival Express), gibt es auch relativ neue
Interviewschnipsel mit ihren Bandmates Peter Albin, Dave Getz und dem
(inzwischen verstorbenen) Sam Andrew, mit Bob Weir von Grateful Dead,
Country Joe McDonald, Kris Kristofferson, Fernsehmann Dick Cavett, dem
damaligen CBS-Boss Clive Davis sowie dem Filmemacher DA Pennebaker. Auch
Freunde, Liebhaber und Verwandte tauchen auf; manchmal haben sie sogar
etwas Interessantes zu sagen. Viel hat Janis auch von ihrem Produzenten
Paul Rothchild gelernt, doch der war leider nicht mehr zu interviewen.
Meist wird Janis getreu ihrem
Klischeebild als emotionsgesteuertes Powerpaket dargestellt, das ständig
von ihrem eigenen Überschwang davongetragen wurde. Dass ihr Gesang in
Wahrheit sehr genau ausgetüftelt und bis in kleinste Verzweigungen ihrer
stimmlichen Möglichkeiten erforscht, ausprobiert und einstudiert war –
kein Wort davon in diesem Film. Dass Big Brother & The Holding
Company eine passable Band war, soll nicht bezweifelt werden. Für Janis
war sie ein guter Start. Dennoch musste Janis die Band verlassen, weil
sie auf die Dauer dort mit ihrem Ausnahmetalent verhungert wäre. Meiner
Ansicht nach eine konsequente und richtige Entscheidung. Der Film jedoch
stellt sie als Fehlentscheidung dar, weil Janis mit der Band auch so
etwas wie ihre Familie und damit ihren emotionalen Rückhalt aufgab. Man
kann das so sehen, und sicher ist das ein Teil des emotionalen Chaos,
das Janis wohl eigen war.
Weshalb dann die von Janis selbst
zusammengestellte Kozmic Blues Band nicht funktionierte, macht der Film
immerhin ansatzweise klar: Weil die Band aus Musikprofis bestand, die
alles spielen konnten, was man von ihnen wollte, denen man aber genau
sagen musste, was sie spielen sollten. Diese Führungsrolle war nicht
Janis‘ Ding. Dass noch dazu die damals soultypischen Bläsersätze ihre
Stimme erdrückten, muss sie selbst gemerkt haben. Wie Janis dann an die
überwiegend kanadischen Musiker ihrer Full Tilt Boogie Band kam (ihrer
zweifellos besten), wird leider gar nicht erklärt. Auch ihr Spiel mit der Kunstfigur „Pearl“, die sie sich – vermutlich für die Bühne –
ausgedacht hatte, bleibt unerwähnt und ungeklärt. (Nein, „Pearl“ war
nicht, wie immer wieder behauptet wird, Janis‘ Spitzname.)
In einigen Interviewausschnitten mit
Janis kommt bei aller Oberflächlichkeit des Films trotzdem durch, dass
sie eine hochintelligente Person war. Mit ihr konnte man über Musik und
Kunst ebenso fundiert wie über politische oder soziologische Fragen
diskutieren, sie hatte die amerikanischen Systemtheoretiker ebenso
gelesen, wie sie Adorno oder Sartre an Bord hatte. Die Präzision und
Überlegtheit, mit der sie Fragen beantwortet, ist oftmals bemerkenswert.
Sie kannte Odetta und Billie Holiday bis ins Detail, ebenso aber auch
Strawinsky oder Ligeti. Zeitlebens muss diese Frau darunter gelitten
haben, dass das keiner von ihr hören wollte, ja, mehr noch: dass keiner
ihr diese Kenntnisse überhaupt zutraute. Der Film geht auf diesen Aspekt
kaum ein. Deswegen bleibt es letztlich auch rätselhaft, weshalb sie
weder vom Alkohol noch vom Heroin dauerhaft loskam – der Film erklärt
den Drogenkonsum durchweg mit jugendlichem Rebellentum, der emotionalen
Leere nach den Auftritten und der Einsamkeit in den Hotelzimmern.
Sicherlich nicht verkehrt, aber mir ein bisschen zu dünn als Erklärung.
Alles in allem ist Janis: Little Girl Blue
kein schlechter Portraitfilm über eine sehr vielschichtige
Persönlichkeit. Wer wenig über Janis Joplin weiß, erfährt hier einiges
zum Einstieg. Aber man hätte mehr daraus machen können.
(Diese Besprechung wurde zuerst veröffentlicht auf manafonistas.de)
No English translation this time - sorry!
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