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Saturday, May 3, 2025

Klaus Schulze: Bon Voyage

(English translation: please scroll down)

Dass uns Klaus Schulze verlassen hat, ist nun auch schon wieder drei Jahre her. Auf Neuerscheinungen mussten die Fans dennoch nicht lange warten, und produktiv, wie er war, ist anzunehmen, dass noch manches folgen wird.

Ich meine mich zu erinnern, Schulze dreimal live gesehen zu haben: Erstmals 1977 im Hamburger Audimax, damals noch mit dem Big Moog auf der Bühne, gerade stand sein Jubiläumsalbum X. vor der Tür, für das überall im Audimax kleine Werbeaufkleber herumflogen. Ich erinnere das Konzert als atmosphärisch stark. Das zweite Mal war 1981 ebenda, mit dem Gitarristen Manuel Göttsching und erstmals mit dem damals neuen GDS-Computer. Und dann war da noch ein drittes Konzert, diesmal in der Fabrik mit einem Fairlight und dem Gast Rainer Bloss, der inzwischen den GDS übernommen hatte; es müsste wohl 1985 gewesen sein. Mir in Erinnerung vor allem wegen des Vorhangs, der sich mehrere Minuten lang nicht öffnen wollte. Relativ aktuell war da noch das Live-Album Dziekuje Poland, eingespielt von eben diesem Duo.

Mit Deus Arrakis hatte Klaus Schulze ein verdammt starkes letztes Album hinterlassen, danach veröffentlichten seine Erben noch die Filmmusik 101, Milky Way aus dem mir nicht bekannten Film "Hacker". Nun haben die Erben erneut ins Archiv gegriffen und den Mitschnitt des Audimax-Konzertes von 1981 ausgegraben: Bon Voyage heißt das gute Stück, zwei CDs und eine DVD.

 

Ich habe damals nicht mal bemerkt, dass das Konzert gefilmt wurde, und tatsächlich war das Video eigentlich nur dazu gedacht, den beiden Musikern einen Eindruck zu vermitteln, wie sie auf der Bühne aussahen. So muss man die DVD denn wohl auch sehen: als eine Erinnerung an den Auftritt, qualitativ ist es weder technisch noch in der Bildführung besonders gelungen. Auch der Ton ist eher mäßig, aber das macht nichts, denn dafür sind ja die CDs (bzw. die Doppel-LP) da, und an deren Qualität gibt es nichts zu bemängeln. Dazu gibt es ein gut gemachtes Booklet mit bis dahin unveröffentlichten Fotos und Liner Notes von Claus Cordes in deutsch und englisch. Wer das alles nicht braucht: Den Ton gibt es auch bereits auf den üblichen Streamingdiensten.

Es ist ein bisschen dreist, dass nur Klaus Schulze auf dem Cover genannt wird, denn tatsächlich stand die gesamte Zeit hindurch auch Manuel Göttsching mit seiner Gitarre auf der Bühne. Dass er ein exzellenter Gitarrist war, muss nicht extra betont werden. Leider nutzt er das Instrument fast ausschließlich zum Ansteuern eines Gitarren-Synthesizers. Diese Geräte waren damals noch sehr schwer zu bändigen; mir fallen auch nur zwei Gitarristen ein, die das wirklich draufhatten: Steve Hillage und Pat Metheny, und irgendwie kommt mir Manuel hier ein bisschen in den Hintergrund gemischt vor -- mehr, als er es eigentlich verdient gehabt hätte. 

Klaus Schulze war nie ein großer Tastendompteur, das zeigt sich nicht zuletzt im Video sehr deutlich. Sein Talent bestand vielmehr darin, sich sehr effektiv die Technik zunutze zu machen, um einen eigenen, unverwechselbaren Stil zu entwickeln. Den hatte er schon recht früh ziemlich exklusiv, und er wich davon auch kaum je ab. 

Musikalisch fiel das hier vorliegende Konzert in die Zeit der Alben Dig It und Trancefer. Das war die Zeit, in der Schulze vom analogen zum digitalen Equipment wechselte, und das ist unüberhörbar. Der GDS-Computer der italienischen Firma Crumar beherrscht die Szene. Ein großer Erfolg war dieser Kiste nicht beschieden; meines Wissens sind nicht mehr als zehn dieser Geräte gebaut worden (andere Besitzer waren Wendy Carlos und Chris Franke). Statt der bis dahin gewohnten warmen Analogklänge hörte man nun kühle Digitalsounds. Das war gewöhnungsbedürftig, und es ist offensichtlich, dass Schulze den Computer noch nicht wirklich auszureizen verstand. Das ganze Konzert bewegt sich in durchgehend hohem Tempo, und immer wieder grüßen die beiden obengenannten Alben durch, streckenweise, wenn mich nicht alles täuscht, sogar inklusive der von Michael Shrieve für Trancefer eingespielten Percussion, die hier als Sample mitläuft. Tatsächlich ist Trancefer für mein Gefühl eines von Schulzes besten Werken, aber so richtig überträgt sich dessen Stimmung nicht auf die Bühne.

Anyway, wer Klaus Schulze nie live gesehen hat, kann das hier nachholen. Das ganze Set kostet gerade mal 16 Dollar, da kann man wirklich nicht viel falsch machen.

 

 

It's been three years now since Klaus Schulze left us. Fans didn't have to wait long for new releases, though, and given his prolific nature, it's safe to assume there's more to come.

I seem to remember seeing Schulze three times on stage: The first time was in 1977 in Hamburg's Audimax, back then still with the Big Moog on stage. His anniversary album X. was just about to be released, and little promotional stickers were flying all around at the Audimax. The concert had a strong, captivating atmosphere. The second time was in 1981, at the same place, with guitarist Manuel Göttsching and, for the first time, with the then-new GDS computer. And then there was a third concert, this time at the Fabrik with a Fairlight and guest Rainer Bloss, who had since taken over the GDS; it must have been in 1985. I remember it mainly because of the curtain that wouldn't open for several minutes. Relatively recent was the live album Dziekuje Poland, recorded by this very duo.

Klaus Schulze left behind a pretty strong final album with Deus Arrakis, after which his heirs released the film score 101, Milky Way from the film "Hacker," which I didn't see. And now the heirs have delved into the archives again and unearthed the recording of the 1981 Audimax concert mentioned above: Bon Voyage is the title of this fine piece, two CDs and a DVD.
 
At that evening, I didn't even notice that the concert was being filmed, and in fact, the video was actually only intended to give the two musicians an impression of what they looked like on stage. That's probably how you should view the DVD: as a memento of the performance; it's not particularly good in terms of quality, neither technically nor in terms of cinematography. The sound is also rather mediocre, but that doesn't matter, because that's what the CDs (or rather the double LP) are for, and there's nothing to criticize about their quality. There's also a well-made booklet with previously unpublished photos and liner notes by Claus Cordes in German and English. If you don't need all that, the audio is already available on the usual streaming services.

It's a bit cheeky that only Klaus Schulze is mentioned on the cover, because Manuel Göttsching was actually on stage with his guitar the entire time. It goes without saying that he was an excellent guitarist. Unfortunately, he uses the instrument almost exclusively to control a guitar synthesizer. These devices were still very difficult to tame back then; I can only think of two guitarists who were truly adept at this: Steve Hillage and Pat Metheny. Somehow Manuel seems a bit relegated to the background here—more than he actually deserves.

Klaus Schulze was never a great keyboard tamer, as is clearly evident in the video. His talent lay rather in his ability to use technology very effectively to develop his own, unmistakable style. He had this style quite exclusively from his earliest albums, and he rarely deviated from it.

Musically, this concert took place during the era of the albums Dig It and Trancefer. This was the time when Schulze switched from analog to digital equipment, and this is unmistakable. The GDS computer from the Italian company Crumar dominates the scene. This machine wasn't destined to be a great success; to my knowledge, no more than ten of these devices were ever built (other owners were Wendy Carlos and Chris Franke). Instead of the warm analog sounds we were used to, we now heard cool digital sounds. This took some getting used to, and it's obvious that Schulze hadn't yet fully grasped the computer's capabilities. The entire concert moves at a consistently high tempo, and the two aforementioned albums echo through and through, at times, if I'm not mistaken, even including the percussion recorded by Michael Shrieve for Trancefer, which is included here as a sample. In fact, I think that Trancefer is one of Schulze's best works, but its atmosphere didn't really translate to the stage on this evening.

Anyway, if you've never seen Klaus Schulze live, you can catch up here. The whole set costs just $16, so you really can't go wrong. 
*



Wednesday, April 27, 2022

Klaus Schulze


Er war seit Jahren schwer krank, wirklich überraschend kam sein Tod nicht mehr. Nun ist doch Deus Arrakis sein Schwanengesang geworden, nach "Frank Herbert" auf dem Album X. von 1978 mit Drummer Harald Großkopf und dem mit Arthur Brown produzierten Album Dune von 1979. Der Roman hat ihn nie losgelassen.

Die beiden haben sich nie persönlich kennengelernt, es war gesundheitlich nicht mehr möglich, aber Hans Zimmer hat in seinem Dune-Soundtrack eine Bass-Sequenz aus Schulzes gleichnamigem Album verwendet.

Auch wenn ich irgendwann in der Flut seiner Veröffentlichungen den Faden verloren habe, so haben mich doch einige seiner frühen und mittleren Platten über viele Jahre begleitet. Ich habe Zimmers Worten nichts hinzuzufügen:




 

Sunday, April 11, 2021

Violinen wachsen nicht auf Bäumen


Seit 1970 produziert Klaus Schulze Platte um Platte -- unmöglich fast, auch nur einen Teil davon zu kennen, wenn man nicht wirklich "die-hard fan" ist. Zu denen zähle ich nicht, gleichwohl ist die Musik Klaus Schulzes für mich ein Wegbegleiter durch die Jahrzehnte gewesen.

Verblüffend, dass es in all den Jahren keine vernünftige Biografie gegeben hat. Es mag damit zusammenhängen, dass Schulze sein Privatleben privat hält. Auch in dieser vor kurzem erschienenen Biografie von Olaf Lux (den man sicher als "die-hard fan" bezeichnen darf) findet sich darüber eher wenig. Das schadet aber nichts; das Wenige, das man erfährt, lässt darauf schließen, dass Schulzes Leben im Prinzip relativ unspektakulär verlaufen und er selbst bei allem Erfolg ziemlich bodenständig geblieben ist.

"Violinen wachsen nicht auf Bäumen" ist ein Ausspruch, den Klaus Schulze Journalisten und anderen Fragern entgegenhält, die den Synthesizer für kalte Technik und auf ihm gespielte Musik für "künstlich" oder "tot" halten. Dieses Argument trägt schon deshalb nicht, weil auch Gitarren oder eben Geigen Produkte einer hochstehenden Technologie sind, außerdem spielen Synthesizer nicht von allein, sondern bringen nur das an den Lautsprecher, was ein Musiker aus dem Instrument macht. Das bedeutet: Man muss auch das Spielen auf einem Synthesizer erlernen, und bis man das Instrument beherrscht, stecken hunderte, wenn nicht tausende von Stunden darin.

Elektronikfans haben allerdings leicht mal die Tendenz, die elektronischen Instrumente zum Fetisch zu erheben. Die manchmal ellenlangen Listen des verwendeten Equipments auf LP-Covern (auch Schulzes) sprechen Bände. Olaf Lux weiß die Instrumente einzuordnen, fällt aber dieser Fetischisierung nicht anheim. Platte für Platte wird in chronologischer Reihung vorgestellt, gelegentlich kurz von Exkursen unterbrochen, die auf Weggefährten, Plattenfirmengründungen und -pleiten, Live-Situationen, Schulze als Produzent und andere Dinge eingehen, auch Schulzes jahrelange Alkoholprobleme werden nicht verschwiegen. Das meiste war mir nicht neu, aber trotzdem findet sich zu fast jeder Platte irgendeine Hintergrundinformation, die ich noch nicht gehört hatte. Die Arbeit, das alles zusammenzutragen, muss enorm gewesen sein (zumal Schulze selbst für den Verfasser nicht zu sprechen war). 

Wenn ein Fan die Biografie seines Stars schreibt, ist das immer ein Seiltanz. Der ist hier im Großen und Ganzen geglückt. Das eine oder andere kritische Wort zu Schulzes überbordender Veröffentlichungspolitik hätte ich mir schon gewünscht, und für mein Gefühl sind viele Platten Schulzes einfach zu lang. Aber das ist Geschmacksache. Wenn ich sagen sollte, welche Platten von Schulze ich für wirklich wichtig halte, dann fallen mir fünf oder sechs ein -- die allerdings sind dann wirkliche Meilensteine.

Wer sich für Klaus Schulze interessiert, kann unbesorgt zugreifen, wer ihn nicht mag, wird mit diesem Buch nicht viel anfangen können. "Violinen wachsen nicht auf Bäumen" ist gut geschrieben und handwerklich gut gemacht, auch wenn man sieht, dass es kein professionelles Satzbild ist. Das Buch hat -- was bei selbstpublizierten Werken aus Kostengründen nicht immer selbstverständlich ist -- eine gut lesbare Schrift (mein Tipp: Century Schoolbook oder eine ähnliche) in gut lesbarer Schriftgröße (die meisten Leser werden schließlich nicht mehr die jüngsten sein), ist parallel in deutscher und englischer Sprache erhältlich, hat 540 Seiten, kostet 39,99€ und ist nur hier zu beziehen.


(Diese Besprechung wurde zuerst auf manafonistas.de veröffentlicht.)

Sunday, June 24, 2018

Klaus Schulze: Silhouettes






Von Klaus Schulze hat man lange nichts mehr gehört; irgendwann habe ich es allerdings auch aufgegeben, seinen Veröffentlichungen bewusst zu folgen. Seine letzte mir bekannte Soloplatte war Kontinuum von 2007, Shadowlands von 2013 ist mir anscheinend entgangen, seine Experimentierereien mit Lisa Gerrard fand ich eher nicht sehr beeindruckend. Aus gesundheitlichen Gründen wird es auch keine Konzerte von Schulze mehr geben.
 

Da freut man sich dann doch über ein Lebenszeichen. Und man erkennt ihn wieder. Silhouettes ist offenkundig ohne jeden Produktionsdruck und mit recht einfacher Ausrüstung entstanden, hat keine Gastmusiker, hängt sich an keine Trends an, kommt nicht mit aufgeblasenen Synthie-Effekten daher, sondern ist Ambient im besten Sinne. Eine über Strecken fast unauffällige Klanglandschaft, auf die man sich einlassen kann, die aber auch nicht stört, wenn sie einfach nur im Hintergrund läuft. Die Basis der vier Stücke sind Reihungen an- und abschwellender Akkorde, in denen nach und nach die charakteristischen echogeladenen Schulze-Sequenzen aufblitzen, manchmal um einfache Percussion ergänzt. Wirkliche Melodien gibt es nicht, aber die waren ohnehin nie Schulzes Stärke.

Die Titel — etwa „Der lange Blick zurück“ oder „Châteaux faits de vent“ — lassen einen leichten Grad von Melancholie erahnen, der sich beim Anhören mehr und mehr bestätigt. Wer den Schulze von Mirage mochte, wird sich auf Silhouettes sofort zu Hause fühlen.

Silhouettes gibt es in allen handelsüblichen Formaten, unter anderem auch in einer 2-LP-Version in weißem bzw. graumarmoriertem Vinyl und als als limitierte Superduper-2-LP-Luxus-Version in rotem Vinyl mit beigelegter CD im Digipack und einem Print, um den Schulze wahrscheinlich in einer Vollmondnacht persönlich herumgetanzt ist. Ob man das braucht, muss jeder selbst wissen. Mir genügt die einfache CD. Aber die finde ich auch nach wiederholtem Hören erfreulich.

(Dieser Beitrag erschien zuerst in manafonistas.de)