Zwölf Minuten über Kraftwerks Autobahn heute im Schweizer Radio SRF Kultur mit Elisabeth Baureithel.
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Zwölf Minuten über Kraftwerks Autobahn heute im Schweizer Radio SRF Kultur mit Elisabeth Baureithel.
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Wer die 1960er und 1970er Jahre bewusst mitbekommen hat, der weiß mit ziemlicher Sicherheit, wer Peter Thomas war. Selbst wer den Namen nicht kennt, hat Musik von ihm gehört. Speziell wird jeder, der sich für Filmmusik im Allgemeinen interessiert, bei dieser Namensnennung aufhorchen.
Das Peter Thomas Sound Orchester (PTSO) war und ist ein klingender Name: Da war 1966 die siebenteilige TV-Serie Raumpatrouille, die natürlich jeder kennt (und sie bestand durchaus aus mehr als nur einem Bügeleisen), das Jahrzehnt brachte auch die Jerry-Cotton- und die Edgar-Wallace-Filme hervor, fester Bestandteil deutscher Trashkultur. Aber auch ein Meisterwerk wie Dr. Murkes gesammeltes Schweigen (nach der Satire von Heinrich Böll) stammt von 1964. Und die Durbridge-Straßenfeger. Nicht zu vergessen auch die grotesk-bombastische Constantin-Film-Fanfare. In den 1970ern kamen dann Der Kommissar, Derrick, Der Alte oder die ZDF-Show Der große Preis; im Kino gab es lausige Sex-Gurken wie den St. Pauli-Report, der Trash der Siebziger. Und überall hat das PTSO seine Spuren hinterlassen.
Nächstes Jahr wäre Peter Thomas 100 geworden. Das hat er leider nicht mehr ganz geschafft, 2020 hat er seine kosmische Adresse gewechselt. However, in jenen Jahren war er der deutsche Filmkomponist schlechthin -- hunderte von Musiken, ähnlich wie Andy Warhol in seinen frühen Jahren nahm er offenkundig jeden Auftrag an, der zu bekommen war und lieferte zuverlässig bestmögliche Qualität, je nach Zeitrahmen und Budget. Er war unglaublich produktiv, selten waren seine Musiken langweilig, sein Sound, seine Melodieführung war fast immer erkennbar. Nicht selten waren seine Musiken besser als die dazugehörigen Filme.
Letzteres verdankt sich nicht zuletzt den Musikern, mit denen er immer wieder zusammenarbeitete, stellvertretend für etliche seien Lothar Meid, Klaus Doldinger, Otto Weiß, Olaf Kübler, Jan Hammer, Ingfried Hoffmann und Albert Mangelsdorff genannt. Denen ließ er, anders als andere Komponisten, große Freiheiten; nicht selten basierten seine Musiken auf Leadsheets, über die mehr oder weniger improvisiert wurde. Mit Eminenzen wie den genannten ging das. Aber auch die Arbeit mit Big Bands und Rundfunkorchestern hatte Thomas penibel drauf. Er war flexibel genug, mit allem zu arbeiten, was sich anbot.
Und doch fällt in seinen Musiken eine Vorliebe für bestimmte Standardbesetzungen auf: eine Rhythmusgruppe mit Solisten wie den genannten, dazu elektronische Orgel (selten mal ein Klavier), E-Gitarren, E-Bass, dazu Bläser, fast immer drei oder vier Posaunen. Deren Klang war durchaus prägend, das Ganze dann garniert mit viel klingendem Metall, Röhrenglocken, auf der Kuppe angeschlagenen Becken, dazu textlos singende, hohe bis sehr hohe Frauenstimmen (die waren in den 60ern en vogue), alles zusammen übergossen mit kathedralartigem Hall. Das war der Sound Peter Thomas'. Man erkannte ihn sofort.
Aber er hatte auch einen Draht zu klanglichen Experimenten. Für die Raumpatrouille verwendete er einen Vocoder. Vermutlich war er damit der erste Musiker, der ein solches Gerät in der Musik einsetzte, lange vor Kraftwerk. Zusammen mit dem Wiener Ingenieur Hansjörg Wicha entwickelte Peter Thomas das Thowiphon, ein Tasteninstrument, das bereits den später entwickelten Synthesizer vorwegnahm.
Und weil das alles noch nicht reichte, spielte Peter Thomas über seine Auftragskompositionen hinaus unter mehreren Pseudonymen auch sogenannte Archivmusik, auch Stock Music oder Library Music genannt, ein. Darunter sind Kompositionen zu verstehen, die bestimmte Stimmungen und Atmosphären wiedergeben, auslösen oder unterstützen. Sie stehen dann in Musikarchiven zur Verfügung, katalogartig sortiert nach Kategorien wie "Abendstimmung", "Verfolgungsjagd", "romantische Liebe", "Weltall" und was immer man sich sonst noch vorstellen mag. Werbespots, Wissenschaftsdokumentationen, Tierfilme et cetera geben selten Originalkompositionen in Auftrag, sie greifen stattdessen auf solche Archivproduktionen zurück.
Und einige dieser Archivmusiken von Peter Thomas sind nun erstmals erhältlich. Sein Sohn Philip, der sich seit einigen Jahren dahinterklemmt, Thomas' hunderte hinterlassene Tonbänder durchzugehen, zu restaurieren und sie sinnvoll zusammengestellt zu veröffentlichen, hat jetzt 25 solcher Archivtracks zusammengefasst.
Diese Tape Masters Vol. 1 bieten auf zwei 10-inch-LPs einen Querschnitt durch Thomas' Archivschaffen, und man staunt, wie vielfältig das ist. Große Besetzungen wechseln sich ab mit kleinen Combos, elektronische Experimentierereien kontrastieren mit eher hingeworfenen Skizzen, Klänge, die an Auftragskompositionen anknüpfen, folgen auf völlig eigenständige Werke, satter, jazziger Bigbandsound folgt auf Harfenklänge, Zupfgeigen oder spacige Weltraumsounds in der Nachfolge des Raumschiffes Orion, auch ein schräger "Nightmare on LSD" ist zu hören. Die meisten Stücke bewegen sich zwischen 1:30 und 2:30, zu hören inzwischen auch in den üblichen Streamingdiensten.
Diese Scheibe ist schon jetzt ein ziemlich sicherer Kandidat für meine Jahresliste. Unbedingte Empfehlung.
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Anyone who was aware of the 1960s and 1970s will almost certainly know who Peter Thomas was. Even if you don't know the name, you've heard music by him. Anyone who is interested in film music in general will probably be struck by the mention of this name.
The Peter Thomas Sound Orchestra (PTSO) was and is well-known: In 1966 there was the seven-part TV series Raumpatrouille (Space Patrol), which of course everyone knows (and definitely consisted of more than just the legendary flat iron), the decade also produced the Jerry Cotton and Edgar Wallace films, an integral part of German trash culture. But a satirical masterpiece such as Murke's Collected Silences after a short story by Heinrich Böll also dates from 1964. And there were the Durbridge "street sweepers", as we called them in Germany, because the streets were empty when they were shown. And not to forget the grotesque, bombastic Constantin Film fanfare. Then in the 1970s came crime series Der Kommissar, Derrick, Der Alte and the TV gameshow Der große Preis; in the movie theaters there was erotic rubbish like the St. Pauli Report, the trash of the Seventies. And the PTSO left its mark everywhere.
Next year Peter Thomas would have turned 100. Unfortunately he didn't quite make it, in 2020 he changed his cosmic address. However, in those years he was the German film composer par excellence -- he wrote hundreds of pieces of music, similar to Andy Warhol in his early years he obviously accepted every commission that was available, and reliably he delivered the best possible quality, depending on time frame and budget. He was incredibly productive, his music was rarely boring, his sound, his melodies were almost always recognizable. His music was often better than the films it was made for.
The latter is not least thanks to the musicians with whom he worked again and again -- Lothar Meid, Klaus Doldinger, Otto Weiß, Olaf Kübler, Jan Hammer, Ingfried Hoffmann and Albert Mangelsdorff are representative of many of them. Unlike other composers, he gave them great freedom; his music was often based on lead sheets, which were more or less improvised over. This was possible with eminent artists such as those mentioned. But Thomas was also meticulous about working with big bands and radio orchestras. He was flexible enough to work with anything that was available.
And yet his music shows a preference for certain standard line-ups: a rhythm section with soloists such as those mentioned, plus electronic organ (rarely a piano), electric guitars, electric bass, plus brass, almost always three or four trombones. Their sound was definitely distinctive, the whole thing garnished with lots of ringing metal, tubular bells, cymbals struck on the top, plus high-pitched female voices singing without text (these were en vogue in the 60s), all bathed in cathedral-like reverb. That was Peter Thomas' sound. You recognized him immediately.
But he also had a knack for sound experiments. He used a vocoder for Space Patrol. He was probably the first musician to use such a device in music, long before Kraftwerk. Together with the Viennese engineer Hansjörg Wicha, Peter Thomas developed the Thowiphon, a keyboard instrument that anticipated the synthesizer that came up a couple of years later.
And because all of that wasn't enough, Peter Thomas, under several pseudonyms, also recorded so-called archive music, also known as stock music or library music, in addition to his commissioned soundtracks. This refers to compositions that reproduce, trigger or support certain moods and atmospheres. This stuff is available in music archives, sorted in a catalog-like manner by categories such as "evening mood", "chase", "romantic love", "space" and whatever else you can imagine. Commercials, science documentaries, animal films, etc. rarely commission original compositions; instead, they use such archive productions.
And some of these archive musics by Peter Thomas are now available for the first time. His son Philip, who has been working for several years now going through the hundreds of tapes Thomas left behind, restored and published 25 of them in a meaningful way.
These Tape Masters Vol. 1 offer a cross-section of Thomas' archive work on two 10-inch LPs, and it is amazing how diverse these tracks are. Large ensembles alternate with small combos, electronic experiments contrast with rather thrown-together sketches, sounds that are reminiscent of commissioned compositions follow completely independent works, rich, jazzy big band sounds follow harp sounds, plucked violins or spacey cosmos sounds in the wake of Space Patrol, you can also hear a weird "Nightmare on LSD". Most of the pieces have a running time between 1:30 and 2:30, available now also in the usual streaming services.
This disc is already a pretty sure candidate for my annual list. Absolutely recommended.
Der Autor dieses Buches, Thomas Kraft, hat sich schon mit Radio-DJs, der Punk-Bewegung und so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Leonard Cohen, den Beatles oder Klaus Kreuzeder beschäftigt und ist auch sonst sehr umtriebig. Nun hat er sich ein Genre vorgenommen, das aus der US-Countrymusik entstanden ist und diese seit einigen Jahren mehr und mehr vereinnahmt: Americana.
Wenn in Deutschland heute von den USA die Rede ist, dann ist es offenbar Standard geworden, sie als mindestens "tief gespalten" darzustellen, als ein Land, in dem es bei gleichzeitiger religiöser Verblendung sozial und politisch an allen Ecken brennt, in dem Chaos, Schießereien, Rassismus und Polizeigewalt die Städte beherrschen. Drunter tun wir's nicht.
In dieser
Hinsicht lässt sich auch dieses Buch nicht lumpen: "Ein zerrissenes Land
im Spiegel der Country Music" soll uns vorgestellt werden. Auf 30 Seiten Einführung über "Country und Politik" folgen konsequent nochmal rund 30 Seiten über "das zerrissene Land", wie es der Autor sieht. Und da fehlt nichts, von "Black Lives Matter" bis zu Trump, von 50.000 Obdachlosen in Los Angeles bis zu der Behauptung, in Washington sei eine weiße Durchschnittsfamilie 81-mal (!) reicher als eine schwarze. (Man überlege vielleicht kurz, wer in Washington lebt.) Seite um Seite folgt eine soziale Katastrophe der nächsten, das Elend ist himmelschreiend, die Dramaturgie dieser beiden Kapitel folgt der alten Drehbuchweisheit: "Mit einem Erdbeben beginnen und dann langsam steigern". Man ahnt ja, was der Autor will, aber irgendwann fragt sich auch der gutwilligste Leser, weshalb die Menschen, wenn doch alles so trostlos und schrecklich ist, nicht scharenweise nach Kuba oder Mexiko fliehen.
Das Problematische an solchen US-Darstellungen ist immer, dass sie stimmen, aber trotzdem ein falsches Bild liefern. Denn obwohl das fast alles richtig ist, sind die USA noch immer eines der freiesten, offensten und kreativsten Länder der Welt. Wie kommen also solche Schlüsse zustande?
So: Es werden deutsche Maßstäbe an die Lebens- und Denkweise der US-Amerikaner angelegt, und das geht fast zwangsläufig schief. Man meint in Deutschland immer, man wisse ja, "wie der Ami so tickt" -- aber man weiß es nicht. Die USA haben eine völlig andere kulturelle Prägung als europäische Länder -- aber wie anders, das lernt man nicht in einem oder zwei Studiensemestern oder ein paar Urlaubsreisen. Das braucht Jahre. Ich lebe seit jetzt 17 Jahren in den USA, und noch immer kann mich dieses Land täglich überraschen.
Man muss sich klarmachen, dass genau diese Widersprüche, diese sozialen und politischen Probleme der Motor sind, der die USA voranbringt. Sie lösen die Kreativität aus, weil man weiß, dass kein Politiker und keine staatliche Stelle kommen und sie lösen wird, sondern dass man sie selbst lösen muss. Während in Deutschland für jeden Gullydeckel "die Politik" zuständig ist, hält man sich hier die Politik lieber vom Leib. Dieses riesige Land, das schon innerhalb seiner eigenen Grenzen so vielfältig ist wie kaum ein anderes, ist in ständiger Veränderung und Bewegung, und das funktioniert, weil alle seit je damit zu leben gelernt haben, dass sie ein Teil dieses Prozesses sind.
Diese Anmerkungen sollen nun aber niemanden davon abhalten, Thomas Krafts Buch zu lesen. Je länger man nämlich darin liest, desto mehr wird fast beiläufig deutlich, was eigentlich die ursprüngliche Quelle der Country-Musik gewesen ist. Oder sagen wir: was eigentlich die Themen waren, die die Country-Musik geprägt haben. Weshalb sie in den USA entstanden ist, und weshalb sie nur hier entstehen konnte. Es war der Alltag, aber keineswegs der stets heile Alltag. Den gab es nie. Es waren und sind genau diese obengenannten Themen, die ihren Einfluss eingebracht haben, und trotzdem schließt es Kommerzialität nicht aus. Eine Sängerin wie etwa Loretta Lynn hat das immer gewusst, hat es nie ausgeklammert, und genau das hat ihren Erfolg ausgemacht. Das Volk, wie schon Brecht festgestellt hat, ist nämlich keineswegs so tümlich, wie man es ihm gern unterstellt.
Wenn man das im Hinterkopf behält, dann wird das vorliegende Buch von diesem Punkt an hochinteressant. In Kapitel 3, betitelt "Americana", schildert Thomas Kraft auf rund 150 Seiten die Geschichte der Country-Musik, ihre Wurzeln und ihre Entwicklung bis heute. Hier wird dann auch deutlich, weshalb diese Musik mehr als fast jede andere originär amerikanische Musikform immer ein Spiegelbild der US-Gesellschaft gewesen ist. Dabei holt der Autor weit aus, es werden nicht nur die Country-Stars im engeren Sinne vorgestellt, Leute also wie Hank Williams oder Johnny Cash, sondern auch Künstler, die aus anderen Ecken kommen, von der Creedence Clearwater Revival über Tom Petty bis zu Bob Dylan, von Willy Nelson, die Highwaymen über Doug Sahm und sein wunderbares Sir Douglas Quintet bis hin zum Tex-Mex. Auch die Arbeit einiger Produzenten wird berücksichtigt, erwähnt seien Daniel Lanois oder Owen Bradley. Da ergibt sich eine umfassende Genrebezeichnung wie "Americana" fast von selbst. Und der Witz ist, dass das alles zusammenpasst: Musikindustrie, Kommerz, die hochkommerzielle Grand Ole Opry, die Glitzeranzüge und überdimensionalen Stetsons, Johnny Cashs Folsom Prison, die Blue Ridge Mountains, der Mississippi, die nicht ausgesprochene Scheidung ("D-I-V-O-R-C-E") und die Vagabundenromantik der Eisenbahn, "this little teardrop" auf der Stimme einer tammy Wynette, einer Dolly Parton, die sich selbst auf die Schippe nimmt, indem sie sagt, es sei elend teuer, so billig auszusehen wie sie. So geht das. Es wird klar gesagt, dass manche Leute zu reich sind, aber eben auch, dass auch sie sich für all ihr Geld keine andere Coke kaufen können als du und ich.
Kleiner Schönheitsfehler: Dieses Kapitel ist zwar chronologisch, gleichzeitig aber als fortlaufende Darstellung angelegt, die von einem Namen zum nächsten springt. Da vermisst man schmerzlich ein Namensregister, das den Zugriff auf einzelne Künstlerpersonen und das Wiederfinden sehr erleichtern würde. Und klar, ein Vorhaben wie dieses Kapitel kann nicht vollständig sein, der Autor musste eine Auswahl treffen. So wird etwa die wunderbare k.d. lang, die das Countrygenre gleichermaßen lieben wie hochnehmen kann, auf gerade mal einer halben Seite abgehandelt, auch etwa Linda Ronstadts Einfluss auf das Entstehen von Bands wie den Eagles und ihr Umfeld vermisse ich.
Das ist aber zu verschmerzen, denn im letzten Teil des Buches stellt der Autor nicht weniger als 500 Alben vor, chronologisch von 1966 bis heute, viele davon mit kurzen oder ausführlichen Kommentaren. Hier findet man neben Genreklassikern auch viele Geheimtipps. Namen wie Tom Petty oder Lucinda Williams tauchen immer wieder auf, Emmylou Harris und Gram Parsons, aber eben auch The Band, The Byrds, die Allman Brothers, Lynyrd Skynyrd oder eben CCR. Fast alle dieser Platten sind mittlerweile auch in den Streamingdiensten zu finden. Eine Zusammenfassung der vielleicht 20 besten dieser Alben wäre schön gewesen, aber ohne sie kann man sich tagelang mit eigenen Forschungsarbeiten beschäftigen und lernt dabei mehr und Interessanteres kennen.
Das Buch kommt im übrigen mit vielen Fotos daher, die das Blättern zum Vergnügen machen. Ich kenne in deutscher Sprache kein vergleichbar informatives und gut lesbar geschriebenes Buch zum Thema -- unbedingte Empfehlung.
Wer dann auf den Geschmack kommt und weiterforschen möchte, sei vielleicht noch auf Ken Burns erstklassige PBS-Serie "Country Music" von 2019 hingewiesen; mehr dazu hier.
Thomas Kraft:
Americana -- Ein zerrissenes Land im Spiegel der Country Music
315 Seiten mit vielen Fotos
Verlag Andreas Reiffer, Meine 2024
ISBN 978-3-910335-25-7, 25 €
Gestern vor 40 Jahren: Start einer der besten Produktionen, die die ARD je zustande gebracht hat.Und danach dann "Hundert Meisterwerke" -- kaum mehr vorstellbar, dass sowas im deutschen Buntfernsehen mal Programmbestandteil war.
Und dann das Ganze noch im Gong. In der Wahl der Programmzeitschrift steckte mehr als nur eine Frage des Preises. HörZu oder Gong -- das war ein Statement. Der traurige Rest hatte dann die Funkuhr oder TV hören und sehen.
"Die Leute haben geklatscht, wie man das halt so macht. Aber ich wäre am liebsten im Boden versunken. Eine sinfonische Komposition war ein Novum für mich. Ich hatte keine Ahnung, wie man so was macht. Nie wieder, sagte ich mir."
Laurie Anderson in einem NZZ-Interview über die Premiere von Amelia im Jahr 2000. Aber der Dirigent des Werkes, Dennis Russell Davies, sah die Sache offenbar nicht ganz so katastrophal und behielt das Stück im Kopf. Einige Jahre später schlug er Laurie vor, es ein zweites Mal zu riskieren, diesmal aber mit auf die Streicher reduziertem Orchester. Das gefiel ihr schon besser.
Es dauerte dann nochmals einige Jahre, bis Davies, der inzwischen Chefdirigent der Philharmonie Brünn geworden war, ihr vorschlug, das Werk nochmals auf die Bühne zu stellen. Den Mitschnitt dieser Version bearbeitete Laurie nach: Mit allerlei elektronischen Tricks aus ihrer eigenen Werkstatt und einigen Mitteln, die man aus der Hörspielproduktion kennt, veränderte sie Teile ihrer Sprechstimme (tatsächlich sind es wohl um die zehn verschiedene Stimmen, die sie so erzeugte), fügte Perkussionsinstrumente hinzu und heuerte als ergänzende Vokalistin die Künstlerin Anohni an. Das Ergebnis gibt es nun als Platte.
Als ich meiner Liebsten erzählte, von Laurie Anderson sei eine Platte über Amelia Earhart zu erwarten, war ihre Reaktion, ob man denn da nichts Interessanteres hätte finden können. Ich wusste nicht, dass die amerikanischen Kinder mit der Geschichte dieser Flugpionierin schon in der Schule zugeschüttet werden. Insofern war ich ein bisschen skeptisch, was da wohl kommen würde.
Das Resultat ist trotz des recht sanften Gesamteindrucks kein Easy Listening. Es ist, soweit ich erinnere, das erste Mal, dass Laurie Anderson eine durchgehende, in sich geschlossene Geschichte erzählt, und die Platte erzeugt ein irgendwie ungutes Gefühl; man weiß ja, wie sie enden wird. Schockmomente gibt es aber nur selten, und selbst sie sind eher relativ. Das ist einerseits ein bisschen verblüffend, denn immerhin geht es um die versuchte Weltumrundung, die Amelia Earhart 1937 als erste Pilotin startete und die für sie und ihren Co-Piloten tödlich endete. Andererseits aber würden solche Ausbrüche wohl nicht mehr zu Lauries inzwischen doch sehr gereifter Stimme passen. Insgesamt ist das Werk eher harmonisch gehalten, verfügt aber dennoch über die Anderson-typische Intensität, die man von ihr kennt. Und die hält bis zum Ende, das nach 34 Minuten eher angedeutet als ausgespielt wird.
Wir folgen dem Flug, bis über dem Pazifik der Funkkontakt abbricht. Es gab später mehrere Suchaktionen, aber bis heute sind die Trümmer der Maschine nicht gefunden worden. Laurie verwendet unter anderem Texte, die auf Protokollen des Funkverkehrs, auf Interviews während Zwischenlandungen und Flugtagebüchern basieren. Der vollständige Text liegt der LP bzw. der CD bei; man muss ihn mitlesen, weil die Dramaturgie der Aufnahme einige Passagen fast unkenntlich macht.
Als nächstes soll dann wohl entweder United States, Part V folgen (für mein Gefühl vielleicht nicht unbedingt die beste Idee), oder, so ließ Laurie in einem "Guardian"-Interview verlauten, "von einem Schiff namens Arche." Warten wir's ab.
Frühbesteller des Albums Amelia erhielten zusätzlich eine signierte Druckgrafik im LP-Format. Sie zeigt ein seltenes, Fliegern aber bekanntes Phänomen: einen ringförmigen Regenbogen, der den Schatten des Flugzeuges auf der Regenwand umschließt. Ein passendes Bild.
On August 14, 2024, Spanish paper El País had this article on the 50th anniversary of Kraftwerk's Autobahn.
Here's the Google translation.
‘Autobahn’, the album by pioneers Kraftwerk that inaugurated the era of electronic pop, turns 50